Statt auf direktem Wege von Buchara nach Samarkand zu fahren, kannst Du einen Umweg über die Berge von Nuratau machen. Hier hast Du ein totales Kontrastprogramm – Dorfleben, kleine Gästehäuser, Natur – und erlebst eine ganz andere Seite von Usbekistan. Am spannendsten ist es, mit einem Guide von Dorf zu Dorf zu wandern.
Nach mehreren Tagen in Buchara und Chiwa schwirrte mir der Kopf. So viele Medressen hatte ich noch nie auf einmal gesehen – und irgendwann sahen sie alle gleich aus. 🙈 Da tat ein bisschen körperliche Bewegung gut. Ich hatte bei Nuratau Travel die 4-Day Hiking Tour of Hayat, Uhum & Asraf With Village Homestays gebucht.
Tag 1: Von Buchara nach Hayat
Der erste Tag war ganz easy: Abholung am Hotel in Buchara, Fahrt in die Berge. Irgendwann hielten wir an, und mir wurde mein Guide vorgestellt: ein 17-jähriger Jüngling mit eher rudimentärem Englisch. Der war zwar sehr nett und bemüht, aber so richtig unterhalten konnte man sich leider nicht.
Gemeinsam mit einem Packesel machten wir uns auf den Weg. Ich guckte ziemlich dumm, als wir bereits nach 45 Minuten, gefühlt nur einmal über den nächsten Hügel, bereits an unserem Tagesziel ankamen. Ich wurde an meiner Unterkunft abgegeben, der Guide entschwand.
Die Unterkunft konnte jetzt auch nicht so richtig als „homestay“ durchgehen, sondern war eine Pension mit einem Extragebäude, in dem Gäste untergebracht wurden. In meinem Fall war dies eine Reisegruppe (lustigerweise von Reisen mit Sinnen, deren Usbekistan-Reise ich kurzfristig in Erwägung gezogen hatte, bis ich beschloss, das sei auch auf eigene Faust zu schaffen). So bekam ich ein Zimmer im Haupthaus, und irgendjemand aus der Familie musste sein Bett für mich räumen. Am Morgen stolperte ich fast über die usbekische Reiseleiterin, die sich im Wohnzimmer auf ihrer Schlafmatte ausgestreckt hatte.
Aber erstmal war Programm angesagt. Einem jungen Paar aus der Schweiz und mir wurde beschieden, wir würden nun wandern gehen. Und das sei unser Guide: Man zeigte auf einen 9-jährigen Knirps. Äh, okay. Wir schauten uns stirnrunzelnd an und zogen los. Der Kleine, der sich sicher was Besseres vorstellen konnte, als irgendwelche Ausländer durch die Gegend zu schleppen, kannte die Gegend natürlich bestens.
In der Nähe des Dorfes gibt es ein Gehege, in dem das Kysylkumwildschaf (schon wieder so ein toller Name 😍, lat. Ovis ammon ssp. severtzovi) zu beobachten ist. Wir hatten Glück:
Tag 2: Von Hayat nach Uhum
Nach dem Frühstück erschienen mein Guide und sein Esel wieder, um mit mir die nächste Etappe anzugehen.
Diesmal war die Wanderung deutlich länger, durchaus auch körperlich fordernd, aber nie so anstrengend, dass es nicht zu schaffen gewesen wäre. Wobei mein Guide mich irgendwann anschaute und sagte, ich sei ja echt fit, manchmal habe er Gäste, die alle zehn Minuten eine Pause bräuchten.
Die Unterkunft in Uhum war noch mehr homestay, auch wenn schon ein gutes Maß an Professionalität Einzug erhalten hatte. Aber auch nicht zu viel davon: Dass da am Haus ein großes Wespennest hing, schien niemanden zu stören.
Die Gegend ist schon stark tadschikisch geprägt, und auch unsere Gastgeber waren Tadschiken. Mir war gar nicht klar, was für ein attraktiver Menschenschlag das ist. Der Papa sah aus wie ein Model.
Ich bekam ein Zimmer zugewiesen, ein Mittagessen …
… und eine erneute Wanderung: Denn in der Nähe gibt es Petroglyphen. Die wollte ich natürlich sehen.
Im Laufe des Nachmittags hatten sich dann weitere Gäste eingefunden, alle aus Deutschland: Ein Ehepaar, das mit Guide und Fahrer quer durch Zentralasien reiste, und eine vierköpfige Gruppe aus Köln, die nur einen Fahrer hatte. Gebannt verfolgten wir, wie die Hausherrin Plov zubereitete. Als erstes goss sie vier Suppenkellen Sonnenblumenöl in den Kessel, dann eine weitere halbe, gefolgt von einem kritischen Blick und noch mehr Öl. Darin wurden große Stücke Fleisch gegart, bevor alle weiteren Zutaten dazukamen. (Als Anzünder fungierten übrigens Plastiktüten. 😖 Es qualmte wie in der Hölle. Zum Glück war die Küche im Freien.)
Meine Mit-Gäste bekamen zum Abendessen die beiden großen Tische draußen, ich hingegen wurde allein in ein fensterloses Zimmer gesetzt, das noch dazu echt kalt war. 😟 Irgendwelche Nachteile muss das Alleinreisen ja auch haben. Gerade pirschte ich mich an den Guide heran, um ihn zu bitten zu fragen, ob ich nicht auch draußen sitzen könne, da luden seine Gäste mich bereits an ihren Tisch ein.
Es wurde ein interessanter und langer Abend, insbesondere, nachdem wir alle, sehr gut gesättigt, in den Nebenraum ungezogen waren und der Guide anfing, vom usbekischen Leben zu erzählen. Unser Gastgeber kam mit der Wodkaflasche dazu, das half ebenfalls. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir:
- Ein usbekischer Mann kommuniziert seinem Vater, dass er bereit für eine Heirat ist, indem er ihm eine Möhre in den Schuh legt. Dann weiß der Vater, dass er anfangen kann, eine Braut zu suchen.
- Der jüngste Sohn der Familie erbt das Haus. Dafür wird von ihm auch erwartet, dass er sich um die Eltern kümmert, wenn die alt werden.
- Unser Guide durfte sich mit seiner Auserwählten vor der Hochzeit nicht ein einziges Mal unterhalten. Er kannte sie nur vom Sehen und von den Erkundungen, die seine Mutter über sie eingeholt hat.
- Als nach zwei Jahren Ehe noch kein Nachwuchs da war, haben ihm alle gesagt, er solle sich halt scheiden lassen und eine andere heiraten. Aber, sagte er, da sei er zu stark von seinem Studium in Deutschland beeinflusst gewesen: Er habe allen gesagt, sie sollten sich da heraushalten, das sei seine Privatangelegenheit. (Inzwischen hatte er auch eine kleine Tochter.)
Tag 3: Von Uhum nach Asraf
Trafen mich da mitleidige Blicke von meinen neuen motorisierten Freunden, als ich am nächste Tag abermals mit Guide loszog? Der Esel kam diesmal nicht mit.
Egal. Wir liefen wieder einige Stunden lang durch die Hügel, bis wir in Asraf ankamen. Hier hatte ich einen echten homestay: ein Zimmerchen, in dem außer einem Ofen und einer Schlafmatte nichts war, bei einer jungen Familie mit einem kleinen Sohn.
4. Tag: Von Asraf nach Samarkand
So richtig gut hatte ich in der letzten Nacht nicht geschlafen. Es war zwar warm genug, aber auch ganz schön hart. Die Mama war spätestens um 5 Uhr auf den Beinen, um Brot zu backen. Und auch sonst hatte sie reichlich zu tun. Ihr Mann war hingegen nicht zu sehen.
Während ich unterwegs war, war auch Walnusszeit. Fast jeder in Usbekistan, so schien mir, hat jede Menge Walnussbäume im Garten stehen. Jetzt fuhren die Einkäufer über Land und sammelten die Säcke ein. Je heller die Nüsse sind, desto teurer sind sie – und sie werden heller, wenn die Bäume im Schatten stehen. Davon gab es in diesen Dörfern reichlich. Die Preise, die angeboten wurden, waren natürlich trotzdem lächerlich gering.
Auf dem Programm stand eine letzte Wanderung. Ich bin mir nicht ganz sicher, was der Sinn und Zweck war. Im Programm stand etwas von einem mittelalterlichen Aussichtspunkt, von dem aus die umliegende Steppe beobachtet wurde. Zu sehen war leider nicht mehr viel von dessen Ruinen. Irgendwie fühlte es sich an wie Bewegungstherapie.
Und dann stand mein Fahrer wieder auf der Matte, um mich zurück in die Stadt zu bringen. Wie schon am ersten Tag lief die ganze Zeit Musik, in der immer inbrünstig „TURKESTAN!“ beschworen wurde. Schade, dass wir uns kaum verständigen konnten.
Unterwegs hielt er noch an einem Straßenimbiss an, wo im Lehmofen die Somsas buken, und dann kam ich am letzten Stopp meiner Reise an: Samarkand.
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