Polen I: Kurztrip nach Breslau (Wrocław)

Am Großen Ring von Breslau

Breslau im Westen Polens, das heute Wrocław heißt, eignet sich hervorragend für einen Kurztrip oder als Ausgangspunkt für weitere Erkundungen der Gegend oder des Landes. Die Stadt ist von Deutschland aus schnell erreicht und kompakt genug, um alle wichtigen Sehenswürdigkeiten zu Fuß zu erreichen.

Wrocław wird übrigens in etwa „Wrotz-waff“ ausgesprochen. Das durchgestrichene l klingt wie ein „w“.

Die Innenstadt von Breslau

Die Innenstadt von Breslau ist kompakt und schnell zu Fuß ergründet. Ich bin ja inzwischen in einem Alter, in dem ich gelegentlich ganz gerne einen Guide habe, der mir Dinge erzählt. Daher hatte ich auch gleich drei Stadtführungen über Walkative gebucht: Breslauer Altstadt, Zweiter Weltkrieg & Judentum sowie den Abendspaziergang. Alle sehr interessant.

Rynek

Das Herzstück von Breslau ist natürlich der zentrale Platz Rynek. Hier stehen die ganzen schönen, alten Häuser, die man von den Bildern der Tourismuswerbung kennt, und auch ein paar nicht ganz so schöne moderne.

Das Rathaus von Breslau mit Pranger.
Vor dem Rathaus steht noch immer der Pranger.

Welch Schock, als Guide Lukasz uns erzählte, dass diese modernen Gebäude tatsächlich die ältesten sind! Denn die „Festung Breslau“, in der es bis zum letzten Mann zu kämpfen galt, wurde in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs fast komplett zerstört. Die ganzen „alten“ Häuser sind in Wirklichkeit erst einige Jahrzehnte alt. Gelegentlich wurden wohl Fundstücke aus den Häusern, die ursprünglich hier standen, verbaut, aber ohne Rücksicht auf Verluste. Ob die Optik der Fassaden halbwegs authentisch sind, ist wohl auch nicht klar.

Naja, wir wollen mal darüber hinwegsehen. Denn hübsch anzusehen sind die Fassaden auf jeden Fall trotzdem.

Beleuchtete nächtliche Häuserfassaden am Rynek.
Nachts am Rynek.

Wenn man dann allerdings nur ein paar Minuten vom Rynek entfernt durch die Straßen läuft, präsentiert sich ein komplett anderes Bild. Weniger schmuck, dafür mehr funktional. An der Universität wird es dann wieder sehr schön.

Die Inseln und der Dom

Breslau liegt an der Oder. Es gibt hier 21 Inseln, über 100 Brücken und viele Geschichten vom großen Hochwasser.

Das Nepomuk-Denkmal auf der Dominsel, im Hintergrund die Kreuzkirche.
Vor der Kreuzkirche erwartet das Denkmal des heiligen Johannes Nepomuk.
Spiegelung der Kreuzkirche und des Nepomuk-Denkmals in einer Pfütze.
Und nochmal gespiegelt in der Pfütze.

Der Breslauer Dom liegt ebenfalls auf einer der Inseln. Direkt dahinter findet sich ein sehr großer, alter Baum, der von den Breslauern schon quasi verehrt wird, sowie eine Christus-Statue. Im Dom steht die größte Orgel Polens und ein Altar aus dem Jahr 1522. Der Kirchturm hat eine Aussichtsplattform.

Der Breslauer Dom bei Sonnenuntergang.
Abends am Breslauer Dom.
Säulendetails am Eingang zum Dom.
Säulen am Domeingang.
Vogelskulpturen an der Oder-Promenade, im Hintergrund der Dom von Breslau.
Der Dom dominiert die „Skyline“ der Insel.

Und es gibt einen Lampenwärter, der jeden Abend auf der Insel die Gaslampen von Hand entzündet. Der kümmert sich natürlich nicht um die Touristen, daher war es Glück, ihn zu „erwischen“.

Der Lampenwärter entzündet auf der Dominsel in Breslau eine Gaslampe.
Zeit, nach Hause zu gehen.

Kunst in der Stadt

Neben Kirchen und „alten“ Gebäuden gibt es in Breslau auch jede Menge Kunst im öffentlichen Raum.

Ein klarer Favorit ist Nawa, eine Installation auf einer kleinen Insel in der Nähe des Doms. Sieht so interessant aus, dass man quasi hingehen muss, und schreit förmlich nach einem Selfie.

Die Installation Nawa in Breslau.
Selfie von Julia Pracht in der Installation Nawa.
Guilty as charged.

Das Denkmal der anonymen Passanten von Jerzy Kalina steht außerhalb der Altstadt an der Kreuzung Swidnicka und Marszalka Józefa Pilsudskiego. Auf der einen Straßenseite verschwinden Personen im Untergrund, auf der anderen tauchen sie wieder auf. Das Denkmal erinnert wohl an die Menschen, die während des Kriegsrechts in den 1980er Jahren getötet wurden, verschwanden oder in den Untergrund gingen. Wobei ich gelesen habe, dass es schon aus den späten 1970ern sei, wenngleich es erst später aufgestellt wurde.

Eine Gruppe von sieben Skulpturen versinkt langsam im Bürgersteig.
Hier verschwinden die Menschen im Untergrund …
Auf der anderen Straßenseite steigen weitere sieben Skulpturen aus dem Boden heraus.
… hier kommen sie wieder zum Vorschein.

In einer kleinen Gasse Jatki in der Altstadt findet sich das Denkmal Zu Ehren der Schlachttiere. Wenn ich mich jetzt nicht total irre, war das mal die Metzgergasse. Und wenn man eines der Tiere an einer bestimmten Stelle streichelt, soll das Geld bringen, an einer anderen Sex. Man muss sich aber entscheiden. 😉 Heute finden sich hier kleine Läden mit Kunsthandwerk.

Ziege, Schweinen, Huhn und Hase wurde posthum ein Denkmal gesetzt.

Auch sind in der ganzen Stadt kleine Zwergstatuen verteilt, die dazu animieren, die Stadt mit offenen Augen zu betrachten. Mir persönlich haben die Statuen in Budapest besser gefallen, die sind einfach abwechslungsreicher …

Ein vollgefressener Bronzezwerg mit Kugelbauch streckt in Breslau alle Viere von sich.
So habe ich mich in Polen angesichts des leckeren Essens auch öfter gefühlt …

Sonstige Sehenswürdigkeiten in Breslau

Ich hatte leider nur so mittelmäßig Glück mit dem Wetter – von strahlendem Sonnenschein bis Zähneklappern bei strömendem Regen war alles dabei – und habe daher einige Sehenswürdigkeiten ausgelassen.

Die Markthalle (Hala Targowa) war nett anzusehen, insgesamt aber nicht überwältigend. Vielleicht lag es auch nur daran, dass sehr wenig los war.

Es gibt in der Altstadt mehrere Türme, die man besteigen kann. Besonders bekannt ist die Bußbrücke. Habe ich wegen des Wetters ausgelassen.

Selbst im Nationalmuseum, das sehr interessant sein soll, war ich nicht! Ich! Ich habe mich tatsächlich dagegen entschieden, weil ich zeitlich knapp war und nicht durch die Räume hetzen wollte.

Ausflug nach Schweidnitz (Świdnica)

Das war eine Empfehlung von Guide Lukasz. Mit dem topmodernen Regionalzug kommt man schnell zum Bahnhof Świdnica Miasto, der einen kurzen Spaziergang vom Zentrum entfernt ist.

Die Hauptattraktion in Schweidnitz ist die evangelische Friedenskirche. Sie gehört seit 2001 zum Weltkulturerbe und gilt als größte Fachwerkkirche in Europa. Im Rahmen des Westfälischen Friedens nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde in Schweidnitz, Glogau und Jauer je eine evangelische Friedenskirche errichtet – in einer ansonsten stockkatholischen Gegend. Aber ganz so leicht wollte man es den Protestanten natürlich nicht machen. Deshalb gab es strenge Auflagen. Es durften nur bestimmte Baumaterialien verwendet werden, Türme waren verboten, und die Kirche hatte außerhalb der Stadtmauern und innerhalb eines Jahres erbaut zu werden. Die Kirche wurde ab 1656 errichtet, 1707 gab es doch noch die Erlaubnis, einen Kirchturm zu bauen. Dieser steht separat von der Kirche auf dem Gelände.

Außenansicht der Friedenskirche in Schweidnitz.

Nun ist die Kirche ja schon von außen ein echter Hingucker. Eine Innenbesichtigung lohnt sich ebenfalls, auch wenn Du (so wie ich) kein übermäßiges Interesse an Kirchen hast. Die Ausstattung und Atmosphäre sind ganz speziell. Am Eingang gibt es auch ein laminiertes Blatt mit Erklärungen in verschiedenen Sprachen.

Innenansicht der Friedenskirche in Schweidnitz.
Innenansicht der Friedenskirche in Schweidnitz.
Innenansicht der Friedenskirche in Schweidnitz.

Ansonsten hat Schweidnitz viele Kirchen und ein sehr kompaktes, hübsches Zentrum mit schönen Häusern um den Rynek herum. Ich war an Ostern da, und es war wirklich nichts los. Wenigstens GAŁKA gelato & caffe hatte geöffnet, dort gibt es sehr gutes Eis.

Die Dreifaltigkeitssäule in Schweidnitz.
Prominent am Rynek: die Dreifaltigkeitssäule.

Shopping: Bunzlauer Keramik

Bunzlauer Keramik wird in Bunzlau (dem heutigen Bolesławiec) und Umgebung schon seit dem 16. Jahrhundert produziert.

Ich komme aus einer keramikaffinen Familie. Natürlich kaufte meine Mutter auch Bunzlauer Keramik. Ich fand sie immer ein bisschen langweilig. Farben und Muster schienen immer gleich zu sein: blauer Grund, weiße Tupfen oder Pfauenaugen.

Daher staunte ich nicht schlecht, als ich mich in einem der zahlreichen Keramikläden in Breslau umschaute: Das waren ja plötzlich ganz andere Farben und Muster? Zum Teil richtig schöne? So kam dann doch ein kleines Schüsselchen in meinen Besitz …

Wenn Du ein Auto hast, kannst Du auch direkt in Bolesławiec bei den Manufakturen einkaufen.

Wie viel Zeit für Breslau?

Die Innenstadt von Breslau ist wirklich kompakt. Je nachdem, wie viel Programm Du Dir pro Tag vornehmen möchtest, reichen ein bis zwei Tage, um die zentralen Sehenswürdigkeiten zu besichtigen.

Der Ausflug nach Schweidnitz ist auch recht schnell erledigt. Hier bist Du mit einem halben bis ganzen Tag gut dabei. Die Friedenskirche ist vom Bahnhof aus gut zu Fuß erreichbar. Als ich dort war, war sie aufgrund einer Hochzeit zunächst nicht zugänglich … das Brautpaar staunte nicht schlecht über die vielen Menschen, die sie erwarteten, als sie aus der Kirche kamen. 🙂

Organisatorisches & Tipps

Anreise

Von München aus bin ich mit Lufthansa nach Wrocław geflogen. Ich wollte eigentlich mit dem Zug fahren (ICE Sprinter nach Berlin, von dort aus weiter mit dem Eurocity), aber auf der Strecke wurde offenbar gebaut. Jedenfalls hat mir der DB Navigator nur Verbindungen mit mehrfachem Umstieg angezeigt. Ich bin ja abenteuerlustig, aber nicht lebensmüde – und sechs Minuten Umstiegszeit, um am Berliner Hauptbahnhof vom ICE-Gleis zum Busbahnhof zu gelangen, waren mit nun wirklich zu wenig.

Da ich mein Hotel über booking.com gebucht hatte und bestimmte Kriterien erfüllte, bekam ich einen kostenlosen Hoteltransfer. Im Porsche. Kein Witz.

Der Hauptbahnhof von Breslau ist ein Stück von der Innenstadt entfernt. Hier empfiehlt es sich, mit Bus oder Tram zu fahren. Von Breslau aus kannst Du per Zug ziemlich günstig den Rest Polens besuchen. Nach Krakau kommst Du beispielsweise innerhalb von 3-3,5 Stunden. In der 1. Klasse habe ich für die einfache Fahrt etwa 20 € bezahlt.

Der Hauptbahnhof von Breslau im Nebel.
Auf dem Weg zum Bahnhof.

Transport in Breslau

In der Innenstadt kann man alles leicht zu Fuß erreichen, ebenso auf den kleinen Inseln in der Oder. Ansonsten gibt es zahlreiche Busse und Straßenbahnen. Die Fahrt kann man bequem im Fahrzeug mit einer kontaktlosen Debit- oder Kreditkarte bezahlen. Detaillierte Infos bei WroclawGuide. In meinem Fall war die Verbindungsanzeige über Google Maps akkurat.

Zug nach Schweidnitz

Fahrkarten gibt es in Breslau am Automaten oder am Schalter; in Świdnica nur am Automaten. Ich glaube, die einfache Fahrt hat so 20 Zloty gekostet. Am Schalter kommt man mit „Schweidnitz“ natürlich nicht weit.

Unterkunft

Ich war im Hotel Jazz am Rande der Altstadt. Der Name kommt daher, dass in dem Gebäude früher mal ein bekannter Jazzclub untergebracht war. Das Personal an der Rezeption war ein bisschen mucksig. Mein Zimmer war unter dem Dach und echt groß.

Ich fand die Lage des Hotels sehr gut: Man ist sowohl in wenigen Minuten zu Fuß mitten in der Altstadt als auch am Rynek, einem wichtigen Knotenpunkt für Busse und Straßenbahnen, von dem aus man z. B. den Bahnhof schnell erreicht.

Frühstück konnte für kleines Geld dazu gebucht werden. Man bezahlt an der Rezeption und bekommt einen Coupon, den man drei Schritte weiter im Restaurant wieder abgibt. Die Auswahl für Vegetarier war in Ordnung. Wenn man Fisch und Fleisch ist, bleibt kaum ein Wunsch offen. Ich war immer früh beim Frühstück und hatte das Büfett im Wesentlichen für mich alleine.

Essen

Verhungern muss man in Breslau nun weiß Gott nicht. Es gibt alles in allen Preisklassen: von internationalem Fast Food über Pierogi und Milchbars bis hin zur Spitzenküche. Die Restaurants sind übrigens auch fast immer voll. Wenn Du nicht reservierst, lohnt es sich, frühzeitig hinzugehen. Oder Du wartest, bis ein Tisch frei wird.

Mittags und abends wird der Frühstücksraum des Hotels Jazz vom Restaurant IDA bewirtet. Suuuuper Essen! Nicht ganz günstig für polnische Verhältnisse, aber es lohnt sich definitiv. Ich fand das Preis-Leistungs-Verhältnis beim Essen in Polen sowieso exzellent, auch in besseren Restaurants. An meinem letzten Abend in Krakau habe ich es mal so richtig krachen lassen und hatte etwa 30 € auf der Rechnung.

Der Gruß aus der Küche im Restaurant IDA in Breslau: viel Rote Bete und Dill.
Mittagessen im IDA. Ich hasse Rote Bete und Dill, aber es war köstlich.

Was man in München nur selten sieht, in Breslau aber umso mehr: georgische Restaurants. Ich war im Chinkalnia am Rathausplatz. Der Kellner war extrem freundlich und hilfsbereit, das Essen sehr schmackhaft, und die Reste wurden mir auch eingepackt. Danach war mir klar: Ich muss dringend mal nach Georgien! 😉

Khachapuri und gefüllte Auberginenröllchen in Breslau.
Mein erstes georgisches Essen!

Pierogi, also gefüllte Teigtaschen, gibt es fast überall. Sehr lecker und günstig in Imbissatmosphäre bei Pierogarnia Ze Smakiem, Święta Mikołaja 32/33, einige Gehminuten außerhalb der Altstadt.

Sehr gute heiße Schokolade zum Mitnehmen sowie tolle Pralinen gibt es bei Vroclinki, Odrzańska 13.

Als Alternative zum Hotelfrühstück gibt es tolle Backwaren und Sandwiches bei Chleboteka, Ruska 64/65.

Im Restauracja Lepione, Kuźnicza 42, war ich selbst nicht. Der Guide hat aber erzählt, dass hier schon Steven Spielberg am Büfett gestanden habe, als er die Stadt mit einem aus Breslau stammenden Mitarbeiter besucht hat. Er ist wohl völlig unbehelligt in der Stadt herumgelaufen, weil sich die Bewohner dachten, das könne ja nicht Steven Spielberg sein, denn warum sollte der Breslau besuchen …

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