Bewerben mit ChatGPT – was funktioniert, was nicht?

Bewerben mit ChatGPT - was funktioniert, was nicht?

ChatGPT ist in aller Munde und, je nachdem, mit wem man spricht, die Rettung oder der Untergang der Zivilisation. Unbestritten: Man bekommt schnell Antworten auf Fragen und kann das Tool zur Erstellung von Inhalten verwenden. Auch bewerben kann man sich mit ChatGPT.

Kann man das? Bei einem Karrierecoaching überschlugen sich die Jobcoaches förmlich. Wir sollten unbedingt unsere Bewerbungsschreiben mit KI erstellen, riefen sie. Das gehe total schnell und sei inhaltlich top.

Ich bin ja eher old-school, wenn es um Texte geht. Das hat nichts mit Vorbehalten gegen KI zu tun. Aber bislang fand ich nie, dass ich beim Schreiben Unterstützung benötigen würde. Deshalb habe ich ChatGPT und seine Kumpanen lange nicht beachtet.

Es gibt viele, die sich schon eingehender mit dem Thema Inhaltserstellung per KI auseinandergesetzt haben als ich. Und von denen höre ich immer wieder: Zur Ideenfindung und als Unterstützung ist es super, aber komplette Inhalte erstellt man aktuell besser noch selbst.

Wie läuft es also mit den Bewerbungen?

Was ist ChatGPT eigentlich?

ChatGPT ist ein Chatbot, der mit künstlicher Intelligenz arbeitet. Die Basisversion ChatGPT 3.5 ist kostenlos. Jede*r kann ein Konto erstellen und drauflos chatten. Es gibt mit ChatGPT-4 auch eine Bezahlversion, die umfassender ist und auf neuere Daten zurückgreift.

Grundsätzlich gesprochen: ChatGPT produziert, je nach Komplexität der Frage, innerhalb weniger Sekunden oder Minuten eine ausformulierte Antwort. Das ist natürlich ein starker Unterschied zu Google und macht ChatGPT sehr attraktiv, wenn man sich nicht noch stundenlang durch Websites wühlen möchte. Theoretisch kann man den Output direkt per Copy & Paste nutzen und als eigene geistige Leistung ausgeben. Das hat ja schon öfter zu Peinlichkeiten geführt, wenn der Hinweis, dass der vorliegende Text von einer KI erstellt wurde, nicht gelöscht wird.

Wie gut ist ChatGPT generell?

Die Qualität der Antworten hängt von zwei Faktoren ab. Erstens: Wie gut ist Dein prompt, also Deine Frage, formuliert? Zweitens: Mit welchen Infos zu Deinem Thema wurde ChatGPT gefüttert, auf welches „Wissen“ greift er also zurück?

Beachte auch, dass in der kostenlosen Version die neuesten, dem Bot zur Verfügung stehenden Informationen mehrere Jahre alt sind. Das kann zu bizarren Ergebnissen führen: Auf Social Media habe ich mal ein Posting von einer Seminararbeit gesehen, die von einer KI geschrieben wurde. (Das stand im zweiten Absatz. Erst lesen, dann einreichen.) Im ersten Satz der Arbeit stand, dass die katholische Kirche von Papst Johannes Paul II. geführt werde! Dieser ist bekanntlich 2005 verstorben.

Wie nutze ich ChatGPT für meine Bewerbungen?

Der größte Zeiträuber bei Bewerbungen ist für mich immer die Erstellung des Anschreibens. Über die Jahre hinweg habe ich mir dafür ein Grundgerüst, also eine Art Vorlage, erstellt. Dabei habe ich mich von den langweiligen Standardfloskeln à la „hiermit bewerbe ich mich als blablabla“ zu individuelleren Formulierungen bewegt.

In der Regel erstelle ich meine Bewerbungsschreiben relativ schnell, also innerhalb einiger Stunden. Zur Fehlerkontrolle lasse ich sie durch ChatGPT laufen. Dabei ist mein prompt, den Text auf Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung zu prüfen.

ChatGPT gibt mir dann immer noch ungebeten drei Anregungen zu Formulierungen: Dies könnte spezifiziert werden, dort könnte ich noch klarer die Relevanz herausstreichen. Das finde ich durchaus hilfreich. Manche Anregungen ignoriere ich, andere haben mir tatsächlich schon zu einem aussagekräftigeren Satz verholfen.

Meine Erfahrung mit ChatGPT-generierten Anschreiben

Nachdem ich von verschiedenen Seiten gehört hatte, wie toll die ChatGPT-Anschreiben seien, wollte ich es auch mal ausprobieren. Ich arbeitete ohnehin gerade an einer Bewerbung, das Timing war also gut. Mein eigenes Anschreiben hatte ich bereits zu 95 % fertiggestellt.

Die Anschreibenvorlage

Erster Schritt: Ein möglichst spezifischer prompt muss her. „Schreib mir ein Anschreiben für eine Bewerbung als XYZ“ ist zu wischi-waschi. Das weiß auch ChatGPT:

Diese allgemeine Vorlage bekam ich, noch bevor ich Gelegenheit hatte, den Text der Stellenausschreibung einzugeben. Sie war sehr generisch. Wer zum ersten Mal in seinem Leben ein Anschreiben verfassen muss und so gar nicht weiß, was man da schreiben kann, wird dankbar sein. Aber wenn man sich schon ein bisschen mit der Thematik befasst hat, reißt es einen nicht mehr vom Hocker.

Es ging los mit „Betreff: Bewerbung um die Stelle als [Position] gemäß Ihrer Ausschreibung“. Gähn. Außerdem sehr lang. Ich habe Stellenausschreibungen gesehen, bei denen alleine die Positionsbezeichnung einmal quer über die Seite reicht. Mit dieser Formulierung ist man gleich bei zwei Zeilen. Und „Betreff“ verwendet man ja schon seit Jahren nicht mehr.

Im ersten Absatz gab das Programm an, „mit großem Interesse … Ihre Ausschreibung für die Position als … gelesen“ zu haben. Eine reine Floskel, noch dazu eher langweilig formuliert.

Darauf folgte eine Art Ausfüllschablone über mehrere Absätze. Diese behandelten die eigene Laufbahn, Erfahrungen/Fähigkeiten und Eigenschaften. Das sind natürlich alles wichtige Informationen. Problem: Wer sich noch nie beworben hat, wird auch noch nicht genug Berufserfahrung gesammelt haben, um hier viel Sinnvolles eintragen zu können:

In meiner bisherigen beruflichen Laufbahn habe ich umfangreiche Erfahrungen in [Aufgabenbereich] gesammelt. Insbesondere zeichne ich mich durch [Relevante Fähigkeiten] aus, die mich befähigen, [Wichtige Aufgaben aus der Stellenausschreibung] erfolgreich durchzuführen. Meine Fähigkeit zur [Weitere Fähigkeiten] ermöglicht es mir, flexibel auf sich ändernde Anforderungen zu reagieren und effektiv zu arbeiten.

Ausschnitt aus einer Vorlage für Bewerbungsschreiben, generiert von ChatGPT

Abschließend bedankte sich ChatGPT „für die Berücksichtigung meiner Bewerbung“, setzte hinter „Mit freundlichen Grüßen“ ein Komma, das dort nicht hingehört, und wollte darunter erneut meine bereits im Briefkopf genannten Kontaktdaten einfügen. Das fand ich alles nicht ideal.

Das spezifische Anschreiben

Ging das noch besser? Im nächsten Schritt kopierte ich die gesamte Stellenausschreibung ein.

Der ausgegebene Vorschlag unterschied sich nicht großartig von der allgemeinen Vorlage aus dem ersten Schritt. Im Wesentlichen nahm ChatGPT die einzelnen Absätze der Ausschreibung und formulierte sie um.

Natürlich kennt ChatGPT meinen Lebenslauf nicht. Daher unterstellte es mir, dass ich eine „fundierte Ausbildung“ und Erfahrung in diversen in der Ausschreibung genannten Bereichen hätte und die Inhalte meines Studiums sich „nahtlos in die thematischen Anforderungen“ des Arbeitgeber einfügen würden. Beides stimmt nicht. Hier wäre so viel Anpassung notwendig gewesen, dass ich das Anschreiben auch gleich selbst hätte verfassen können.

Die in der Ausschreibung als „optional“ bezeichneten Fremdsprachenkenntnisse wurden wie folgt verarbeitet: „Optional kann ich fundierte Kenntnisse in [Fremdsprache] vorweisen, die es mir ermöglichen, …“ So ein Unsinn! Meine Fremdsprachenkenntnisse sind schließlich tatsächlich vorhanden! Und der Passus, das Schwerbehinderte bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt werden, wurde als „offenes und inklusives Arbeitsumfeld“ interpretiert, statt als rechtliche Gegebenheit erkannt.

Das Anschreiben unter Berücksichtigung meines Lebenslaufs

Um die Inhalte des Anschreibens noch einmal zu verfeinern, habe ich ChatGPT auch mit Angaben zu meinem beruflichen Werdegang aus meinem Lebenslauf gefüttert. Vom Ergebnis war ich nun aber doch etwas schockiert.

Zunächst hat ChatGPT die Stellenbezeichnung verändert. Plötzlich bewarb ich mich als „Seminarleiterin“, aber diese Stelle gab es gar nicht. Im weiteren Verlauf käute die KI die Stationen meines Lebenslaufs wieder und schmückte sie bisweilen auf interessante Art und Weise aus. In der Handelsförderung, so textete sie, hätte ich Kenntnisse zur Alpingeschichte erworben. Zu einem Aushilfsjob im Veranstaltungsservice konstatiert sie, dass ich „meine organisatorischen Fähigkeiten und mein Geschick im Umgang mit verschiedenen Veranstaltungsformaten weiterentwickelt“ hätte. Äh, was?

So richtig staunte ich allerdings, als ich einen Absatz zu meiner „letzten Position“ fand. Die dort genannte Stelle hatte ich überhaupt nicht innegehabt! Ich hatte ChatGPT lediglich zu einem früheren Zeitpunkt gebeten, mein Anschreiben für diese Stelle zu prüfen. Vielleicht hat das Programm ja hellseherische Fähigkeiten und weiß schon, dass ich diese Stelle bekommen werde?

Meine tatsächliche Bewerbung

Auf die Stelle, um die es hier ging, habe ich mich tatsächlich beworben. Ich habe wenig bis keine relevante Erfahrung in dem Bereich, aber es interessiert mich brennend – ich möchte das unbedingt mal ausprobieren. Daher konnte ich (anders als ChatGPT es tat) nur bedingt meinen Lebenslauf wiederkäuen. Die zweieinhalb thematisch ähnlichen Sachen, die ich gemacht habe, auf eine Seite Text auszuwalzen, fand ich auch eher lächerlich.

Meine tatsächliche Bewerbung für diese Stelle sah folglich komplett anders aus, als ChatGPT das vorgesehen hatte. Was ich an Erfahrungen nicht habe, versuchte ich, durch Enthusiasmus wettzumachen. Hat funktioniert, ich wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Hier wurde mir gesagt, man fände meine Bewerbung und mich als Person sehr interessant. Zu meinem großen Erstaunen waren gerade meine „optionalen“ Sprachkenntnisse ein dickes Plus: Es bestand dringender Bedarf an Leuten, die fließend Englisch sprechen. Im Frühjahr geht es los. Ich freue mich schon sehr.

Mein Fazit

ChatGPT erstellt eine Vorlage für Anschreiben, die man als solche nutzen kann. Sie ist aber sehr generisch, muss noch (stark) angepasst werden und würde meiner Meinung nach an vielen Stellen davon profitieren, interessanter formuliert zu werden.

Das ist ja jetzt nichts Neues. Schon vor mehreren Jahrzehnten gab es Bewerbungsratgeber, die Vorlagen für Abschreiben präsentierten. Auch diese Vorlagen waren nach Schema F erstellt. Vorteil für alle Wortakrobaten: Nach wie vor kann man durch individuelle Formulierungen aus der Masse herausstechen. Die Leute in der Personalabteilung, die den ganzen Tag Anschreiben lesen, werden sicher dankbar für ein bisschen Abwechselung sein. Vorausgesetzt, die Anschreiben werden überhaupt noch von Menschen gelesen.

Natürlich entwickelt sich auch ChatGPT immer weiter und erstellt zunehmend bessere Inhalte. Das wird sich früher oder später auch auf die Qualität seiner Bewerbungsschreiben auswirken. Aber vielleicht ist es dann schon zu spät? Denn dass solche (generischen) Vorlagen immer stärker genutzt werden, zeigt bereits Wirkung: Immer mehr Unternehmen wollen gar kein Anschreiben mehr.

Ich persönlich bin zufrieden mit meiner eigenen Vorlage. ChatGPT sehe ich als gute Ergänzung, die ich künftig nutzen werde für:

  • die Überprüfung von Rechtschreibung, Grammatik, Zeichensetzung,
  • das Finden alternative Formulierungen,
  • inhaltliche Anregungen für spezifischere Formulierungen.
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