Anerkennen, was ist: Familienaufstellungen

Familienaufstellungen

Dieser Artikel ist eine Ergänzung zu Achtung, Esoterik! Zu Gefährlicher Glaube, in dem ich mich mit dem gleichnamigen Buch (2024) von Pia Lamberty und Katharina Nocun beschäftige.

Ich muss zugeben, ich bin enttäuscht, dass es in dem Buch kein eigenes Kapitel zum Thema Familienaufstellungen gibt. Denn eigentlich schreit die Methode ja geradezu danach. Stattdessen wird sie nur mehrfach gestreift. Natürlich kommt sie nicht gut weg oder wird gar gutgeheißen. Im Gegenteil – damit die geneigte Leserschaft gleich weiß, woran sie ist, wird immer von „esoterischen Familienaufstellungen“ gesprochen.

Das Buch behandelt von Horoskopen in Zeitschriften bis zu Gehirnwäsche in Sekten alles, was unter den Oberbegriff „Esoterik“ gepackt werden könnte. Gottlob war ich noch nie in einer Sekte und hatte auch noch keinen Anlass, mich nach einem Wunderheiler umzusehen. Grundsätzlich würde ich mich nicht als besonders esoterisch bezeichnen, aber mit Familienaufstellungen habe ich langjährige positive Erfahrung. Grund genug für diesen Artikel.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich halte Familienaufstellungen für eine sehr wirkungsvolle Methode. Sie brauchen aber eine Aufstellungsleitung, die weiß, was sie tut.

Ich selbst habe keinerlei relevante Ausbildung absolviert und schreibe diesen Artikel rein aus „Nutzerinnen“-Perspektive.

Was sind Familienaufstellungen?

Familienaufstellungen sind eine Möglichkeit, Themen oder Fragestellungen aus dem Unbewussten ins Bewusstsein zu bringen. Das können ganz unterschiedliche Themengebiete sein: Dinge, die die Herkunfts- oder aktuelle Familie betreffen; Partnerschaftsthematiken; psychische und physische Gesundheitsfragen; aber auch berufliche Fragen. Entscheidungen kann man ebenfalls aufstellen.

Die Aufstellungsarbeit basiert auf der Annahme, dass wir alle in Systemen oder Netzwerken leben, wo vieles einander bedingt und wo wir unbewusst energetisch mit einer Person aus unserer Ahnenreihe verbunden sein können. Diese Verbindung kann dazu führen, dass wir eine Thematik wiederholen, die eigentlich zu dieser anderen Person gehört. Auf diese Art und Weise machen wir diese Thematik, die vielleicht lange unterdrückt wurde, sichtbar – auch wenn das für uns mit großem Schmerz verbunden ist.

Ziel der Familienaufstellung ist es, diese Verstrickung sichtbar zu machen und dann aufzulösen.

Es gibt Familien- und systemische Aufstellungen. Letztere beziehen sich auf Systeme außerhalb der Familie, also beispielsweise den Arbeitsplatz. Aus Gründen der Lesbarkeit verwende ich hier nur den Begriff „Familienaufstellungen“ oder einfach „Aufstellungen“, ohne systemische Aufstellungen ausschließen zu wollen.

Wie funktionieren Familienaufstellungen?

Da die Quelle der Problematik schon viele Generationen zurückliegen kann und die meisten von uns nicht mehr die Urgroßeltern befragen können (viele kennen ja nicht mal den Namen der eigenen Großeltern), arbeiten die Familienaufstellungen mit Stellvertretenden.

Das heißt, es kommt eine Gruppe von Fremden zusammen, die sich bereiterklären, eine Rolle in der Aufstellung zu übernehmen. Der Begriff „Rolle“ ist hierbei etwas irreführend. Denn es gibt keine Regieanweisungen im Sinne von „Du bist jetzt Opa Karl, der war ein jähzorniger Trinker“, und dann wütet der Stellvertreter lallend auf der „Bühne“.

Vielmehr werden die Personen in der Mitte des Raums zueinander in Beziehung gestellt, und dann schaut man, was passiert. Es entsteht etwas, was man als „morphogenetisches Feld“ bezeichnet. Dieses Feld führt dazu, dass man die Gefühle wahrnehmen kann, die zu der dargestellten Person gehören.

An dieser Stelle war es bei mir anfangs vorbei. Etwas Durchgeknallteres hatte ich selten gehört. Und natürlich ist dieses morphogenetische Feld das Erste, was als wissenschaftlich nicht bewiesen, als pseudowissenschaftlich kritisiert wird.

Aber es funktioniert wirklich. Ich arbeite als Stellvertreterin mit Leuten, mit denen ich ansonsten keinen Kontakt habe, von denen ich nur den Vornamen weiß. In den Pausen unterhalten wir uns gut, in den Aufstellungen könnte ich ihnen die Augen auskratzen, vor ihnen davonlaufen, ihnen um den Hals fallen. Es ist jedes Mal anders. Und es ändert sich während der Aufstellung. Ich erinnere mich an eine Rolle, in der ich völlig abgekapselt war und nichts um mich herum wahrnahm. Als plötzlich eine bestimmte Person ins Feld kam, wachte ich auf. Das war die Erste, die ich richtig sah.

Nach der Aufstellung sind auch die Gefühle wieder weg. Denn sie gehören nicht zu mir, sondern zu der Person, die ich dargestellt habe.

Man kann übrigens nicht nur Menschen aufstellen. Ich war auch schon mal ein Dackel.

Wie eine Aufstellung konkret ablaufen kann, erkläre ich am Ende dieses Artikels anhand eines fiktiven Beispiels.

Familienaufstellungen in Gefährlicher Glaube

Im Buch ist immer wieder die Rede von „esoterischen Familienaufstellungen“ – leider ist mir nicht klar, ob es für die Autorinnen auch „unesoterische“ Aufstellungen gibt. Wahrscheinlich nicht. Aus den mitunter schwammigen Formulierungen und dem kompletten Verlassen auf Drittquellen schließe ich, dass sie noch nie selbst an einer Familienaufstellung teilgenommen haben.

Statt sich also auf die konkrete eigene Erfahrung zu stützen, wird in dem Buch sehr auf Bert Hellinger, dem „Gründer“ der Methode, und dessen Aussagen herumgeritten. Das ist sicher auch gerechtfertigt. Viele Aufstellungsleitungen finden, dass Hellinger viel zu hart war (aber natürlich gibt es noch „Hellinger-Puristen“).

Hellingers Ansätze und Methoden wurden, genau wie die Freudsche Psychoanalyse, in den letzten Jahrzehnten stark weiterentwickelt. Viele Sprüche, die der große Meister ohne Zögern rausgehauen hätte, kommen in heutigen Seminaren in der Regel nicht mehr vor. Leider geht das Buch nicht darauf ein. Stattdessen werden besonders krasse Beispiele zitiert wie die Aussage, die Krebserkrankung einer Patientin rühre daher, dass sie einen Mann ungerecht behandelt habe (vgl. S. 27).

Exkurs: So bitte nicht aufstellen

Die obige Aussage wird in dem Artikel Psychokurs im Schnelldurchlauf zitiert, auf den sich das Buch beruft. Der Artikel wiederum ein bearbeiteter Auszug aus dem Buch Schluss mit dem Bullshit! Auf der Suche nach dem verlorenen Verstand von Tobias Hürter und Max Rauner ist (erschienen 2014; wie so viele andere Quellen in Gefährlicher Glaube ist auch diese ziemlich alt).

Vom Titel her sollte schon klar sein, in welche Richtung das Buch geht. Immerhin haben die Autoren Hürter und Rauner wohl tatsächlich einer Aufstellung beigewohnt. Natürlich ist sie katastrophal verlaufen.

Beschrieben wird die Aufstellung von Karsten, „er leidet an Parkinson und braucht Entscheidungshilfe: Soll er sich einen Hirnschrittmacher implantieren lassen, oder doch weiter Medikamente nehmen, um die Symptome zu lindern? Um herauszufinden, was er wirklich will, möchte er gleich seine Familie aufstellen und das Verhältnis zu seinem Nazi-Vater klären.“

Aus meiner Sicht sind das mindestens zwei verschiedene Themen, die auch getrennt aufgestellt werden müssten.

Das Ende der Aufstellung wird als abrupt dargestellt, der Teilnehmer mit seinem Schmerz allein gelassen. Wenn das tatsächlich so gelaufen ist, ist das total unverantwortlich von der Aufstellungsleiterin. „Karsten wirkt erschöpft“, endet der Artikel [kein Wunder]. „Hirnimplantat oder Medikamente? Er könne die Entscheidung jetzt nicht treffen, sagt er. Vielleicht später.“

Ein echter Griff ins Klo für Karsten, der viele belastende Emotionen und wenig Hilfe erfahren hat. Diese Thematik hätte man besser und effektiver aufstellen können.

Kritik an Familienaufstellungen

Natürlich wird die Aufstellungsarbeit heftig kritisiert. Auf einige Punkte möchte ich hier eingehen.

Zunächst ist da der Vorwurf, die Arbeit sei nicht wissenschaftlich untermauert. Stimmt. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftlich untersuchte und unter Laborbedingungen getestete Methode. Das morphogenetische Feld gilt als pseudowissenschaftlich. Der ganze Ablauf kann auf Neulinge, gelinde gesagt, befremdlich wirken. Wie es neulich mal jemand formulierte: Als er das erste Mal in der Gruppe war, wollte er gleich wieder weg – das ging ja gar nicht, was diese ganzen Laienschauspieler da machten! Bis er dann selbst in einer Rolle stand und spürte, was das mit ihm machte.

Mir ging es ähnlich. Familienaufstellungen sind wirklich etwas, worauf man sich einlassen muss. Für den einen sind sie eine gute Methode, andere können damit nichts anfangen. Total ok, dann gibt es für sie halt einen anderen Ansatz.

Zweiter Kritikpunkt: Viel zu gefährlich! Was das alles anrichten kann! Auch da ist was dran. Denn leider sind nicht alle Seminarleitungen, die Familienaufstellungen anbieten, gut ausgebildet und/oder seriös. Schlecht ausgebildet und unseriös begegnet einem zwar überall im Leben, das ist ärgerlich genug. Aber wenn es um stark belastende Probleme geht, können solche Leute mehr Schaden anrichten, als wenn der Friseur den Pony zu kurz schneidet.

Mein erster Berührungspunkt mit Aufstellungen war ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung. Er war sehr negativ, und ich war entsetzt. Es muss Anfang der 2000er gewesen sein. Damals gab es wohl einige Leute, die quasi über Land zogen, die örtliche Stadthalle anmieteten und dort im 15-Minuten-Takt aufstellten. Der Kern der Problematik wurde identifiziert (das kann bei Aufstellungen tatsächlich sehr schnell gehen), aber nicht aufgelöst. Das ist natürlich total verantwortungslos und geht gar nicht. Der Arzt sagt ja auch nicht „Ja ja, akute Blinddarmentzündung, kein Wunder, dass Sie Schmerzen haben“ und geht zum nächsten Patienten weiter.

Aber manchmal diagnostiziert oder behandelt der Arzt falsch. Und das kann leider auch bei einer Aufstellung passieren. Eine Freundin durfte sich anhören „Sie können doch Ihrer Mutter nicht so einen Vorwurf machen!“ Völlig falscher Ansatz. Der Vorwurf ist schließlich da. Jetzt muss man schauen, ob er berechtigt ist oder nicht und woher er ggf. kommt, und dann wird er aufgelöst. Meine Freundin hat ihren Vorwurf immer noch. Deshalb ist es so wichtig, bei jemandem aufzustellen, der/die weiß, was er/sie tut.

Nächster Einwand: Ist wisst doch gar nichts über die Familie, das ist alles nur ausgedacht! Es ist richtig, dass die Arbeit auf einer dünnen Datenlage beruht. Wenn alle Fakten vorliegen, brauche ich keine Aufstellung mehr, um etwas ans Licht zu bringen. Ausgedacht hingegen ist da nichts. Aufstellungsarbeit ist Energiearbeit, und es geht um das, was von den Stellvertretenden im Feld wahrgenommen wird.

Meine eigenen Erfahrungen mit Aufstellungen

Nach diesem ersten Artikel in der Süddeutschen war für mich klar: Niemals werde ich mich auf eine Familienaufstellung einlassen! Das ist ja die reine Quacksalberei!

Umso erstaunter war ich, als mir eine psychologische Psychotherapeutin, die ich immer für sehr vernünftig gehalten hatte, mitteilte, sie leite gemeinsam mit einer Freundin (Heilpraktikerin) regelmäßig Aufstellungswochenenden. Ob ich nicht mal teilnehmen wollte. Nein, wollte ich nicht. Ganz bestimmt nicht.

Irgendwann bin ich doch hingegangen. Und seitdem Fan.

(Einige Jahre nach dem ersten gab es in der Süddeutschen übrigens einen weiteren, deutlich positiveren Artikel zum Thema. Er behandelte eine Organisationsaufstellung in einem Familienunternehmen, die schnell Auswirkungen auf den Geschäftserfolg hatte.)

Ich habe das aus meiner Sicht ausgesprochen große Glück, in einer Gruppe gelandet zu sein, in der sehr wertschätzend, menschenfreundlich und zielorientiert aufgestellt wird. Hier kommen krasse Themen auf, Mord, Missbrauch, Inzest, alles ist dabei. Alles darf sich zeigen und darf danach ruhen. Anerkennen, was ist, statt zu bewerten und zu (ver-) urteilen.

Die Arbeit ist anstrengend, für die Personen, die aufstellen, ebenso wie für die Leitungen und die Stellvertretenden. Aber es ist eine sehr bereichernde Arbeit, aus der man immer etwas für sich mitnimmt. Besonders wichtig: Der eigene Blick auf die Umwelt wird weicher. Weil man lernt, dass jeder einen Grund für sein Verhalten hat. Ich war neulich in einer Rolle, die mir sehr geholfen hat, meine Mutter besser zu verstehen.

Natürlich ist in der Gruppe nicht alles perfekt. Die eine oder andere hält sich selbst und die jeweilige Rolle für das Zentrum des Universums und scheint mehr an der eigenen Performance als am Fortschritt der Aufstellung interessiert. Manche sind sehr schwurbelig unterwegs. Da werden Impfungen verteufelt, über Bürgergeldbeziehende hergezogen (wie in meinem Artikel Bürgergeld und Mental Health erwähnt) oder völlig unqualifizierte Finanztipps gegeben.

Mir ist das deutlich zu viel. Es ist auch ein Grund, warum ich die Mittagspausen häufig alleine verbringe, statt mit den anderen essen zu gehen. Aber viele dieser Leute sind in den Aufstellungen top und haben mir auch schon geholfen, zu guten Ergebnissen zu kommen. Daher blende ich aus, was sie sonst so von sich geben.

Aber wirken die Aufstellungen?

Ich sage ja. Mein klarstes Beispiel ist der ewige Husten, der mich früher mehrmals jährlich wochen- und monatelang plagte. Seit einer Aufstellung im Jahr 2017 hat er mich nur noch dreimal behelligt. Das stellt für mich eine ungeheure Verbesserung der Lebensqualität dar.

Nun mag man argumentieren, dass das nur der Placeboeffekt ist. (Ein Placeboeffekt, der über acht Jahre anhält? Mehr davon!) Es wird bei uns aber immer von dem Jungen erzählt, der als Baby schwere Neurodermitis hatte. Seine Eltern gingen zur Aufstellung, er blieb mit der Oma daheim. Im Laufe des Nachmittags wurde er plötzlich viel ruhiger. Die Neurodermitis verschwand.

Spontanheilung ist nicht immer zu erwarten. Und es gibt auch Leute, bei denen es vielleicht nicht so gut wirkt, aus welchem Grund auch immer. (Übrigens gibt es auch Themen, die nicht für eine Aufstellung geeignet sind.) In die Gruppe kommt immer wieder eine Frau mit einer wirklich sehr schwierigen Familiengeschichte. Für sie stellen wir gefühlt jedes Mal dieselbe Frage auf, nur anders formuliert. Über Jahre hinweg tat sich nichts. Doch als sich neulich mal im echten Leben etwas verändert hatte, als etwas eingetreten war, was sie immer gewollt hatte, da gefiel ihr das auch nicht.

An manche inneren Blockaden kommt man auch mit einer Aufstellung nicht heran.

Sind Aufstellungen ein Ersatz für Psychotherapie?

Nein. Wir haben in der Gruppe schon mal Leute, die Aufstellungen als Psychotherapieersatz ansehen, und die auch versuchen, anderer Leute Aufstellungen zu kapern, um für sich selbst Erkenntnisse zu generieren. Gelinde gesagt, das nervt.

Eine Aufstellung kann in kurzer Zeit Verborgenes ans Licht bringen und auflösen, an das man sonst nicht herangekommen wäre. Aber manchmal zeigen sich auch Dinge, die einer weiteren Bearbeitung im Rahmen einer Therapie bedürfen. Eine gute Aufstellungsleitung wird das auch klar vermitteln.

Sind Aufstellungen so etwas wie Magie?

Nein. Denn ein Ergebnis kann man leider nicht bestellen. Das sehen wir immer wieder z. B. bei Personen, die ihre Partnerschaft aufstellen. „Partner*in hat mich verlassen, ich will ihn/sie zurück!“, das funktioniert nur selten. Aber am Ende weiß man wenigstens, ob das Kind schon komplett in den Brunnen gefallen ist, und hat die Ursachen für das Scheitern der Beziehung beleuchtet. Oder man weiß, warum man an einer Beziehung festhält, die nicht funktionieren kann.

Es ist immer nur ein Puzzlestück, eine Zwiebelschale.

Aber es fühlt sich gut an, wenn die Schale runter ist.

Checkliste: Wie findest Du eine gute Aufstellungsleitung?

Wir wollen eine qualifizierte ärztliche Betreuung und einen guten Frisiersalon, also sollten wir uns auch nicht der erstbesten Aufstellungsleitung ausliefern. Aber wie findet man da jemanden?

Hör Dich erstmal im Freundes- und Bekanntenkreis um. Wenn jemand, der/die ähnlich tickt wie Du, jemanden empfiehlt, ist das ein guter Anfang. Wenn Du keine Empfehlungen bekommen kannst, bleibt natürlich das Internet. Schau Dir die Website an – macht die Person einen kompetenten und persönlich angenehmen Eindruck auf Dich? Sprechen Dich die Texte an oder rollst Du schon mit den Augen? Nimm Kontakt auf und versuche, ein kurzes Telefonat zu arrangieren. Wie ist Dein Eindruck?

Die Aufstellungsarbeit ist sehr persönlich. Daher ist es wichtig, dass die Chemie stimmt. Wenn der erste persönliche Eindruck positiv ist, erkundige Dich zum Beispiel nach den folgenden Dingen:

  1. Wie ist die Aufstellungsleitung ausgebildet? Wie lange macht sie diese Arbeit schon?
  2. Sind die Kosten transparent?
  3. Gibt es ein Vorgespräch, bei dem Dein Anliegen geklärt wird und biografische und familiäre Daten und Strukturen besprochen werden? Ein solches Gespräch ist in der Regel hilfreich für die Vorbereitung der Aufstellung. (Erfahrene Aufstellungsleitungen haben meist schon eine Ahnung, in welche Richtung die Reise gehen könnte. Überraschungen sind natürlich nie ausgeschlossen.)
  4. Wie laufen die Aufstellungen im Einzelnen ab? Bekommst Du eine Einzelaufstellung (also nur Du und die Aufstellungsleitung, die verschiedenen Rollen werden dann z. B. durch Playmobil-Figuren dargestellt), oder ist es eine Gruppenveranstaltung? Wie viele Aufstellungen finden an diesem Tag statt? (Bei uns sind es maximal zwölf an einem Wochenende. Danach ist man auch wirklich platt.)
  5. Gibt es ein Nachgespräch und/oder eine andere Form der Nachbetreuung?

Eine souveräne Aufstellungsleitung wird hier konstruktiv antworten. Und es ist wichtig, dass die Person souverän ist. Sonst wird die Arbeit einfach zu schwierig.

Und vor allem: Fühlst Du Dich bei und mit der Person wohl und gut aufgehoben?

Ein paar Warnzeichen gibt es natürlich auch. Vorsichtig wäre ich, wenn:

  • Die Aufstellungsleitung Dir die sofortige Lösung aller Deiner Probleme verspricht. Erstens ist es grundsätzlich unrealistisch, alle Probleme mit einer Aufstellung zu lösen. Zweitens kann es bis zu zwei Jahre dauern, bis eine Aufstellung wirkt.
  • Die Aufstellungsleitung sich nicht die Mühe macht, genau verstehen zu wollen, was Dein Anliegen ist. Oder wenn sie bei Bedarf nicht mit Dir zusammen ein präziseres Anliegen herausarbeitet. „Hm, naja, mir geht’s halt nicht so gut“ ist zu schwammig und breit formuliert für eine sinnvolle Aufstellung. Damit kriegst Du zwar irgendwas raus, erreichst aber vermutlich keine nachhaltige Besserung Deiner Situation.
  • Die Aufstellungsleitung gleich ganz genau weiß, wo das Problem liegt, und auch sonst wenig Neugier und Interesse an Dir zeigt. Du brauchst jemanden, der die Flexibilität besitzt, die eigenen Annahmen über Bord zu werfen, wenn sich die Aufstellung anders entwickelt als erwartet.
  • Du ein Paket buchen sollst mit Aufstellung und sonstigen Leistungen.
  • Du überhaupt sofort buchen sollst, wenn also Druck aufgebaut wird.
  • Es keine Möglichkeit gibt, Dir unverbindlich anzusehen, wie eine Aufstellung abläuft (das geht natürlich nur bei Gruppen).
  • Die Betreuung mit der Aufstellung endet. Du solltest die Möglichkeit haben, Dich an die Aufstellungsleitung zu wenden, wenn die Aufstellung akut etwas in Dir auslöst. (Damit ist eine Akutintervention gemeint, keine langfristige therapeutische Begleitung zum Nulltarif.)

Wie läuft eine Aufstellung konkret ab?

Ich kann das jetzt nur so schildern, wie ich es erlebt habe. Andere Aufstellungsleitungen mögen den Ablauf anders handhaben. In einer Aufstellung kommt man ständig an Weggabelungen. Diese kann ich hier unmöglich alle abbilden. Daher ist das Folgende notgedrungen eine vereinfachte Darstellung.

Ich benutze ein fiktives Beispiel: Ich möchte die Migräne aufstellen, die mich seit Jahren quält. (Zum Glück habe ich tatsächlich noch nie Migräne gehabt.) Medizinisch ist bereits geklärt, dass es keine physische Ursache gibt. Nichts, was ich bislang an Behandlungen probiert habe, hat Linderung gebracht. Jetzt also eine Aufstellung.

Als erstes nenne ich der Gruppe mein Anliegen, damit allen klar ist, worum es geht. (Manchen ist das extrem unangenehm. Grundsätzlich kann man auch ohne Nennung des Anliegens aufstellen. Aber wenn die Aufstellung gut läuft, ist sowieso bald klar, worum es geht. Langfristig kannst Du es also eh nicht verbergen.) Nun werde ich aufgefordert, zwei Stellvertretende auszuwählen: Eine weibliche Person für mich und jemanden (Geschlecht egal) für die Migräne. Ich stelle beide zueinander in Beziehung und setze mich wieder hin.

(Viele machen sich im Vorfeld wahnsinnig Gedanken, wen sie für welche Rolle auswählen und wohin sie die Person stellen. Im Grunde ist das überflüssig, denn es geht hier um das Spüren und nicht um intellektuelle Aspekte. Wenn ich meine, die Migräne muss ganz dicht bei mir stehen, kann es trotzdem sein, dass sie sich sofort von meiner Stellvertreterin wegdreht – weil sie eigentlich nicht zu mir gehört. Hier kann man sich also echt entspannen. Einfach aufstellen, die Leute finden dann schon ihren richtigen Platz.)

Jetzt wird es spannend. Wie fühlt sich die Julia, wie fühlt sich die Migräne? Gerade Erkrankungen sagen an dieser Stelle häufig, dass sie hier gar nicht hingehören. Aber manchmal zeigt sich auch, dass sie sehr präsent sind und eine Schutzfunktion erfüllen.

In der Regel werden als nächstes meine Eltern aufgestellt, ebenfalls in Form von Stellvertretenden. Wie fühlt sich Julia, wenn ihre Eltern reinkommen? Für wen interessiert sich die Migräne? Wenn nun meine Stellvertreterin beispielsweise sagt, dass sie sich mit der Mutter unwohl fühlt, die Migräne aber großes Interesse am Vater zeigt, wird beim Vater weitergearbeitet. Denn es geht in dieser Aufstellung ja um die Migräne. Deshalb ist es so wichtig, ein klar formuliertes Anliegen zu haben.

Also kommen jetzt meine Großeltern väterlicherseits ins Feld. Wohin zieht es die Migräne? Und so wird weitergearbeitet. Oft muss man mehrere Generationen zurückgehen.

Sagen wir mal, wir sind inzwischen bei meiner Ururgroßmutter angekommen. Die Migräne interessiert sich für sie, und auch meine Stellvertreterin spürt eine starke Verbindung. Es könnte sein, dass hier der Ursprung der Migräne liegt. Also schauen wir: Was war bei der Ururgroßmutter los? Was hat die erlebt, dass sich bei ihr eine Migräne eingenistet hat?

Fakten sind an dieser Stelle in der Regel nicht mehr bekannt. Also müssen wir uns auf das verlassen, was die Stellvertretenden im Feld spüren. Nun mag der Einwand kommen, dass man sich da ja einfach irgendwas ausdenken könnte. Das passiert aber nicht. Denn wenn jetzt einfach jemand ruft „Die wurde halt missbraucht!“, dann werden die Ururgroßmutter oder die Migräne sofort widersprechen, wenn es nicht stimmt. Das ist der Aspekt, der so richtig spooky ist beim Aufstellen und den man nicht erklären kann. Aber man spürt dann einfach, was richtig und falsch ist.

Wenn der Auslöser identifiziert ist, kann aufgelöst werden. Häufig reicht es schon, dass ein Leid oder ein Unrecht überhaupt endlich gesehen wurden. Manchmal muss Verantwortung übernommen werden, zum Beispiel im Fall von Gewalttaten. Manchmal muss Schwere symbolisch zum Ursprung zurückgegeben werden. Wenn das erfolgreich war, sagt die Thematik, in diesem Fall die Migräne, ganz klar, dass sie sich nun zurückziehen kann.

Meine Stellvertreterin mag sich nun immer noch mit der Mutter unwohl fühlen. Das ist dann aber eine andere Zwiebelschale. Für heute wurde das Ziel erreicht. Wenn keine Fragen mehr bestehen, wird die Aufstellung beendet. Ich entlasse alle Stellvertretenden und bedanke mich bei ihnen.

Fazit

Familienaufstellungen sind ebenso wenig ein Allheilmittel, wie Aspirin das ist. Aber sind sie eine sehr kraftvolle Methode, um an Themen heranzukommen und sie aufzulösen. Weil diese Themen häufig sehr belastend sind, ist es wichtig, die Aufstellung von jemandem leiten zu lassen, der/die erfahren ist und wertschätzend auf eine gute Lösung hinarbeitet.

Hast Du bereits eigene Aufstellungserfahrungen gemacht? Schreib es mir gerne in die Kommentare.

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