Insgesamt war ich drei Wochen lang in Georgien unterwegs. Im Anschluss an meine Wanderreise in Swanetien bin ich noch zehn Tage lang auf eigene Faust gereist, unter anderem nach Kazbegi/ Stepantsminda im Großen Kaukasus. Die Gegend ist optisch der Hammer, touristisch bestens erschlossen und bietet viele Möglichkeiten zum Wandern.
Neben Kazbegi und Swanetien habe ich auch mehrere Städte, Südgeorgien und die Georgische Heeresstraße besucht. Vielleicht interessieren Dich auch Infos zur Organisation der Reise.
Begriffsklärung
Kasbek ist der Berg, der der Gegend den Namen gibt. Ein toller Berg – am Ende dieses Artikels gibt es zusätzliche Fotos.
Mit Kazbegi/ Stepantsminda meine ich den Ort am Fuße des Kasbek. Der Einfachheit halber verwende ich in diesem Artikel die Bezeichnung Kazbegi.
Das geht ja gut los…
Nach Kazbegi war ich mit einer geführten Tagestour über die Georgische Heeresstraße aus Tbilisi gekommen. Zum Abschluss führt diese Tour ins Rooms Hotel, von dessen Terrasse man ebenfalls einen tollen Blick auf den Kasbek und die Kirche hat. Gegen 17 Uhr blies Guide Keti zum Aufbruch – die Fahrt nach Tbilisi kann locker drei Stunden oder länger dauern. Sie holte meinen großen Rucksack aus dem Kofferraum des Sprinters, ich meinen kleinen aus der Passagierkabine, wir verabschiedeten uns, und ich machte mich auf zu meiner Unterkunft. Vier Nächte würde ich hier verbringen, und gleich morgen würde ich meine Wanderstiefel anziehen und-
Moment.
Meine Wanderstiefel?! Wo waren die eigentlich?
Noch im Bus.
Verdammt.
Irgendwas geht halt immer schief. Wenigstens ist vergessenes Schuhwerk nur ärgerlich, aber kein Drama. Und weil Gamarjoba Georgia Tours auch nach der Tour noch auf verzweifelte WhatsApps antwortet (danke, Nini!), hatten wir uns schnell darauf geeinigt, dass meine Stiefel mit der Tour am folgenden Tag wieder nach Kazbegi kommen sollten.
Guesthouse Tamta
Ohnehin war alles vergessen, als ich auf der Terrasse des Tamta stand. Denn hier gibt es besten Bergblick rundum, inklusive auf den Kasbek:
Ein sehr guter Anblick zum Frühstück (um das man sich in dieser Unterkunft selber kümmern muss).
Dariali-Schlucht
Allzu große Wanderabenteuer konnte ich ohne Stiefel natürlich nicht antreten. Aber bei Mountain Freaks versicherte man mir, der Ausflug in die Dariali-Schlucht sei auch mit Teva-Sandalen machbar. Nur der große Wasserfall sei „a little bit tricky“. Ging dann aber erstaunlich gut, wobei ich dennoch festes Schuhwerk empfehlen würde.
Die Dariali-Schlucht führt im Wesentlichen von Kazbegi aus bis an die russische Grenze. Das sind keine weiten Strecken, deshalb ist es ein entspannter Halbtagesausflug mit Stopps im Dorf Tsdo, an einem Aussichtspunkt und einem Kloster. Da steht man dann schon fast mit einem Bein in Russland. Die LKWs werden gleich nebenan abgefertigt.
Tsdo
Das Dorf Tsdo liegt kurz hinter Kazbegi linker Hand auf dem Berg. Hier sahen wir niemanden, abgesehen von einem wild bellenden Hund und einer mürrisch dreinblickenden Frau. Das Dorf wird aktiv bewohnt, das war klar – aber was macht man eigentlich beruflich, wenn man in so einem Nest wohnt, haben wir uns gefragt. Und wo und wie gehen die Kinder zur Schule?
Vom Dorf und Aussichtspunkt hat man einen tollen Blick in die Schlucht und auf die Berge. Den Stopp am Kloster fand ich jetzt nicht sooo aufregend… ich war aber auch schon ganz schön churched out. In Georgien steht gefühlt an jeder Ecke eine Kirche, ein Kloster oder zumindest ein Kreuz, da war dieser auch noch recht neue Komplex wenig spannend.
Gveleti-Wasserfälle
Der klare Besuchermagnet in der Schlucht sind die beiden Gveleti-Wasserfälle, die man in kurzer Zeit erwandern kann. Hier war zum ersten und einzigen Mal an diesem Tag richtig was los.
Kurz nach der Abfahrt von der Hauptstraße befindet sich ein Parkplatz für alle nicht-geländegängigen Fahrzeuge. Die Wasserfälle sind dann allerdings noch ein ganz ordentliches (und staubiges) Stück den Hang hinauf. Es bietet sich daher an, mit einem 4×4 anzureisen, damit man nur noch eine kurze Strecke zu gehen hat. Unser Fahrer rauschte uns den Berg hinauf bis zum Endpunkt für Fahrzeuge. Waren wir – ich war mit einem netten niederländischen Paar unterwegs – bei der Ankunft noch allein, sollte die kleine Fläche zwei Stunden später schon aus allen Nähten platzen. So hatten wir Gelegenheit, die georgische Manövrierkunst zu bewundern, denn natürlich musste unser Fahrzeug an allen anderen vorbei, die bereits in Dreierreihen geparkt waren.
Direkt am oberen Parkplatz gabelt sich der Weg: Zum großen Wasserfall geht man ca. 20 Minuten lang nach rechts, zum kleinen etwa 15 Minuten lang nach links. Die Wege sind ähnlich, der zum großen gerade zum Schluss hin vielleicht etwas schwieriger, weil man über ein paar Felsen klettern muss. Trotzdem kein Vergleich zum Geröllfeld am Chalaadi-Gletscher und durchaus zu bewältigen.
Als wir (begleitet von einem riesigen Hund, der an jedem von uns begeistert hochgesprungen war) am großen Wasserfall ankamen, waren wir zunächst die einzigen Besucher. Das änderte sich dann schnell, und auf einmal war es richtig voll. Sogar eine Gruppe Mormonen-Missionare (im Freizeitlook, aber zu erkennen an den Namensschildern) tauchte auf. Die musste ich natürlich gleich anquatschen. Ob ich auch Latter-Day Saint sei, wollten sie wissen. Nein, sagte ich, aber als Austauschschülerin hätte ich in Utah bei einer Familie gelebt, die Mormonen waren – das sei länger her, als sie alle auf der Welt seien. Das fanden alle total lustig; nur ich, ich fühlte mich plötzlich so richtig alt.
Den zweiten (kleinen) Wasserfall wollten wir auch noch sehen, also machten wir uns auf den Rückweg. Extra langsam gehend, um mit den Sandalen nicht zu verunglücken, hielt ich den ganzen Verkehr auf – aufgrund des schmales Wegs war das Überholen schwierig. Plötzlich ein Aufschrei und Krachen, und die Frau hinter mir stürzte den Abhang hinunter. Zum Glück war dieser dicht bewachsen, so dass sie in einem Baum landete, von wo aus sie schnell geborgen werden konnte.
Der kleine Wasserfall ist gar nicht so klein. Hier hatte sich bereits eine Gruppe junger Georgier in Badehose eingefunden, die nur kurz irritiert guckten, als wir auftauchten. Außer Fotos und Pause konnte man nicht viel machen (die Niederländer schickten sich kurz an, noch weiter aufzusteigen, aber das war zu steil), und überhaupt war unsere Zeit schon fast rum. „2 hours“, hatte uns der Fahrer mit strengem Blick gesagt. Und so gingen wir zurück und beendeten den Ausflug pünktlich.
Truso-Tal
Zurück aus der Dariali-Schlucht hatte ich am Rooms Hotel strahlend meine Wanderstiefel in Empfang genommen. Es konnte also „richtig“ losgehen.
Das Truso-Tal liegt etwa eine halbe Stunde Fahrtzeit südlich von Kazbegi. Die dortige Wanderung ist, je nach Startpunkt, bis zu 22 km lang. Mountain Freaks bietet einen täglichen Shuttle-Service an. Ja, für alle Pfennigfuchser: Das geht auch günstiger, indem man mit der marshrutka fährt und sich an der Abzweigung absetzen lässt. Aber im Ernst, warum sollte man das tun? Man spart kaum was und halst sich diverse zusätzliche Kilometer Fußweg auf. Dabei handelt es sich nicht mal um eine besonders attraktive Strecke.
Und die 22 km ab dem Dorf Kvemo Okrokana sind echt schon lang genug, gerade bei Sonnenschein und hohen Temperaturen. Der Vorteil der Wanderung – man geht in das Tal hinein und auf ähnlichem Wege wieder hinaus – ist natürlich, dass man umdrehen kann, wenn man genug hat. (Oder man macht einfach gleich eine Jeep-Tour, dann muss man gar nicht wandern.)
Da der Shuttle eine feste Abfahrtszeit für die Rückfahrt hat, wollte ich keine Zeit verlieren und stürzte gleich los. Milde Panik im Nacken – 22 km, 6,5 Stunden, wie soll ich das nur schaffen, wann muss ich umkehren…? – trieb mich voran. Denn natürlich wollte ich möglichst viel vom Tal sehen und nicht gleich am ersten Café versumpfen. Das befand sich übrigens direkt am Parkplatz. War zum Glück noch nicht geöffnet.
Nach etwa fünf Minuten zog eine freundlich lächelnde Irin an mir vorbei. Weitere fünf Minuten später war sie am Horizont nur noch zu erahnen. Ging ja gut los. (Sie erzählte mir später, sie habe genau die gleichen Befürchtungen gehabt wie ich.)
Der Weg führt zunächst etwa eine Stunde lang durch einen Canyon. Dieser ist landschaftlich schön, aber auch um 10 Uhr morgens schon ziemlich warm und weitgehend schattenlos. Für den Rückweg schwante mir schlimmstes – aber dann war es da gar nicht so heiß wie befürchtet.
Das zweite Café ist etwa 4 km vom Parkplatz entfernt, wenn sich das Tal öffnet. Es schien auch eher nicht in Betrieb zu sein, obwohl da Reisende in Hängematten lagen. Die Toiletten machten jedenfalls nicht den Eindruck, als hätte sich in den vergangenen Wochen jemand um sie gekümmert. Egal, schnell weiter, die Reifen-Stufen hinauf und in Richtung des kleinen, sehr blauen Sees.
Überhaupt gibt es im Tal viel Wasser, das immer wieder an unerwarteten Stellen aus dem Fels oder Boden tritt. An verschiedenen Stellen formt es Travertinen und/ oder färbt den Boden ein. Und manchmal steht man bis zum Knöchel im Sumpf, wenn man nicht aufpasst.
Hinter dem See ist der Weg nicht immer klar erkennbar, aber an der grundsätzlichen Richtung gibt es keinen Zweifel. Am Horizont sieht man schon das weitgehend verfallene Dorf Ketrisi.
Dahinter geht es auf der Straße weiter zum Dorf Abano. Hier gibt es ein Nonnenkloster und abermals ein Café. Dieses war sogar geöffnet.
Das Panorama ist an dieser Stelle schon völlig überwältigend. An diesem Nachmittag waren einige Wolken am Himmel, die dem Ganzen noch mehr Dramatik verliehen.
Von Abano aus sieht man schon gut auf einem Hügel die Ruinen der Zakagori Festung. Wer immer noch nicht genug hat, kann diese erklimmen und den Ausblick aufs Tal genießen. Weiter kann man nicht gehen, weil man schon fast in Abchasien ist. Ich fand, dass der Ausblick schon von unten beeindruckend genug war, und ließ meinen Ehrgeiz fahren. Der Blick auf die Uhr verriet zudem eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ich eine Pause einlegen und es trotzdem schaffen würde, die Wanderung rechtzeitig abzuschließen.
Auf dem Rückweg ging ich es daher etwas gelassener an und entdeckte in Ketrisi ein weiteres Café sowie am Ortsausgang die bunten Travertinen-in-Entstehung. Außerdem Esel am Wegesrand!
An der Straße entlang geht es sich grundsätzlich weniger nett als auf dem Hinweg querfeldein, dafür schien sich der Weg schneller zurückzulegen. Zumindest abgesehen von den letzten vier Kilometern, wo man wieder durch die Schlucht läuft. Diese zogen sich wie Kaugummi, und ich dachte, ich komme gar nicht mehr an. Außerdem war es sehr windig und die Straße plötzlich voller Jeeps, deren Insassen GoPro-Kameras aus dem Fenster hielten. Dennoch absolute Empfehlung!
Interessant fand ich, wie viele Leute man dann doch nicht traf, obwohl alle den gleichen Weg gingen. Das niederländische Paar vom Vortag war beispielsweise auch in der Schlucht, aber ich habe sie kein einziges Mal gesehen. Das nervige deutsche Paar aus meinem Gästehaus lief mir zum Glück auch erst in den letzten Minuten über den Weg.
Was ich auch nicht sah, waren die aggressiven Hirtenhunde, vor denen wir gewarnt worden waren. Im Tal gibt es viele Schafherden, und die dazugehörigen Hunde haben wenig Sympathie für wandernde Touristen. Ich sah den ganzen Tag über allerdings nur eine einzige Herde, weit ab vom Weg. Auch die freundlichen Streuner zeigten sich nicht.
Sonstige Wandermöglichkeiten in und um Kazbegi
Caucasus Trekking hat eine gute Übersicht über Wanderungen in der Umgebung von Kazbegi.
Sehr beliebt ist der Aufstieg zur Gergeti-Kirche und ggf. weiter in Richtung Gletscher. Für Wegbeschreibungen siehe z. B. Wander-Lush oder Going the Whole Hogg.
In Juta gibt es mehrere Optionen. Aktuell (2023) ist die Zufahrt ins Tal wegen Straßenschäden gesperrt.
In Kazbegi gibt es einen Weg (eine nur spärlich befahrene Straße, genau genommen) zur Kirche Ioane Natliscemali. Das ist eher ein Spaziergang als eine Wanderung und auch für Ausritte mit dem Pferd sehr beliebt. Hinter der Kirche kann man noch etwas weitergehen und zum Kasbek bzw. auf kleine Wasserfälle blicken. Ich bin so gegen 9 Uhr losgegangen und hauptsächlich im Schatten aufgestiegen.
Last but not least kann man auf der Gergeti-Seite am Fluss entlang nach Pansheti gehen, das sind etwa weitgehend ebenerdige 2,5 km. Hier gibt es einen Mineralbrunnen mit öffentlichem Schwimmbecken. Unterwegs sah Schafe, Pferde und Greifvögel.
Kasbek-Fotos
Wie man vielleicht sieht, hat dieser Berg es mir echt angetan.
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