5 Mythen über das Alleinreisen (als Frau)

Auf einer Mauer steht "Well, I guess - Some journeys start when you arrive"

Mein erklärtes Ziel ist es ja, mehr Menschen und insbesondere mehr Frauen von den Vorteilen des Alleinreisens zu überzeugen. Noch bin ich nicht zu allen durchgedrungen. Deshalb schauen wir uns heute fünf Mythen oder „Ja, aber“-Argumente an, die gerne angebracht werden, wenn es darum geht, ob man alleine aufbrechen sollte.

Wenn Deine Befürchtungen noch tiefer gehen, habe ich auch noch über Angst beim Reisen geschrieben.

Mythos 1: Alleinreisen ist gefährlich

„Dass du dich das traust!“, ist wohl die häufigste Reaktion, wenn ich erzähle, dass ich alleine reise. „Ist das nicht total gefährlich?“ Als ich auf Safari ging, war meine Oma sich sicher, dass ich von einem Löwen gefressen würde. Bei meiner ersten Chinareise war für meine Mutter klar, dass ich diese nicht überleben würde.

Das war meine zweite Chinareise, und ich lebte noch immer.

Wieso soll ich unbedingt im Ausland ums Leben kommen? Mittags in München die Maximilianstraße überqueren zu wollen, ist wesentlich riskanter. Von beiden Seiten kommt die Tram, aus der Seitenstraße ein gestresster Kurierfahrer, und besonders unberechenbar sind die Auswärtigen mit ihren SUVs, die einen Parkplatz suchen und deshalb nicht auf die Straße achten. Klar, im Safari-Jeep kann ich von einem wütenden Elefanten zertrampelt werden, aber wie häufig kommt das vor? Und wie viele Menschen sterben in Deutschland jährlich bei Verkehrsunfällen? (2024 waren es 2.759 laut Statistischem Bundesamt.)

Fazit – was ist dran? Natürlich kann Dir auf Reisen etwas passieren. Zu Hause aber genauso. Tourismus ist ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. Die meisten Tourist*innen bringen dem Land lebend mehr Geld ein als tot, daher wird in der Regel auf Reisende keine Jagd gemacht. Solange Du nicht in Krisen- oder Kriegsgebiete fährst, nachts betrunken durch einsame Gasse stolperst oder mit offensichtlichen Reichtümern wedelst, so lange wird Dir wahrscheinlich nichts passieren. Sei vorsichtig und wachsam, genauso wie daheim.

Pro Tipp: Lies immer die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts, bevor Du buchst.

Kleine Anekdote am Rande: Mein Physiotherapeut war mit einem Freund in Kolumbien. Sie wollten sich unbedingt mal überfallen lassen und sind deshalb nachts alleine in das gefährlichste Viertel der Stadt gegangen. Ein Obdachloser hat sie noch zum Umdrehen aufgefordert: Das sei viel zu riskant. Passiert ist ihnen – nichts. Sie waren echt enttäuscht.

Mythos 2: Als alleinreisende Frau werde ich ständig angebaggert

Eine heikles Thema. Das hier soll auf keinen Fall victim blaming sein. Aber je konservativer die Gesellschaft, desto weniger offen ist sie für Abweichungen vom Standard, gerade bei Frauen.

Ein Horrorszenario, gerade für Frauen: Ich bin alleine an einem fremden Ort, kenne niemanden, spreche die Sprache nicht und werde angemacht oder gar bedrängt. Oder ich kann gar nicht die Straße entlanggehen, ohne dass mir ständig hinterhergepfiffen wird.

Hier muss meiner Meinung nach unterschieden werden zwischen der tatsächlichen Situation und der Angst. Ich habe diverse Frauen getroffen, die sich vor Reisen die Haare dunkel gefärbt haben, weil … naja … Ist natürlich klar, was da mitschwingt – diese ganzen fremdländischen Männer, die stürzen sich auf jede blonde Frau, derer sie gewahr werden. Die können gar nicht anders. Eine solche Annahme liegt irgendwo auf dem Spektrum zwischen Angst vor dem Fremden und purem Rassismus. Leider wird ja auch heute noch von viel zu vielen Menschen die These vertreten, dass mit dunklerer Hautfarbe auch die Lüsternheit und der Mangel an Impulskontrolle steige.

Hier kann es sinnvoll sein, seine eigenen unbewussten Einstellungen und auch kulturelle Sensibilität kritisch zu hinterfragen. Wie denke ich über die Menschen, deren Land ich besuchen möchte? Wie trete ich in meinem Reiseland auf, wie wirke ich auf die Einheimischen? Passe ich mich an die örtlichen Gepflogenheiten an? Wenn ich z. B. in konservativen muslimischen Ländern bauchfrei herumlaufen will, wird mir das unerwünschte Aufmerksamkeit einbringen. Denn das macht keine „anständige“ Einheimische.

Darauf verzichten, weil ich vielleicht blöd angequatscht werde?

Es gibt Ländern, in denen Männer nicht einfach mit Frauen reden können, mit denen sie nicht verwandt sind. Natürlich gibt es in solchen Ländern auch Männer, die ganz bewusst mit ausländischen Frauen auf eine kulturell nicht akzeptierte Art sprechen. Und die meinen, es sei ok, eine (westliche) Frau einfach anzuquatschen. Dabei wissen sie oft nicht, dass solch ein Verhalten auch in Europa nicht gut ankommt. Ist mir auch schon passiert – in Jordanien gab es gerade im sehr touristischen Petra in mehreren Situationen blöde Sprüche. Ich schaue dann sehr kühl und würge das „Gespräch“ ab. Natürlich ruft das die gleichen defensiven Reaktionen wie bei uns hervor – war doch nur ein Spaß, hast du keinen Humor? Nein, habe ich nicht, ciao.

Ich möchte aber auch ausdrücklich feststellen, dass das Ausnahmen waren und die überwältigende Mehrheit der Menschen in Jordanien absolut wunderbar und freundlich war. In der muslimischen Welt wird Gastfreundschaft sehr groß geschrieben, und die Leute wollen, dass man sich wohlfühlt.

Fazit – was ist dran? Natürlich kann es Dir auf Reisen (ebenso wie zu Hause) passieren, dass Du angebaggert wirst. Was macht man dagegen? Zurückhaltende Kleidung, zurückhaltendes Auftreten. Laut und deutlich nein sagen, auf den Ehemann hinweisen, der gleich kommt. Zur Not Passanten um Hilfe bitten oder in ein Geschäft/Restaurant gehen.

Pro Tipp: Wenn es Dir alleine zu mulmig ist, engagiere einen Guide. Der/die wird unerwünschte Avancen souverän abblocken und Dir nebenbei einen tieferen Einblick in die Kultur des Landes verschaffen.

Mythos 3: Alleinreisen ist teuer

Da kann durchaus was dran sein, deshalb kann eine Gruppenreise unter bestimmten Umständen die bessere Wahl sein. Es kommt aber darauf an, wie Du reist.

Wenn Du für Dich allein das Programm und die Betreuung einer Gruppenreise replizierst, zahlst Du natürlich mehr als für Deinen Platz in der Gruppe. Denn Du musst z. B. für die kompletten Transport- und Guidekosten aufkommen, die Du Dir ansonsten mit anderen geteilt hättest.

Hier hast Du also Gestaltungsspielraum. Brauchst Du eine 24/7-Betreuung, oder reicht es Dir, gelegentlich einen geführten Stadtrundgang zu machen? Brauchst Du einen Privattransfer, oder kannst Du auch mit dem Bus oder Zug fahren? Wenn es auch etwas einfacher und weniger exklusiv sein darf, kann das Reisen gerade in Asien ziemlich günstig sein.

Allerdings gibt es auch bei Gruppenreise Elemente, die den Preis nach oben treiben können. Ich war zum Beispiel mal auf einer ziemlich teuren Reise in Indien und Bhutan. Wir wurden von einem deutschen Reiseleiter und einem heimischen Guide begleitet. Der Deutsche hat nur wenig erkennbaren Mehrwert geliefert und den Guide die ganze Arbeit machen lassen. Den hätten wir uns also (im wahrsten Sinne des Wortes) sparen können. Stattdessen haben wir sein Honorar über den Reisepreis finanziert. Zudem hat der deutsche Veranstalter sich zweifelsohne eine recht großzügige Marge gegönnt. So etwas entfällt, wenn Du Dir einen Guide vor Ort buchst.

Auch über die Unterkunft lässt sich viel Geld sparen. Dieses wunderbare Hotel in Vietnam hätte ich mir auf eigene Faust niemals gebucht. Ein Gästehaus im Dorf wäre deutlich günstiger gewesen.

Manchmal hilft nur rechnen. Zwei Wochen mit dem Auto durch Nationalparks im Südwesten der USA vs. Gruppe machte keinen großen Unterschied. Angesichts der Zeitverschiebung und des Wanderns in abgelegenen Gebieten fand ich die Gruppe hier vorteilhaft. Doch als ich mir 2020/21 eine Islandreise zusammenbastelte, überlegte ich erst, eine Gruppenreise zu buchen. Es gab da ein spannendes Programm, mit dem ich auch viel vom Hochland gesehen hätte. Im Endeffekt habe ich mich für einen selbstgeplanten Roadtrip entschieden, der für drei Wochen nicht wesentlich teurer war als elf Tage Gruppe.

Fazit – was ist dran? Bestimmte Kostenpunkte können beim Alleinreisen sehr ins Geld gehen. Dafür kannst Du je nach Reisestil und -land auch ziemlich günstig unterwegs sein.

Mythos 4: Beim Alleinreisen bin ich komplett alleine

Die Angst, zwei oder drei Wochen mit sich selbst zu verbringen, scheint viele Menschen davon abzuhalten, alleine zu reisen. Dabei bist Du auch auf Reisen nie wirklich alleine. Die anderen stehen nur nicht ständig um Dich herum.

Selbst würde ich mich nicht als mega extrovertiert bezeichnen. Die Aussicht, mit fremden Menschen ins Gespräch kommen zu müssen, empfand auch ich lange eher als bedrohlich. Doch dann geschahen zwei Dinge: Erstens wurde mir klar, dass es vielen anderen Menschen genauso geht. Wenn die Leute nicht von sich aus auf Dich zukommen, liegt das häufig daran, dass auch sie Bammel haben (und nicht daran, dass sie Dich schon aus der Entfernung doof finden). Und zweitens schaute ich mir bei den Amis einen ganz einfachen Trick ab. Man muss das Gespräch gar nicht mit einem coolen Spruch beginnen. „Hallo, ich bin …“, reicht vollkommen. Dann ist das Eis meist schon gebrochen.

Ich erinnere mich an nur eine Reise, bei der ich Probleme hatte, Leute kennenzulernen. Das war in Kambodscha. Dort schienen seltsamerweise nur heftig verliebte Paare unterwegs zu sein, die niemanden außerhalb ihrer rosa Bubble wahrnahmen. Ansonsten ging es immer ganz easy. Je exotischer das Land, desto leichter erkennt man andere Reisende ja auch – und schon fängt man im Bus, im Café oder bei einem Ausflug ein Gespräch an. „Kannst du ein Foto von mir machen?“, ist immer ein guter Aufhänger. Wenn Du im Hostel im Mehrbettzimmer übernachtest, kannst Du Bekanntschaften kaum vermeiden. Manche Leute lernst Du besser kennen, als Dir lieb ist. 🤪

Neue Frisur, neue (kurzfristige) Freundschaft: Im Gästehaus kennengelernt, direkt zur Massage, am nächsten Tag verabschiedet.

Fazit – was ist dran? Du wirst wahrscheinlich alleine losfahren, aber unterwegs immer wieder Leute kennenlernen. Wenn Du tendenziell schüchtern bist, ist so eine Reise eine tolle Gelegenheit zu üben, wie man mit anderen ins Gespräch kommt.

Pro Tipp: Die Aussicht, niemanden kennenzulernen, bereitet Dir große Magenschmerzen? Dann buch doch zunächst alleine eine Gruppenreise. Da hast Du eine kleine Anzahl von Menschen, die Dir so schnell nicht entkommen und an denen Du die Kontaktaufnahme üben kannst.

Mythos 5: Beim Alleinreisen muss ich mir ALLES selbst organisieren

Die Zeiten, in denen man die Wahl hatte zwischen „Full-Service im Reisebüro“ und „alles, wirklich alles selbst organisieren“, sind lange vorbei. Heute gibt es in Deutschland Reiseveranstalter, die komplett durchorganisierte Trips als Privatreise verkaufen. Und im Zielland gibt es ebenfalls jede Menge Anbieter, die Rundreisen oder nur einzelne Komponenten (Tagesausflüge, Guides etc.) vermitteln.

Julia Pracht vor der Gergeti-Kirche, Georgien.
Wenn der Tagesausflug gleichzeitig der Transfer zum nächsten Ziel ist: im Großen Kaukasus in Georgien.

Fazit – was ist dran? Wenn Du allein unterwegs bist, kannst Du Dir alles selbst organisieren, Du musst aber nicht. Du wirst überall vor Ort jemanden finden, der Dir gerne Ausflüge, Unterkünfte etc. vermittelt.

Pro Tipp: Schau Dir ein paar organisierte Rundreisen bei deutschen Veranstaltern an, um Dich für Deine eigene Reiseplanung inspirieren zu lassen! Hier bekommst Du schon einen ersten Eindruck, wie viel Programm Du in welcher Zeit absolvieren kannst.

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