Die Türkei hatte ich ganz lange gar nicht auf dem Schirm. Zuviel Billig-Pauschal-Tourismus. Dabei ist das Land vollgestopft mit Geschichte und tollen Landschaften, also eigentlich genau mein Ding. Vom Essen will ich jetzt gar nicht anfangen.
Vor zugegebenermaßen ziemlich vielen Jahren las ich vom lykischen Weg. Wandern auf alten Handelspfaden mit Blick aufs Meer? Klingt super! Aber irgendwas kam immer dazwischen. Bis der Teil meines Gehirns, der für die Reisen zuständig ist, befand, es sei nun so weit. Wahrscheinlich half es, dass ich einige Zeit zuvor in Istanbul gewesen und immer noch total hin und weg war.
Dummerweise hatte ich in der Zwischenzeit ein bisschen mehr über das Land gelesen und noch diverse andere mögliche Ziele entdeckt … Und dann verschoben sich Termine in der Arbeit, so dass für eine etwa dreiwöchige Reise Zeit war.
Zunächst erkundete ich Lykien, dann fuhr ich nach Pamukkale und Laodikeia und schließlich weiter nach Kappadokien (zum Wandern um Göreme, zur Green Tour und zum Ballonflug), bevor ich wieder in Antalya einlief.
Ganz in der Nähe von Antalya befindet sich die antike Stadt Termessos.
Der lykische Weg – von Fethiye nach Kaş
Lykien liegt westlich von Antalya. Vom dortigen Flughafen musste ich nach Fethiye gelangen, dem Ausgangspunkt der Wanderung. Die Fahrt ist, wenn man sich dann erstmal durch Antalya gequält und insbesondere, wenn man die Hauptstraße verlassen hat, spektakulär. Ich war also schon ziemlich geflasht, als ich in Fethiye ankam.
Das Hotel lag mitten im autofreien Basar. Das war zwar charmant, aber natürlich auch tendenziell laut. Der Basar selber war, um, touristisch, wie mir schien. Von Fethiye selber habe ich leider nicht viel gesehen, aber für einen kurzen Spaziergang vor dem Frühstück hat es noch gereicht.
Der lykische Weg, der von Fethiye bis nach Antalya verläuft, ist insgesamt über 500 km lang. Man kann komplett auf eigene Faust gehen und sein gesamtes Gepäck tragen, ggf. inklusive Zelt, oder einen Gepäcktransport von Unterkunft zu Unterkunft arrangieren. Ich hatte mich für die komfortablere Variante entschieden: Gruppe mit Guide. Und Gepäcktransport.
Gleich vorweg: Das war nicht die schlechteste Entscheidung. Auf der Strecke war eher wenig los, der Weg ist nicht immer gut markiert und manche Abschnitte sind nicht ganz ungefährlich. Ich habe mich in der Gruppe sicherer gefühlt. Wobei uns nichts passiert ist, nur der Guide hatte enorme Blasen an den Füßen.
Unsere Gruppe umfasste 12 Personen plus Cenk, unseren Guide. Eigentlich waren wir zwei Gruppen, denn sechs der Teilnehmerinnen reisten gemeinsam und interagierten nur gelegentlich mit der outgroup. Kein Problem, wir anderen verstanden uns hervorragend. Allerdings zeigte sich eine Problematik der Herdendynamik glasklar: Manche Leute schalten einfach das Hirn nicht ein. Eine der Teilnehmerinnen, die mit ihren Freundinnen gemeinsam diese Reise mit dem Namen „Hiking the Lycian Way“ gebucht und viele Fotos unter dem Schild „Official Start of the Lycian Way“ gemacht hatte, fragte Cenk tatsächlich, was denn eigentlich dieser „Lycian Way“ sei.
Motiviert stürzten wir am ersten Tag los. Der Tagesablauf auf dem lykischen Weg ist schnell erklärt: Frühstück, wandern, Mittagessen, wandern, ggf. baden, Abendessen, schlafen. Rechter Hand meistens das Meer, unterwegs immer wieder Gräber. Diese sind zum Teil in den Fels geschlagen, zum Teil stehen große Steinsarkophage in der Landschaft und auch in den Orten und Städten. Entsprechend groß war die Aufregung auch, als wir schon nach kurzer Wanderung am Wegesrand auf solche Sarkophage stießen.
Später besuchten wir den verlassenen Ort Kayaköy. Die Strecke zwischen Fethiye und Kayaköy hat einen unrühmlichen Auftritt in Louis de Bernières Roman Traum aus Stein und Federn (im englischen Original Birds Without Wings), in dem es um das Ende des Ottomanischen Reiches, die darauf folgenden politischen Verwerfungen und deren Auswirkungen auf die griechischen und türkischen Bewohner eines kleinen Ortes in Lykien geht. Die Geschichte ist nicht sonderlich erbaulich. Ich vermute, dass Kayaköy Vorbild für das Dorf im Buch war.
Paragliding
Ölüdeniz, unser erstes Tagesziel, hat nicht nur eine traumhafte Bucht. Es ist auch das türkische Zentrum für Paragliding. Die Winde sind vorteilhaft, die Blicke aus der Luft einfach nur toll. Ich erschreckte Cenk mit der Frage, ob er mir helfen könne, einen Flug zu buchen. Das stand ja schon lange auf meiner Bucketlist. 2017 hätte es schon mal eine Gelegenheit gegeben – da war ich auf einem Yoga-Retreat in Slowenien in der Nähe von Tolmin. Leider hatten wir eine extremst nervige Person dabei, die fliegen wollte und die ich schon vor Abflug gemeuchelt hätte. Also ließ ich die Chance verstreichen.
In der Türkei wähnte ich mich alleine mit meinem Vorhaben. Doch dann schlossen sich zu meinem Erstaunen mehrere andere Teilnehmerinnen an. Vorteil: Wir bekamen einen kleinen Rabatt als „Gruppenbuchung“ und konnten einander gegenseitig Mut zusprechen. Leider zogen im Laufe des Tages ziemlich dichte Wolken auf, so dass es kurz danach aussah, als müssten die Flüge abgesagt werden. Der Wind drehte mehrfach, sodass der Abflugsort geändert werden musste … aber dann waren wir doch plötzlich in der Luft! Ein super tolles Erlebnis, das ich jederzeit wiederholen würde. Höhenangst sollte man vielleicht nicht haben. 😉
Ohne zu fliegen hat man den besten Blick auf Ölüdeniz übrigens, wenn man in südlicher Richtung auf dem lykischen Weg weiterwandert.
„Noch 20 Minuten!“
Wenn wir Cenk fragten, wann wir unser Ziel erreichen würden, sagte er unweigerlich: „20 minutes!“ Noch 20 Minuten. Stimmte nie. Am meisten hat sich darüber Aziz aufgeregt, der aus der Türkei stammt, aber über seit 25 Jahren in den Niederlanden lebt.
Immerhin sahen wir während dieser vielen, langen 20 Minuten allerhand, beispielsweise …
Römische Spuren in Lykien
Natürlich waren auch die Römer in Anatolien unterwegs und haben dort reichlich Spuren hinterlassen. Beispielsweise in Sidyma, wo uns römische Ruinen, Hausgräber und Sarkophage erwarteten.
Einige Kilometer weiter südlich befindet sich eines der Highlights in Lykien, die antike Stadt Patara. Patara war mal ein bedeutender Hafen und liegt praktischerweise ganz in der Nähe eines schönes Strands. Am Strand war wesentlich mehr los als in den Ruinen.
Und dann gibt es noch einen römischen Aquädukt. Auf dem kann man wandern.
Kaş
In Kaş endete die Wanderreise. Ein paar von uns hatten ohnehin schon genug vom Laufen. Wir schwänzten die letzte Etappe und schmissen lieber Geld für ein Taxi zusammen, um den Tag etwas entspannter anzugehen. Einerseits schade, denn die Wanderung war toll (wurde uns glaubhaft versichert). Andererseits hatte ich echt keinen Nerv auf nochmal 10-17 km Strecke. Statt dessen waren wir schnell in Kaş und hielten unterwegs noch kurz am Strand von Kaputaş.
Wobei, „kurz“ ist dann auch wieder relativ. Der Taxifahrer hatte uns gebeten, es bei einem kurzen Stopp zu belassen. Aber natürlich gab es eine Person, die dann doch noch „ganz schnell“ runter zum Strand gehen musste. Dort fand sie offenbar die Treppe zurück nicht mehr. Jedenfalls musste der Fahrer irgendwann hinter ihr hergehen, um sie zu bitten, dass wir doch nun weiterfahren möchten. Seufz. Ist schon in Ordnung, dass manche Reisen schon nach einigen Tagen zu Ende gehen und man die Mitreisenden dann nie wiedersieht.
Kaş ist ein nettes, wenn auch sehr touristisches Städtchen. In der sehr hübschen Altstadt wird es abends sehr laut und voll. Ich kann trotzdem verstehen, warum meine Gastgeber im KUYTU Terrace B&B (eine schnuckelige kleine Pension mit tollem Frühstück auf der Dachterrasse und Blick aufs Meer) sich dort niedergelassen haben. Es gibt auch eine Menge coole Katzen. Die türkischen Miezen sind ja ohnehin besonders entspannt. Und auch in Kaş stehen die lykischen Sarkophage herum, direkt am Wasser und mitten in der Stadt.
Kekova Boat Tour
Die örtlichen Sehenswürdigkeiten sind schnell erledigt. Auf weitere Wanderungen („Hike Lycian Way!“) hatte ich nun wirklich keine Lust, also buchte ich eine Bootstour entlang der Küste. Die Kekova Boat Tour gibt es in ähnlicher Form von mehreren Anbietern, die Unterkunft hilft gerne bei der Buchung. Das Boot war groß, dem entsprechend war die Tour ziemlich touristisch, aber trotzdem sehr entspannend. Neben mehreren Badestopps in türkisgrünen Buchten fährt man auch an der versunkenen Stadt Kekova vorbei und darf in Kaleköy/Sinema das Boot verlassen und die alte Kreuzfahrerburg erkunden. Alles sehr komfortabel, und sogar das Essen schmeckt gut.
Wenn man in einer kleineren Gruppe unterwegs ist, kann man sich natürlich auch ein eigenes Boot mieten.
Çıralı
Von Kaş aus fuhr ich mit dem dolmuş (Minibus) nach Çıralı, das etwa auf halbem Weg nach Antalya liegt. Man wird am Highway rausgelassen und wartet dann auf ein weiteres dolmuş, das einen in den Ort fährt. Beim Blick auf die Karte hatte ich kurz überlegt, ob ich den Weg nicht einfach zu Fuß gehen könnte, aber: nein. Echt nicht.
Bewegung bekam ich dann eh genug, denn der Busfahrer ließ mich am einen Ende des Ortes raus, meine Unterkunft war aber am anderen Ende. Meine Vermieterin wurde fuchsteufelswild, als sie das erfuhr („You walked??“), und rief sofort den Fahrer an. Dieser schob alles auf die hohen Benzinpreise, es würde sich nicht lohnen, eine einzelne Person quer durch den Ort zu fahren … Gott sei Dank hielten die Benzinpreise ihn aber nicht davon ab, den Motor laufen zu lassen, während er eine halbe Stunde lang an der Hauptstraße stand und auf weitere Kundschaft wartete …
Was in Çıralı sofort auffällt: Obwohl der Ort nur etwa 130 km von Kaş entfernt ist, sieht es hier völlig anders aus. Rauer.
Die touristischen Highlights in und um Çıralı sind zum einen die antike Stadt Olympos, zum anderen Chimaera. Baden kann man auch, aber am Kieselstrand. Nachts wird er wegen der Schildkröten gesperrt, die hier ihre Eier ablegen.
Olympos
Nach Olympos, das noch aus vorchristlicher Zeit stammt, kommt man von Çıralı aus zu Fuß über den Strand. Man sollte hier kein überwältigendes Museumserlebnis erwarten, die Ruinen sind nicht besonders gut erhalten, vieles ist überwachsen, Beschilderung ist auch nicht üppig. Aber es ist sehr entspannt und nicht besonders voll, man kann sich in Ruhe umsehen und alles im eigenen Tempo erkunden. Zusätzliches Abenteuer bietet der kleine Fluss, den man ohne Brücke überquert. Das war kein reißender Strom (ist bei Regen wahrscheinlich was anderes), so dass die größte Gefahr nasse Füße waren.
Chimaera
Direkt hinter Çıralı erhebt sich ein Berg, aus dem an manchen Stellen Gas austritt. Dieses entzündet sich bei Kontakt mit der Luft, sodass hier immer kleine Flammen züngeln. Grillen strengstens verboten, wurde in mehreren Sprachen gewarnt. Störte natürlich niemanden.
Am besten sieht man die Flammen natürlich in der Dunkelheit. Gleichzeitig ist es nicht so lustig, in der Dunkelheit den Berg rauf- und wieder herunterzulaufen. Gemeinsam mit Yelena und ihrer Mutter, die ich in meiner Unterkunft kennengelernt hatte, zog ich los, die Taschenlampe im Gepäck. Wir hatten den Zeitpunkt ganz gut abgepasst: Im Hellen hin, zum Sonnenuntergang angekommen, im Dunkeln bei strahlendem Vollmond zurück.
Antalya
In Antalya endete meine Reise – die Flugverbindungen nach Deutschland sind einfach viel besser und günstiger als aus Kappadokien. Die Busfahrt von Göreme aus durchs Gebirge und an der Küste entlang ist übrigens ein echtes Highlight.
Ich hatte mich per Airbnb für ein paar Nächte bei einem sehr netten jungen Paar einquartiert. Kaum angekommen, wurde ich schon mit Essen versorgt: „Faruks Mutter war zu Besuch und hat gekocht!“ Ich wollte Faruks Mutter gleich auch zu mir einladen, es schmeckte nämlich herrlich.
Der Aufenthalt wurde dann direkt aufregend, als die beiden noch am ersten Abend spontan beschlossen, einen streunenden Hund zu adoptieren. Dieser schien zwar sehr dankbar zu sein über seine neue Bleibe, jaulte aber nachts dermaßen, dass seine neuen Besitzer die nächsten Nächte im Wohnzimmer verbringen mussten.
Mit Antalya hatte ich ja immer nur Pauschaltourismus in Verbindung gebracht. Die Stadt selber ist allerdings echt ganz nett, gerade die Altstadt.
Zunächst marschierte ich (natürlich) ins Archäologische Museum. Dort fand ich mich quasi alleine, aber umzingelt von Grundschülern … Die schienen sich allerdings noch nicht so recht für die Schätze ihres Landes begeistern zu können und jagten lieber im Garten die Pfauen. Ich fand das Museum total interessant.
Am Nachmittag nahm ich an einem geführten Rundgang durch die Altstadt (Kaleiçi) mit Önder teil (Instagram @onder_uguz). Vom Uhrturm aus erkundeten wir unter anderem das Ethnographische Museum, den Hidirlik Turm, das Hadrianstor und die Reste der antiken Stadtmauer. Sehr spannende drei Stunden! Allerdings war es brüllend heiß (die Luftfeuchtigkeit in Antalya ist ganz schön hoch), so dass wir uns auch über eine Pause mit Saft und zum Schluss den Stopp mit Dessert sehr freuten.
Leider ging es mir zu diesem Zeitpunkt nicht so gut, so dass ich mich an viele Details nicht mehr erinnere. Ich dachte, ich hätte nur mit der Hitze zu kämpfen, statt dessen brütete ich eine Covid-Erkrankung aus … Für die nächste Reise nach Antalya stehen auf jeden Fall die antiken Städte Perge und Termessos auf dem Programm!
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