Antike in der Westtürkei II: Ephesos

Die Ruinen von Ephesos mit der Celsus-Bibliothek.

Nach dem gelungenen Auftakt in Pergamon (Bergama) war mein zweiter Antikenstopp Ephesos. Den Namen kannte ich natürlich aus dem Religionsunterricht, aber dass das eine „richtige“ Stadt gewesen ist, war mir irgendwie nicht in den Sinn gekommen. Zudem hätte ich den Ort eher im heutigen Libanon oder Syrien vermutet. Hier sollen gleich zwei Apostel, nämlich Paulus und Johannes, unterwegs gewesen sein.

Es ist ja völlig irre, wenn man sich überlegt, welche Distanzen die Menschen damals schon überwunden haben. Führe ich heute mit dem Bus von Jerusalem nach Ephesos, wäre ich wahrscheinlich fertig mit der Welt. Die Apostel haben die Strecke wahrscheinlich hauptsächlich per Esel oder zu Fuß zurückgelegt.

In diesem Artikel geht es um meine Reiseerlebnisse. Ich habe aber auch praktische Tipps für Ephesos (Anreise, Tickets etc.) zusammengestellt, sowie entsprechende Tipps für Pergamon.

Die weltliche und religiöse Bedeutung von Ephesos

Das antike Ephesos hatte wohl mal so zwischen 200.000-250.000 Einwohner und war ein wichtiger Handelsknotenpunkt. Die Stadt verfügte über einen Hafen – als dieser versandete, schwand auch die Bedeutung der Stadt. Heute ist der nächste Hafen mehrere Kilometer entfernt: In Kuşadası legen die Kreuzfahrtschiffe an, deren Gäste die Ruinen besuchen.

Auch religiös gesehen ging in der Stadt ziemlich die Post ab. Das zeigt nicht zuletzt der riesige Artemis-Tempel, der als eines der sieben Wunder der antiken Welt galt. So ein großer Tempel ist ja immer ein Hinweis darauf, dass der Ort schon früher als heilig galt.

Es ist vielleicht nicht verwunderlich, dass sich die Apostel Johannes und Paulus Ephesos aussuchten, um das Christentum zu predigen. Und dass die Priester im Artemis-Tempel und die Goldschmiede, die offenbar davon lebten, Artemis-Medaillons anzufertigen, es nicht so lustig fanden, dass da plötzlich jemand den Glauben an nur noch einen Gott predigte. Schließlich wurde Ephesos eine der Sieben Kirchen der Offenbarung (meine dritte nach Laodikeia und Pergamon, und ich bin ja echt nicht religiös).

Angeblich soll auch die Jungfrau Maria einige Jahre in Ephesos gelebt haben und dort gestorben sein. Jedenfalls gibt es eine Kirche, das Haus der Mutter Maria, in der sie begraben sein soll. Dieser Wikipedia-Artikel scheint da anderer Meinung zu sein.

Was aber unbestritten ist: Im Jahre 431 fand in Ephesos das Konzil von Ephesos statt. Dieses bestätigte Maria als „theotokos“ („Gottesgebärende“).

Und heute sind die Ruinen von Ephesos mit wohl über zwei Millionen Besucher*innen im Jahr 2023 einer der größten Touristenmagnete des Landes. Daran hat die religiöse Geschichte keinen unerheblichen Anteil.

Selçuk

Ich kam weder zu Fuß noch mit dem Esel nach Ephesos, sondern rollte bequem mit dem Zug am Bahnhof Selçuk ein (siehe auch mein 12 von 12 – Februar 2024). Selçuk ist ein netter kleiner Ort, eine echte Wohltat nach Izmir mit seinen vier Millionen Einwohnern. Auch nach Ephesos kommen die meisten Besucher*innen per Tagestour, deshalb gibt es zwar reichlich Unterkünfte und Restaurants in der Stadt, aber es fühlt sich nicht überwältigend an. Im Februar war es auch noch sehr, sehr ruhig.

Byzantinischer Aquädukt in Selçuk.
Als erstes steht man in Selçuk vor den Resten des byzantinischen Aquädukts, die quer durch den Ort verlaufen.

Johanneskirche

Schon am Vortag war es in Izmir extrem windig gewesen, und auch hier pfiff es mir um die Ohren. Halb so wild, ich hatte ja etwa 48 Stunden Zeit und musste nicht gleich zu den Ruinen. Also ging ich zunächst zur Johanneskirche, die nur wenige Minuten von meinem Hotel entfernt lag. Hier war der Wind so stark, dass er mir fast die Eintrittskarte aus der Hand gerissen hätte.

Das heutige Eingangstor zur Kirche.
Das „Tor der Verfolgung“, durch das man heute die Anlage betritt.

Die Kirche (Details z. B. hier bei Wikipedia) soll über dem Grab des Apostels Johannes stehen. Sie war mal einer der größten Sakralbauten des Byzantinischen Reichs.

Davon ist leider nicht viel übrig geblieben.

Ruinen der Johanneskirche in Selçuk.

Über der Kirche liegt die Zitadelle.

Die Zitadelle von Selçuk.
Die Zitadelle thront über Selçuk.

Angesichts des Winds war der Besuch nicht ungefährlich, daher keine Fotos von der Umgebung. Immerhin sorgte der Wind für interessante Wolken … und Frisuren.

Das Archäologische Museum

Natürlich hat Selçuk auch ein Archäologisches Museum. Es befindet sich nur wenige Minuten von der Johanneskirche entfernt und ist tatsächlich ganz gut gemacht. Dorthin eilte ich als nächstes. Angesichts des Winds war jede Aktivität drinnen ziemlich attraktiv.

Katze im Archäologischen Museum in Selçuk.
Der Ausstellungskurator bei der Arbeit.
Eines meiner Lieblingsthemen noch aus Magisterzeiten: die Darstellung von Stieren.

Im Museum gibt es natürlich diverse Fundstücke aus den Ruinen zu sehen. Highlights sind allerdings die beiden Statue der Artemis von Ephesos. Deren Darstellung weicht von der klassischen Darstellung der Artemis/Diana ab (die kommt ja meist als Jägerin daher). Besonders auffällig sind diese, äh, Ausformungen. Hier streiten sich die Gelehrten noch, ob sie Brüste, Eier oder Stierhoden darstellen sollen. Irgendwas mit Fruchtbarkeit wird es wohl sein. Das würde auch zu einem früheren Kult von einer Muttergottheit passen. Religionen bauen ja gerne auf dem auf, was schon da ist, um dem Volk den neuen Glauben schmackhaft zu machen. (Daher würde auch die Jungfrau Maria thematisch gut in diese Reihe passen.)

Statue der Artemis von Ephesos.

Der Artemis-Tempel

Das war also mal eines der sieben Weltwunder. Der Tempel (oder besser gesagt: seine Überreste) steht am Ortsrand von Selçuk. Von Museum aus ist man zu Fuß in wenigen Minuten dort. Kostet nichts, es gibt aber auch kaum etwas zu sehen. Offenbar wurden Steine und Marmor für den Bau der Johanneskirche verwendet.

Şirince

Nachdem es in der ersten Nacht in Selçuk ziemlich stark geregnet und gewittert hatte, traute ich dem trockenen Wetter am nächsten Morgen nicht so ganz über den Weg. Umsonst gesorgt, es sollte ein schöner Tag werden, nachdem es aufgeklart hatte.

Kleine Feigen an einem Baum in Şirince.
Şirince war mal für seine Feigen bekannt.

Aber ich entschied mich erneut, nicht zu den Ruinen, sondern nach Şirince zu fahren. Dieses kleine Dorf in den Bergen liegt nur wenige Kilometer von Selçuk entfernt. Die Anfahrt ist spektakulär. Und es ist auch wirklich sehr hübsch dort. Das Dorf ist für seine griechische Architektur bekannt und steht unter Denkmalsschutz.

Blick auf Şirince.
Straßenszene in Şirince.
Blick auf Şirince.

Şirince wird ja überall als verschlafener Geheimtipp dargestellt. In Wirklichkeit ist es „Touri Central“. Mich traf fast der Schlag, als ich aus dem Minibus stieg. Überall Cafés und Souvenirshops! Wie mag es hier in der Hauptsaison aussehen? Am späten Vormittag im Februar war es zwar noch recht ruhig, aber am Nachmittag war plötzlich alles voller chinesischer Touristen. Bei denen ist der Ort wohl besonders beliebt.

Souvenirstand in Şirince.
In Şirince bleiben keine Wünsche offen, ob Wein aus Früchten …
Marmeladen in Şirince.
… Marmeladen …
Getrocknete Kräuter in Şirince.
… oder getrocknete Kräuter.
Kopfschmuck nach Art der nordamerikanischen Ureinwohner an einem Souvenirstand in Şirince.
Nicht alles ist klassisch traditionell …

Bis dahin war ich schon aus dem Zentrum in die weiter oben liegenden Gässchen gestiegen und hatte die paar Sehenswürdigkeiten abgeklappert. Darunter eine ehemalige griechische Kirche, deren wunderschöne Wandmalereien alle übertüncht worden waren und jetzt wohl wieder freigelegt werden.

Innenansicht der Kirche.
Detail einer Malerei mit zwei Vögel und Obst.
Detail der bemalten Holzempore.
Julia Pracht in der verlassenen Kirche.

Das erste Eis der Saison

Und wie kam ich dazu, ein Eis zu essen?

Natürlich gibt es in Şirince auch diverse Eisstände mit der typischen türkischen Eis-Show. Man kauft ein Eis, der Verkäufer reicht es einem, aber dann hat man plötzlich nur die Waffel in der Hand, oder er zieht es im letzten Moment weg oder drückt es einem auf die Nase und so weiter. („Turkish people hate that show“, knurrte Ali, als ich ihm von meinem Erlebnis erzählte.) Während ich auf einer Bank so herumsaß – der Minibus nach Selçuk fuhr erst in 20 Minuten – erspähte der Eismann auf der anderen Straßenseite eine chinesische Familie mit zwei kleinen Jungen. Auf sein „Ni hao!“ reagierten die Kinder natürlich sofort, die Eltern hingegen nicht. Auch nicht, als er mit „Free ice-cream!“ noch einen draufsetzte. „No money“ verstanden die Kinder total – der Große schnappte sich das Eis, der Kleine stand mit flehendem Blick daneben. Die Eltern gingen weiter. Der Eismann rückte tatsächlich noch ein zweites Eis für den Kleinen raus, beide zogen beide glücklich davon. Die Eltern waren schon um die Kurve. Der Eismann guckte finster.

Also kaufte ich ein Eis. Natürlich hat er mir den doppelten Preis berechnet, eh klar.

Julia Pracht mit Eis in Şirince.

Die Ruinen von Ephesos

An meinem zweiten und letzten Morgen in Selçuk lachte die Sonne. Wunderbare Voraussetzungen für einen entspannten Besuch der Ruinen und ein ruhiges Mittagessen, bevor um 15 Uhr mein Bus nach Antalya fuhr.

Dachte ich zumindest. Bis Cem, der Hotelbesitzer, bei der Busgesellschaft anrief und mir eröffnete, mein Bus falle heute aus. What?! Da es nur drei Verbindungen pro Tag von Selçuk nach Antalya gibt, ist das tendenziell ungünstig. Aber das sei nicht schlimm, meinte Cem, ich könne mit dem Minibus nach Aydın fahren und dort einen Bus nach Antalya nehmen, die führen auch häufiger. Dauert natürlich auch länger. Das nahm so ein bisschen die Entspannung bei mir raus.

Nach dem Frühstück packte ich also schnell meinen Rucksack und sprang in das Taxi, das Cem mir – natürlich – gerne gerufen hatte. Um kurz nach 9 Uhr kam ich am upper gate an. Hier war so wenig los, dass die Souvenirverkäufer noch gar nicht auf Kundschaft eingestellt waren. Außer mir waren auch nur zwei weitere Besucher vor Ort – natürlich Deutsche. Später sah man hauptsächlich Asiaten.

Frühmorgens im oberen Teil der Ruinen von Ephesos.
Noch nix los am Odeon.

Alleine oder mit Guide?

Guide oder kein Guide, das ist ja immer die Frage. Ich hätte eigentlich ganz gerne einen Guide gehabt, habe mich aber dagegen entschieden. Das lag hauptsächlich am Preis. Naja, angesichts meiner Transportsituation hätte ich während einer Führung auch auf heißen Kohlen gesessen. Statt dessen hatte ich mir die Ephesos-Audiotour von Rick Steves heruntergeladen. Damit bin ich, wie auch schon in Italien, ganz gut gefahren. Ich hatte auch schon öfter den Eindruck, dass diese Touren etwas solider mit Fakten untermauert sind als das, was so mancher Guide einem erzählt.

Wenn viele Gruppen unterwegs sind, kann man sich ja auch mal an den einen oder anderen Guide heranpirschen und versuchen, etwas mitzuhören. Da wird es echt problematisch, dass es wohl zunehmend türkische Guides gibt, die fließend Mandarin sprechen!!

Mit oder ohne Guide, die Ruinen sind echt beeindruckend. Das gilt umso mehr, wenn man sich vor Augen führt, dass in dieser Stadt ja mal mehr als 200.000 Menschen gelebt haben. Wie viel ist da noch nicht ausgegraben? Und wie viel in der näheren Umgebung?

Let’s go!

Genug getextet, hier sind ein paar Fotos:

Eine Darstellung der Siegesgöttin Nike.
Ziemlich schnell kommt man zu der bekannten Darstellung der Nike in der Nähe des Domitiantempels.
Dies ist ein Hinweis auf eine Apotheke.
Ein Säulenfragment.
Die öffentliche Latrine in Ephesos.
Die öffentliche Latrine ist ziemlich gut erhalten.
Der Trajansbrunnen.
In Ephesos stehen mehrere riesige Brunnenanlagen. Diese hier ist der Trajansbrunnen.

Der Hadrianstempel

Hier läuft wohl keiner einfach so vorbei. Dieser Tempel zeigt wohl den jugendlichen Lover Hadrians. Zutritt ist leider nicht möglich.

Die Frontansicht des Hadrianstempels.
Detail der Hadrianstempels.

Die Hanghäuser

Die Hanghäuser kosten extra, sind es aber wert. Hier wohnte seit dem ca. 1. oder 2. Jh. n. Chr. die Elite der Stadt. Zwar handelte es sich um Mehrparteienhäuser, diese waren aber erstens sehr großzügig und zweitens sehr reich dekoriert. Hier sind tolle Fresken und Mosaike erhalten.

In den Ruinen der Hanghäuser.
Blick auf verschiedene Mosaikböden in den Hanghäusern.
Mosaike und Fresken in den Hanghäusern.

Die Celsus-Bibliothek

Die Celsus-Bibliothek ist das wahrscheinlich bekannteste Gebäude in Ephesos. Auf jeden Fall ist es eines der am häufigsten fotografierten.

Julia Pracht vor der Celsus-Bibliothek.
Die Bibliothek ist schon aus der Oberstadt gut zu sehen.

Die Bibliothek war seinerzeit die drittgrößte der antiken Welt mit etwa 12.000 Büchern. Größer waren nur Alexandria und Pergamon. Kein Wunder, dass es bei einem so wichtigen Gebäude eine strenge Einlasskontrolle gibt … 😉

Eine Katze sitzt vor der Celsus-Bibliothek in Epehsos.
Tickets, please!
Blick auf die Fassade der Celsus-Bibliothek.
Der Eingang der Celsus-Bibliothek.
Der Eingang der Celsus-Bibliothek.
Der Eingang der Celsus-Bibliothek.

Gegenüber der Bibliothek befand sich übrigens wohl das Freudenhaus …

Theater und Hafen

Im Theater finden etwa 25.000 Menschen Platz – möglicherweise das größte Theater seiner Zeit. Oder überhaupt. Hier sind wohl auch Sting und Luciano Pavarotti aufgetreten.

Das Theater von Ephesos.
Die Straße zum Hafen von Ephesos.
Hier ging es mal zum Hafen.

Insgesamt war ich gute zwei Stunden in den Ruinen und hätte noch länger bleiben können. Gerade die Gegend zum Hafen hin konnte ich mir leider nicht näher ansehen. Aber es ging ja noch weiter nach Antalya und Termessos

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Reisen

7 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert