Wandern in Montenegro

Wandern in Montenegro

Von Montenegro hörte ich 2002 zum ersten Mal, als eine Kollegin einige Zeit dort als Wahlbeobachterin verbrachte. Sie berichtete damals vom Rafting. Das interessierte mich weniger, aber ihre Bilder waren toll. Es wurde 2018 😱, bis ich schließlich mit einer Gruppe zum Wandern in Montenegro war.

Die Vorteile von Montenegro sind schnell aufgezählt: ein kompaktes Land mit Bergen (Spoiler: von meinen Mitreisenden war öfter „Sieht ja hier aus wie in den Dolomiten“ zu hören) und Meer, wenig Touristen, günstig. Nachteile: Infrastruktur naja, Verständigung mitunter schwierig, und des Essens wegen sollte man nun wirklich nicht dorthin fahren.

Podgorica

Von der montenegrinischen Hauptstadt sahen wir nur den Flughafen und ein paar Straßen auf der Durchfahrt. Marko, unser Guide, zeigte auf etwa drei Gebäude und verkündete dann, damit hätten wir auch schon alle Sehenswürdigkeiten gesehen.

Kloster Morača

Unser erstes Ziel in Montenegro war also nicht die Hauptstadt, sondern Kolašin, ein kleiner Ort in den Bergen. Unterwegs stoppten wir im Kloster Morača aus dem 13. Jahrhundert, das für seine Fresken bekannt ist. Wir alle sprachen mehrere Dankesgebete dafür, dass wir die Fahrt überlebt hatten. Der montenegrinische Fahrstil ist … waghalsig.

Kolašin

In Kolašin und Umgebung zeigte sich eines der (zumindest damals) akuten Probleme, wenn es um das Wandern in Montenegro geht: Es gab zwar Natur ohne Ende, aber kaum markierte Wege oder Kartenmaterial. Auch waren nur sehr wenige Wanderer unterwegs, insbesondere keine Einheimischen. Marko erklärte uns das so: Bis vor 20 Jahren hätten noch alle in der Landwirtschaft gearbeitet, daher bedeutet „draußen sein“ für viele schlicht „Arbeit“. Darauf hat niemand Lust. Ein krasser Gegensatz zu Slowenien, wo ein Großteil der Bevölkerung schon mit Wanderstiefeln geboren zu sein scheint.

Naja, gut für uns. Denn bei allem „hier sieht’s ja aus wie in den Dolomiten“ waren auf jeden Fall deutlich weniger Urlauber unterwegs als in den Dolomiten. Im Winter ist das wohl etwas anders, denn Kolašin ist ein wichtiger Skiort.

Vom Ort selbst haben wir nicht so viel gesehen. Allerdings erinnere ich mich begeistert an die Bäckerei, in der es Börek mit Käse für 50 Cent gab. So war das Mittagessen bei den Wanderungen gesichert.

Gut erinnere ich mich hingegen an die Unterkunft. Zunächst waren wir im Hotel Brile einquartiert. Dieses wurde geführt von der resoluten Frau Mimi, die in der Schweiz Deutsch gelernt hat und sehr gut kochte (auch wenn sie mich als Vegetarierin etwas misstrauisch beäugte). Im Nachhinein betrachtet war das die beste Unterkunft auf der Reise. Als wir vom Trekking zurückkamen, landeten wir im Four Points by Sheraton Hotel, das zwar chicer designt war, aber leider auch komplett seelenlos.

Aber wir waren ja auch zum Wandern da.

Wandern in der Mrtvica-Schlucht

Unsere erste richtige Wanderung in Montenegro ging in die Mrtvica-Schlucht. Ein altes Dorf am Ende dieser Schlucht war uns in Aussicht gestellt worden, aber im Endeffekt kamen wir gar nicht so weit, sondern drehten auf halber Strecke um. War auch ok, denn es war in dieser Schlucht ganz schön heiß.

Wunderbar klares Wasser im Fluss.
Recht bald ist man an der Danilov-Brücke aus dem 19. Jahrhundert.
Gebaut zur Erinnerung an die Mutter von Prinz Knjaz Danilo II Petrovic, heute guter Fotospot.
Anfang September standen die Zeichen auf Ernte.
Wer durch dieses „Tor“ einen Stein wirft, darf sich etwas wünschen.
Der Weg zum Dorf wurde in den Felsen geschlagen.

Bei Discover Montenegro kannst Du ein Video über die Wanderung durch die Schlucht abrufen.

Auf die Alm wandern

Am nächsten Tag wanderten wir auf eine Alm.

In dieser Gegend wuchsen wirklich sehr viele Disteln … und ein paar Enziane.
Marko klärt mal eben das mit dem Weg.
Am Biograder See.

Auf der Alm übernachteten wir auch. Die Reisebeschreibung klang, als würden wir quasi auf dem Heuboden einer alten Alm schlafen (total rustikal, aber nur wir). De facto kamen wir in einer Art Feriendorf an, wo eine Männergruppe gerade die Quads aufheulen ließ …

Das war dann ein bisschen abtörnend, auch wenn die Unterkunft in 2-Bett-Chalets wesentlich bequemer war als angenommen. Leider schüttete es die ganze Nacht wie aus Kübeln … keine besonders guten Aussichten für die Wanderung zurück nach Kolašin, die uns am nächsten Morgen bevorstand. Es werde steil und matschig, teilte Marko uns beim Frühstück fröhlich mit. Da fanden dann gleich mehrere von uns, dass das nicht sein müsse. Schnell war ein Auto organisiert, das uns zurück ins Tal brachte.

In den Komovi-Bergen wandern

Auf dem Weg zum Schotterfeld.

Fast wäre unsere letzte Wanderung in Kolašin ausgefallen. Und wie schade wäre das gewesen! Aber das Wetter sah morgens beim Frühstück gar nicht so einladend aus. Marko guckte ziemlich nervös etwa alle drei Minuten auf sein Handy, um den Wetterbericht zu prüfen, und erzählte uns aufmunternde Geschichten von Wanderern, die in den Bergen im Nebel zu Tode gekommen waren.

Schließlich gab er doch grünes Licht, wir sprangen in die Geländewagen und hoppelten los in das Abenteuer, das 45 Minuten entfernt auf uns wartete. Zwei aus der Gruppen wären fast nicht mitgekommen, weil es auf der Wanderung zunächst zwei Schotterfelder zu kreuzen galt. Damit fühlten sie sich nicht wohl. Sie sollten es doch wenigstens probieren, meinte Marko, wenn es nicht ginge, könnten sie immer noch umkehren. Na gut.

Sah dann schlimmer aus, als es war.

Am Ende der Wanderung waren wir uns einig: Die Schotterfelder, übrigens die größten des Balkans, waren das geringste Problem. Danach ging es nämlich durch einen Wald, und der war mit Steinen, Wurzeln und kaum vorhandenen Wegen deutlich schwieriger zu laufen.

Nachdem dieser überstanden war, wurde die Landschaft sehr abwechslungsreich. Marko („Ich habe den Weg von einem Jäger gelernt.“) eilte leichtfüßig voraus, wir hechelten hinterher. Aber es lohnte sich auf jeden Fall, die Ausblicke waren spektakulär, erst ganz zum Schluss fing es an zu regnen, und Albanien haben wir am Horizont auch gesehen.

Geradeaus geht’s nach Albanien.

Cetinje

Ich denke, wir wären alle noch gerne in Kolašin geblieben. Aber Marko versicherte uns, dass es weiteres Highlight auf uns warten würde. Cetinje ist die alte Königsstadt Montenegros. Sie befindet sich schon fast am Meer, nur etwa 100 km von Kolašin entfernt. Dass Montenegro ein kompaktes Land ist, hatte ich ja schon erwähnt, oder?

Wir fuhren zunächst mit dem Zug nach Podgorica – das war ein echtes Erlebnis. Alle klebten die ganze Fahrt über am Fenster, während der Zug sich in die Berge hinaufschraubte. Vielleicht waren wir auch nur froh darüber, nicht wieder unser Leben einem montenegrinischen Fahrer auszuliefern.

Blick aus dem Zug.

Übernachtung in Cetinje in so einer Art „Pension“ genannten Ferienwohnung … Weil wir so viele waren, wurden wir auf zwei verschiedene „Pensionen“ aufgeteilt. Maike, Poldi und ich wurden ausgelagert. Seltsamerweise wollte Poldi nicht das knallpinke Zimmer haben, das zur Auswahl stand.

Blick in die Hinterhöfe von Centinje.

Nachdem wir uns häuslich eingerichtet hatten, gingen wir die Stadt erkunden.

High Noon in Cetinje.
Auffallend viele Wandbilder.
Poldi checkt die Mädels ab.
Überall kleine Zeitungskioske in der Stadt.
Snackbude mit Sandwich ab 1 €.
Kulturwegweiser.

Am Nachmittag gab es noch eine Stadtführung mit Marko …

… mit Besuch des Klosters …
… und des Mausoleums von Petar Petrovic II Njegos, „dem wichtigsten Staatsmann, Philosophen und Poeten der montenegrinischen Geschichte“ (Weltweitwandern).

In Cetinje spitzte sich auch die Verpflegungssituation zu, ein echter Schock nach dem wunderbaren Essen bei Mimi. Unser Mittagslokal gab uns Fleisch, Fisch oder vegetarisch zur Auswahl. Letzteres war ein panierter Block Industriekäse mit der üblichen gebratenen Mischung aus Zwiebeln, Tomaten und Paprika. Auf Nachfrage eröffnete Marko uns, zum Abendessen gingen wir in dasselbe Restaurant und hätten dann wieder dieselbe Auswahl. Mir schwanden die Lebensgeister … den anderen offenbar auch, denn abends saßen wir zwar wieder in demselben Restaurant, durften aber à la carte wählen.

Oh, es gibt mit Champignons und Käse gefüllte Pfannkuchen! Maike und ich freuten uns auf ein leichtes Abendessen. Was wir jeweils bekamen: zwei dicke Pfannkuchen mit einer üppigen Füllung aus ca. 95 % Käse und 5 % Pilz, paniert und frittiert, darauf saure Sahne und noch mehr geriebener Käse (natürlich wieder der als „Gouda“ angebotene Industriekäse). Eigentlich, sagte Marko, würden die so in den Ofen geschoben, überbacken und dann mit noch mehr saurer Sahne und Käse serviert.

Heute nur was Leichtes zum Abendessen.

Offenbar hatte man unseretwegen darauf verzichtet. Ich habe das ja wirklich nicht oft, aber mir ging sofort der Magen zu. Die wirklich sehr freundliche Kellnerin fragte später Maike, die sich tapfer durch einen der Pfannkuchen gekämpft hatte, ob sie ihr den anderen einpacken solle. Maike wäre vor Schreck fast vom Stuhl gefallen. Der Abend lag uns noch lange im Magen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Bucht von Kotor

Das Meer rief. Am folgenden Tag wanderten wir zunächst durch den Nationalpark Lovcen …

Hier waren die Disteln blau.

… bis sich der Blick auf die Bucht von Kotor öffnete … Wow! Diese Bucht wird häufig als Fjord bezeichnet, ist aber tatsächlich eine Form der Riasküste.

Fjord oder nicht, wunderschön ist sie auf jeden Fall.

Viele Fotos später kamen wir in Kotor an, einer schon von oben sehr hübsch anmutenden Stadt …

Die Kreuzfahrtschiffe sind natürlich auch da. Kein Wunder bei der Bucht.

… und wurden zu unserer allgemeinen Enttäuschung gleich in unsere außerhalb der Stadt gelegene Unterkunft verfrachtet. Na gut, die lag auch schön, nämlich …

Morgens an der Bucht.

Von den 1300 Höhenmeter Abstieg taten mir dann so die Knie weh, dass ich auf die Wanderung am nächsten Tag (Marko: „Da drüben! 700 Meter rauf, geradeaus, 700 Meter wieder runter!“) lieber verzichtete und mit stattdessen Kotor ansah. Eine total nette, kleine Stadt, die noch dazu für ihre Katzen bekannt ist! 😻

Erinnerung an die venezianische Vergangenheit.
Die Stadt der Katzen, ob schlafend, schielend oder strahlend.

Es gibt sogar ein Katzenmuseum 😻😻😻, das sticht natürlich jede Wanderung. Diejenigen, die gewandert waren, sahen das naturgemäß anders.

Wir trafen uns wieder in Perast und bestiegen gemeinsam ein Boot zur kleinen Insel Gospa od Škrpjela.

Skadarsee

Man soll ja immer aufhören, wenn es am schönsten ist. Aber wir fuhren erst noch zum Skadarsee. An den Tag selbst habe ich wenig Erinnerungen, zum Glück habe ich damals was auf Facebook gepostet, womit ich den Ablauf rekonstruieren kann.🤭

Zunächst kurze Stadtbesichtigung in Budvar …

… gefolgt von einem Stopp mit Blick auf die Küste …

… und Mittagessen auf einem Bauernhof …

Das beste Essen und die süßeste Katze der Reise.

… am Nachmittag setzte Regen ein …

… weshalb die letzte geplante Wanderung buchstäblich ins Wasser fiel und wir stattdessen viel Zeit damit verbrachten, diese Brücke zu fotografieren …

Aber schließlich hörte es auf zu regnen, und wir hatten eine wirklich schöne Bootsfahrt auf dem See.

Und dann – unsere letzte Nacht in Montenegro! In der übelsten Unterkunft, die ich je hatte. So richtig fies. Dreckig, ungepflegt und mit dem passenden Personal. Wie schade.

Das Beste an unserer Unterkunft: der Blick auf den See.

Besonders schade war, dass es in Virpazar, dem Ort, in dem wir übernachteten, diverse nett aussehende Pensionen gab. Im Nachgang wurde mir erklärt, diese kämen nicht infrage, weil sie nicht genug Zimmer für eine größere Gruppe hätten. Hä, in Cetinje ging es doch auch, die Gruppe zu teilen??

Und so waren wir dann doch alle ganz froh, dass wir dort nur eine Nacht verbrachten – obwohl die Gegend wirklich schön war. Unsere Rückflüge gingen am frühen Nachmittag, sodass noch genug Zeit war, um Virpazar (ca. 350 Einwohner) zu erkunden.

Das pulsierende Zentrum von Virpazar.

Infos & Organisation

Ich war auf der Reise „Wilde Schönheit“ von Weltweitwandern (gebucht über Schulz Aktivreisen). Der Reiseplan wurde in den letzten Jahren offensichtlich etwas angepasst; u. a. wurde wohl die Übernachtung am Skadarsee gestrichen.

Auf eigene Faust brauchst Du entweder ein eigenes Auto oder viele Taxis. Der Fahrstil ist durchaus tollkühn – das Auswärtige Amt spricht von der „undisziplinierten Fahrweise mancher Verkehrsteilnehmender“. Zwischen Kolašin und Podgorica verkehrt ein Zug. Busse habe ich keine gesehen, aber die gibt es sicher.

Die Anreise erfolgte damals mit Air Adria über Ljubljana. Inzwischen fliegt auch beispielsweise Wizz Air von Dortmund oder Memmingen nach Podgorica. Alternativ kannst Du auch nach Dubrovnik fliegen und auf dem Landweg nach Montenegro weiterreisen.

Montenegro ist nicht in der EU, nutzt aber den Euro als Zahlungsmittel. Marko erklärte uns, man habe nach der Trennung von Serbien durchaus darüber nachgedacht, eine eigene Währung einzuführen, aber das sei zu teuer gewesen. Und früher habe man ja schon die D-Mark genutzt.

Das Essen ist herzhaft, die Portionen üppig. Große Teile der Bevölkerung sind sehr wohlgenährt. Marko erklärte uns das so, dass die Arbeit heute weniger körperlich anstrengend sei, die Ernährung aber noch immer so, als würde man 13 Stunden lang auf dem Feld schuften. Vegetarisches Essen ist möglich, aber unüblich und daher ziemlich eintönig (Zwiebeln, Tomaten, Paprika, Käse). Immerhin kostet es nicht viel, von Orten wie Kotor mal abgesehen.

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