Mit Feile und Handwärme: Ich mache einen Goldschmiedekurs

Feilen und Ringrohlingen im Goldschmiedekurs

Einen Goldschmiedekurs wollte ich schon lange mal machen. Schließlich bleibe ich vor (fast) jeder Schmuckauslage verzückt stehen. Was mich nur lange zögern ließ: Ich sehe meine Kernbegabung weniger im Handwerklichen … obwohl ich schon in Vietnam ungeahntes Geschick bei der Herstellung von Reisnudeln an den Tag gelegt hatte.

Vielleicht wartet meine kreative Ader einfach nur darauf, geschürft zu werden.

So oder so, ich wollte es gerne mal ausprobieren und hatte schon verschiedene Formate recherchiert. War mir gar nicht klar, wie häufig solche Kurse angeboten werden. Meist sind es allerdings Trauringkurse … eine gute Gelegenheit, vor der Hochzeit einmal mehr zu testen, ob man wirklich so gut zusammenpasst.

Und dann annoncierte Nora Thielbier, bei der ich auch schon im Laden war, einen Wachsschnitzkurs.

Schnitzen oder formen?

In Noras Kurs wird der Ring aus Wachs vorgeformt und später in Silber gegossen. Wir saßen also nicht an der Bank und klopften auf einem Stück Silber herum. Statt dessen saßen wir mitten in München an einem schönen Tisch mit reichlich Verpflegung …

Kekse als Nervennahrung beim Goldschmiedekurs.
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… und mussten uns zunächst entscheiden: Wollten wir aus einem Wachsblock etwas feilen, oder wollten wir aus Wachs“drähten“ mit Handwärme etwas formen?

Die anderen vier Teilnehmerinnen hatten alle ziemlich genaue Vorstellungen, was sie sich erarbeiten wollten. Drei zeigten Fotos vor, eine („Ich kann leider nicht so gut zeichnen.“) zeichnete ziemlich perfekte Skizzen in gleich mehreren unterschiedlichen Ansichten auf ein Blatt Papier.

Ich hatte mal wieder bestenfalls diffuse Ideen, was ich erschaffen wollte. Oder besser gesagt: Ideen hätte ich schon, aber nicht unbedingt welche, die sich ohne Vorkenntnis innerhalb weniger Stunden umsetzen lassen.

Mein erster Ring

Irgendwie muss man ja anfangen. Und mit Wachs kann man zum Glück nicht so viel kaputtmachen. Auf Inspiration hoffend schnappte ich mir also zwei Wachsdrähte, die dünnsten, die da im Kästchen lagen.

Da liegt es, das Wachs … und jetzt?

Eher aus Verlegenheit – erstmal gucken, wie das eigentlich geht 😬 – fing ich an, sie zu verkordeln, erst einfach, dann ineinander, schließlich verschlungen. Das ging erstaunlich schnell, ohne technische Pannen und sah sogar ganz gut aus.

Eigentlich hatte ich das ja nur als Fingerübung angesehen, um später einen ganz anderen Ring anzufertigen. Aber als ich mein Gebilde, im Wesentlichen ein Knäuel aus Wachs, an einen dickeren Draht hielt, fand ich: Das kann ein eigener Ring werden! „Wenn ihr zwei oder drei Ringe macht, ist auch nicht schlimm“, hatte Nora gesagt. Na, dann nehme ich sie doch gleich mal beim Wort.

Also Schritt 2: Wir formen eine Ringschiene. Leichter gesagt als getan. Erkenntnis: Es ist gar nicht so einfach, etwas hinzubekommen, was auch nur annähernd kreisförmig ist. Nora sagte, sie könne den fertigen Ring noch in Form klopfen. Puh. Ansonsten ist free form, organischer Look, ja gerade eh total in.

Schritt 3: Wir verbinden die Ringschiene und das Wachsknäuel. Eine Topübung für Leute, die feinmotorisch nicht so veranlagt sind. Unter Zuhilfenahme der Lupe klappte das mit dem Anschmelzen und in-Form-feilen dann doch ganz gut.

Schritt 4, weil drei ja noch nicht reichen: Jetzt wollte ich auch noch kleine Kügelchen auf die Ringschiene setzen. Das erreicht man, indem man mit einem Lötkolben ein bisschen Wachs aus einem Block schmilzt und dieses dann abtropfen lässt. Kann klappen oder schiefgehen.

Alles in allem bin ich mit dem Ergebnis echt zufrieden. 😊

Mein erstes eigenes Werk.

Die nächsten Ringe

Spätestens an dieser Stelle entwickelte das Ganze eine gewisse Eigendynamik. Die anderen feilten noch immer (unter gelegentlichem leisen Fluchen) ihre Wachsblöcke in Form, ich fühlte mich plötzlich so richtig 🤩.

In ihrer Werbung für den Kurs hatte Nora ein Ringmodell gezeigt, das mir eigentlich ganz gut gefiel. Aber wie hatte die das hingekriegt? Ach so, indem sie das dünne Wachs erst so, dann so wickelte. Auch das war leichter als erwartet. Beim ersten Versuch wickelte ich zu grob, der zweite war ringtauglich.

Das rote Wachs in der Dose, hatte Nora uns gesagt, ist ganz weich. Darin sieht man auch Fingerabdrücke, wenn man z. B. den Finger fest in eine kleine Wachskugel drückt. Und mit so einem breiten Draht kann man auch mal eine halbrunde Ringschiene formen, stellte ich fest. Diesmal klappte das Montieren schon ganz ohne Hilfe.

Hier also die ersten Prototypen meiner neuen Schmuckkollektion:

Drei Ringmodelle aus Wachs von Julia Pracht.
Schon bald in allen Luxuskaufhäusern erhältlich 🙂

Der letzte Streich

Von null Ideen auf vier Ringe, das hätte ich mir nicht zugetraut. Das letzte Modell habe ich Nora zu verdanken: Ich könnte auch rein aus dem weichen roten Wachs einen Ring formen, sagte sie, da seien dann überall meine Fingerabdrücke drauf. Gesagt, getan.

Die fertigen Modelle: vier Ringe und ein Teil eines Armkettchens.

Ich bin schon total gespannt, wie die fertigen Ringe aussehen werden!

Nachtrag: Da sind sie!

Bis Anfang März musste ich mich gedulden. Dann gab Nora Bescheid, dass die Ringe fertig seien. Sie waren noch etwas zu groß, aber das lässt sich ja beheben.

Julia Pracht probiert einen ihrer selbstgemachten Ringen und ein Armkettchen an.
Erste Anprobe im Laden: Sieht schon ganz gut aus 🙂
Goldschmiedin Nora Thielbier verlötet einen Silberring.
Nora beim Löten.

Und so, Trommelwirbel, sehen sie aus:

Die fertigen Ringe am Finger sowie das Armkettchen.

Nora veranstaltet immer mal wieder Wachsschnitzkurse für etwa sechs Personen sowie Trauringkurse. Einfach auf Instagram folgen: @juwelier_thielbier.

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