Jahresrückblick 2023, Teil 2: Ein Jahr Arbeitsagentur

2023 - (m)ein Jahr mit der Arbeitsagentur

Am 1. Januar 2023 wurde ich zum ersten Mal in meinem Leben offiziell arbeitslos. So ist der Dezember 2023 doch eine gute Gelegenheit, auf dieses Jahr und diese völlig neuen Erfahrungen mit der Arbeitsagentur, deren Kundin (ja, das heißt wirklich so) ich wurde, zurückzublicken.

Separat habe ich einen Jahresrückblick über die anderen Veränderungen in 2023 verfasst.

Ich habe ja schon so meine Erfahrungen mit großen Behörden: Ich habe in verschiedenen gearbeitet. Auch gab es vor vielen Jahren, ich absolvierte damals ein Praktikum in einer Personalabteilung, Berührungspunkte mit der Arbeitsagentur. Diese schickte uns immer mal wieder die Profile von Menschen, die sie aufgefordert hatte, sich bei uns zu bewerben. Der Großteil davon meldete sich nie. Die meisten derer, die sich doch meldeten, wollten einfach direkt eine Absage. Und meine Chefs murmelten immer wieder in die Richtung, dass die Leute, die übers Arbeitsamt kämen, ja eh nichts taugten.

Klingt vielversprechend, oder?

Jetzt war also ich auf der anderen Seite. Und so ist es mir ergangen.

Die Meldung als „arbeitssuchend“

Als arbeitssuchend muss man sich melden, sobald klar ist, dass man demnächst arbeitslos sein wird oder sein könnte. Nachdem für mich im Herbst 2022 klar war, dass ich meinen Job kündigen würde, haderte ich noch ziemlich lange mit diesem ersten Schritt.

Die reine Meldung, online recht leicht erledigt, ging schnell. Zudem erstellt man bei dieser Gelegenheit ein Profil mit persönlichen und beruflichen Daten, das auch Arbeitgebern zur Verfügung gestellt wird, die Personal suchen.

Nach einigen Tagen erreichte mich von der Arbeitsagentur eine Einladung zu einem Onlinegespräch. Es ging mir zu dem Zeitpunkt ziemlich schlecht, und das sah man mir wohl auch an. Jedenfalls war der Betreuer sehr freundlich und verständnisvoll. Nachdem er sich meine Geschichte angehört hatte, überraschte er mich mit der Ankündigung, er habe da auch schon eine Stellenempfehlung für mich. Ich solle mir das mal ansehen, es sei jetzt „noch“ kein Druck, dass ich mich darauf bewerbe.

Das ging aber schnell, dachte ich, nicht unerfreut. Früher hörte man ja immer, dass Arbeitgeber die Arbeitsagentur nicht als geeignetes Forum für die Mitarbeitersuche ansahen.

Die erste Stellenempfehlung … und weitere

Diese erste Stellenempfehlung war dann auch sehr interessant. Senior Projektleitung bei der Deutschen Bahn. Irgendwas mit Schienenbau. Spannend! Leider verstand ich die Hälfte der Stellenbeschreibung nicht. Gesucht wurde ein*e Ingenieur*in. Ich bin Geisteswissenschaftlerin.

Eigenmächtig beschloss ich, dass eine Bewerbung wohl für beide Seiten eine Zeitverschwendung darstellen würde.

Die Arbeitsagentur schickt ihren Kund*innen in regelmäßigen Abständen automatisiert Jobangebote zu. In meinem Fall – ich bin unter „Projektleitung“ abgelegt – handelte es sich leider fast ausschließlich um Ingenieursstellen. Ich habe ja schon öfter Angebote gesehen, bei denen ich die vorgegebene Studienrichtung eher irrelevant für die Aufgaben fand. Aber Kenntnisse in Elektrotechnik habe ich beispielsweise wirklich nicht.

Stellenangebote für Projektmanager bzw. -leiter in den Bereichen Fabrikplanung, Schallschutz, Elektrische Energietechnik, Hochbau und IT, die Julia Pracht automatisiert vorgeschlagen wurden.
Alles spannende Jobs, jedoch bin ich für keinen davon auch nur annähernd qualifiziert.

Schade, dass da so grob gearbeitet wird. Es ist nicht die einzige Stelle in diesem System, wo eine bessere IT-Lösung deutlich bessere Ergebnisse (Erfolge gar?) für die Betroffenen generieren würde.


Die Meldung als „arbeitslos“

Man kann sich zwar auch online arbeitslos melden, aber ich war persönlich im Amt. Zum ersten Mal in meinem Leben. Das war schon ein … besonderes Gefühl. Direkt nach Neujahr waren kaum Leute dort, alle waren entspannt, es war ein kurzes, freundliches Gespräch. Dann war ich wieder raus.

Jetzt war es also offiziell.

Das erste Gespräch mit der Betreuerin von der Arbeitsagentur

Ich hatte irgendwie erwartet, dass alles zack-zack gehen würde. Schließlich ist es ja Aufgabe der Arbeitsagentur, Arbeitslose möglichst schnell wieder in Arbeit zu bringen. Genauer gesagt: in eine sozialversicherungspflichtige Anstellung von mindestens 15 Stunden pro Woche.

Wobei mir auch nicht ganz klar ist, wie man in einer Stadt wie München überleben können soll, wenn man nur 15 Stunden pro Woche arbeitet. Aber das ist eine andere Thematik.

Zunächst hörte ich gar nichts von meiner Betreuerin. Dann bekam ich eine E-Mail, in der mir ein Termin genannt wurde. Also keine Vorstellung, „ich bin Ihre Betreuerin, als ersten Schritt machen wir ein Gespräch, würde Ihnen der … passen?“ Sondern zack, Datum Uhrzeit. Offenbar basierte das auf der Vorstellung, dass Arbeitslose den ganzen Tag zu Hause herumsitzen und keine anderen Pläne oder Verpflichtungen (Kinder? Arzttermine mit acht Wochen Wartezeit?) haben.

Das Gespräch war sehr freundlich. Eigentlich erinnere ich mich nur an zwei Sachen. Erstens, dass ich mich ein bisschen ausruhen solle und wir dann in regelmäßigen Abständen miteinander sprechen würden, das nächste Mal im April. Und dass ich zweitens eine Liste über meine Bewerbungen führen solle.

Die Liste habe ich geführt, die regelmäßigen Gespräche fanden nie statt.

Die Bewerbungen

Nachdem ich im Herbst 2022 entschieden hatte, dass ich kündigen würde, brach bei mir Panik aus. Kein Wunder, hatte meine Mutter mir doch immer eingebläut, NIEMALS einen Job zu kündigen, ohne einen neuen zu haben. Schon im November hatte ich mich daher intensiv beworben und nur Absagen kassiert. Einmal kamen an vier aufeinanderfolgenden Tagen vier Absagen. Das war echt hart. Gleichzeitig war ich im Grunde ganz froh darüber, denn ich ging wirklich auf dem Zahnfleisch.

(Im Dezember 2022 machte ich, was ich am besten kann: Urlaub mit Safari in Tansania und Baden auf Sansibar. Erstmal die Nerven beruhigen, dachte ich, dann geht das mit den Bewerbungen auch leichter.)

Im Januar verstärkte sich die Panik, ich schrieb weiter Bewerbungen. Und bekam ein Vorstellungsgespräch. Arbeitslos?, fragte der Personaler erfreut, „dann sind Sie ja sofort verfügbar!“ Ich konnte mich gerade noch davon abhalten, „Nein!“ zu rufen. So platt es klingt, ich war noch nicht so weit. Zum Glück fiel die Wahl auf jemand anderen.

Zu meinem großen Erstaunen erhielt ich außerdem über das Portal der Arbeitsagentur auch eine Aufforderung zur Bewerbung direkt von einem Arbeitgeber. Der Job klang, nun ja, mäßig interessant und passte auch nicht wirklich zu meinem Profil. Natürlich schickte ich meine Unterlagen trotzdem hin. Reaktion: nichts. Ich bekam nicht einmal eine Eingangsbestätigung.

Mit Blick auf die oben erwähnte Liste, deren Abruf ich quasi täglich erwartete, bewarb ich mich dann immer mal wieder. Ab Herbst verstärkte ich meine Bemühungen. Jobs gab es ja durchaus, und mir war auch mehrfach versichert worden, mit meinem Profil sei es gar kein Problem, was Neues zu finden.

War es doch. Bilanz des Jahres: 24 Bewerbungen, sechs Vorstellungsgespräche, 20 Absagen. Bei drei Bewerbungen steht die Antwort noch aus, aber das dauert jetzt schon so lange, dass es garantiert Absagen werden. Ein weiteres Gespräch habe ich im Januar.

Aber ich hatte auch Erfolge! Also, einen. Bei Deepl bin ich jetzt Freelance Linguistic Editor. So kam auf Projektbasis etwas Geld in die Kasse. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Es zeigte sich sehr schnell, dass ich eine bestimmte Tätigkeit, die ich für meine Selbständigkeit anvisiert hatte, nicht hauptberuflich machen möchte.

Das Nebeneinkommen

Zum Arbeitslosengeld (ALG) darf man sich was dazuverdienen. 165 € pro Monat abzugsfrei. Was man darüber verdient, wird nicht komplett, aber weitgehend abgezogen. Und sobald man 15 oder mehr Stunden pro Woche arbeitet, gilt man nicht mehr als arbeitslos.

Natürlich verstehe ich, dass niemand ALG kassieren und nebenbei ein ordentliches Gehalt verdienen soll. Aber da es ja darum geht, die Leute schnell wieder in Arbeit zu bringen, frage ich mich doch, ob es so sinnvoll ist, Arbeit quasi zu bestrafen. Und ob ich auf der Basis eines Aushilfsjobs mit 3-5 Stunden pro Woche in ein richtiges Arbeitsverhältnis übernommen werde, ist aus meiner Sicht auch fraglich.

Jedenfalls kam ich über einen Freund unerwartet zu einer kleinen Aushilfstätigkeit, mit der ich unter der Obergrenze blieb. Es war auch nicht verkehrt, ein paar Stunden lang aus dem Haus zu kommen, etwas Handfestes zu tun und neue Leute kennenzulernen.

Doch im September nahm mich Deepl auf die Liste seiner Freelancer auf. Ein erster Auftrag folgte. Gleich mehrere hundert Euro! Selbstverständlich meldete ich auch dieses Nebeneinkommen sofort der Arbeitsagentur. So schnell konnte ich gar nicht gucken, wie mein ALG gekürzt wurde. Und natürlich gleich pauschal für den Rest der Bezugsdauer. Sauber. Dabei war ja nicht ausgemacht, dass auf den ersten Auftrag gleich der zweite folgt.

Er folgte, aber erst zwei Monate später.

Man gibt bei der Arbeitsagentur einmal (bei gleichbleibenden Einnahmen) oder monatlich (bei schwankenden Einnahmen, wie in meinem Fall) eine Meldung über sein Nebeneinkommen ab. Mein festes ALG blieb auf dem niedrigeren Stand, aber wenigstens wurde mein Anspruch monatlich nachberechnet und die Differenz ausgezahlt.


Die Maßnahmen

Was ich bei der Agentur wirklich vermisst habe: eine Begleitung. Ich möchte hier nicht den Betreuer*innen die Schuld geben. Die waren in meinem Fall alle freundlich, nett und entgegenkommend. (Liegt wahrscheinlich nicht zuletzt daran, dass ich gut ausgebildet bin und einen stabilen CV habe. Ich möchte nicht wissen, wie es Menschen ergeht, die weniger Bildung, Ressourcen, Sprachkenntnisse haben.) Wahrscheinlich haben sie einfach alle viel mehr Fälle Kund*innen, als sie gründlich bearbeiten können. Etwa 250 pro Betreuer*in sollen es aktuell sein, habe ich gehört. Und sicher hat jede*r ein paar hoffnungslose Fälle, die, aus welchem Grund auch immer, nicht oder nur schwierig vermittelbar sind.

Aber wäre es nicht sinnvoll, sich mit denjenigen Arbeitslosen, wo man jetzt nicht gleich Hopfen und Malz verloren glaubt, hinzusetzen und gemeinsam zu erarbeiten, wie der Person am besten geholfen werden kann? Wo sie hin will, was sie braucht, um sich besser zu positionieren? Welche Angebote ihr zur Verfügung stehen?

Statt dessen bekam ich Verweise auf „die Datenbank“, in der alle für den AVGS (Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein) und den Bildungsgutschein zugelassenen Maßnahmen gelistet sind, und war weitgehend auf mich gestellt.

Die Datenbank

Die Arbeitsagentur unterhält eine Datenbank für die Weiterbildungssuche. Sie hat mich schier in die Verzweiflung getrieben. In ihr sind alle Maßnahmen gelistet, die bei der Arbeitsagentur zugelassen sind. Wirklich alle. Von völlig basic bis high-level.

Es gibt ein paar Filtermöglichkeiten, aber dann hat man in vielen Fällen immer noch viel mehr Ergebnisse, als man sinnvoll durcharbeiten kann. Für „Qualitätsmanagement“ in München gibt es beispielsweise aktuell 5.528 Treffer, davon 5.507 mit Bildungsgutschein. Eine der Maßnahmen ist „Wissensmanagement“. Sie richtet sich u. a. an Qualitätsmanager*innen, bildet aber nicht in QM aus.

Screenshot aus der Weiterbildungsdatenbank der Arbeitsagentur, der noch 5.496 weitere Suchergebnisse ankündigt.
Leider echt demotivierend: noch fast 5.500 Suchergebnisse.

Ganz schön viele Maßnahmen sind mehrfach (sprich: 10x oder häufiger) gelistet, weil der Anbieter verschiedene Räume in München hat und/oder Teil- und Vollzeit anbietet. Andere gibt es in zig Variationen – mit oder ohne Projektmanagement, Business English, Wünschelrutengehen. (Letzteres kommt bestimmt bald.)

Man kann sich einzelne Maßnahmen auf eine Merkliste setzen. Diese wird aber gelöscht, sobald man das Browserfenster schließt. Ka-ching! Und so geht’s morgen wieder von vorne los.

Wie findet man, derart frustriert, also seine Maßnahme? Per Facebook-Werbung natürlich.

Und so fand ich Christiane.

Was anderes machen

Dass ich nicht unbedingt im Bereich Business Development und Wirtschaftsförderung bleiben wollte, war mir schon länger klar. Am liebsten würde ich ja was ganz anderes machen, hatte ich mir schon oft gedacht. Aber was war dieses ganz Andere? Da drehte ich mich im Kreis.

Auf Empfehlung einer Freundin hatten meine Schwester (die an einem ähnlichem Punkt war wie ich) und ich schon im Herbst 2022 ein Wochenendseminar zum Thema berufliche Umorientierung gemacht. Für meine Schwester war es ein ziemlicher Volltreffer – binnen weniger Monate war sie in der Umsetzung.

Für mich war es … nun ja. Meine Stärken kannte ich ja eigentlich schon, die Empfehlungen empfand ich als irgendwo zwischen zu vage und unrealistisch. „Ich könnte mir dich gut in XY vorstellen.“ Ja, das könnte ich auch, aber wie komme ich da rein ohne Vorerfahrung und Kontakte? Da halfen mir auch schwammige Empfehlungen wie „andere Wege der Bewerbung probieren“ nicht weiter.

Von einer ähnlichen Maßnahme, die länger als ein Wochenende dauern sollte, erhoffte ich mir fundiertere Einblicke und Anregungen. Im Vorgespräch versicherte Christiane mir auch Entsprechendes. Also beantragen. Ich hatte mich auf ein langes Gespräch mit meiner Betreuerin eingestellt und zahlreiche Argumente vorbereitet, warum dieses die richtige Wahl für mich sei. Ganz umsonst, sie stimmte sofort zu und stellte umgehend die Zuweisung aus. Allerdings bekam ich nur ein Viertel des Gesamtprogramms (das auch Bewerbungstraining und Videoanalyse beinhaltete) bewilligt, nicht mal das komplette Orientierungs-Modul war inbegriffen. Egal, Christiane hatte mir versichert, sie würde mir auch Inhalte, die über den bewilligten Umfang hinausgingen, zur Verfügung stellen, wenn ich entsprechend schnell arbeitete.

Das Orientierungs-Coaching

Schnell arbeiten kann ich, motiviert und voller Hoffnung war ich. Leider konnte das Coaching dann nicht alle meine Erwartungen so ganz erfüllen.

Das ging schon bei den vier Live-Calls los. Im ersten erzählte mir Christiane ausführlich Dinge, die sie mir schon in zwei Videos auf ihrer Lernplattform mitgeteilt hatte. Im zweiten wollte ihre Mitarbeiterin eigentlich nur wissen, ob ich Fragen hätte: zu den hinter mir liegenden Aufgaben, zur kommenden Aufgabe oder auch sonst. Nein. Somit war der auf 40 Minuten angesetzte Call nach 10 Minuten vorbei. Ich fühlte mich so ganz leicht veräppelt. Sinnvoller wäre es gewesen, diese beiden Calls zusammenzulegen und über mich statt über die Maßnahme zu sprechen.

Die Übungen und Aufgaben waren zwar alle ganz nett. Aber sie waren für eine andere Zielgruppe entwickelt – für Leute, die so gar nicht wissen, was sie können, und denen erstmal verdeutlicht werden muss, was sie eigentlich mitbringen. Die erarbeiteten Stärken deckten sich mit denen aus dem ersten Coaching, die Empfehlungen im Wesentlichen auch. Der Erkenntnisgewinn für mich war also gleich Null.

Naja, nicht ganz, den 16 Personalities Test hatte ich noch nicht gemacht. Dort bin ich Architekt.

To weiterbilden or not to weiterbilden, that is the question

Eigentlich hatte ich erwartet, dass sich meine Betreuerin relativ bald nach Abschluss der Maßnahme bei mir melden würde, um weitere Schritte zu besprechen. Es hat sich ja gezeigt, dass …, die Empfehlung war …, was haben Sie jetzt vor, wollen Sie eine Weiterbildung machen, schauen Sie sich mal dies und jenes an. Statt dessen – nichts.

Ein Vorschlag aus dem Coaching war Qualitätsmanagement. Christiane hatte mich extra mit einer anderen Teilnehmerin in Kontakt gesetzt, die sich gerade mit QM selbständig machte. Das klang zwar ganz gut, aber irgendwie hatte ich doch Bauchweh. „Also“, stieß eine Freundin mit hochgezogenen Augenbrauen hervor, „ich finde, du musst was Kreativeres machen.“ Das fasste auch meine Bedenken ganz gut zusammen.

Und das war wieder so ein Punkt, an dem ich mir etwas Begleitung von der Arbeitsagentur gewünscht hätte. Denn ich hatte keine Ahnung – wird jetzt von mir erwartet, dass ich eine Fortbildung mache? Muss ich zwangsläufig eine machen? Muss es sein, was im Coaching empfohlen wurde? Darf es was anderes sein?

Vielleicht solltest du Qualitätsmanagement für die Arbeitsagentur machen, meinte ein Freund.

Im Endeffekt habe ich keine Weiterbildung gemacht. Ich wollte nicht irgendwas anfangen, ohne ganz sicher zu sein, dass ich es tatsächlich längerfristig machen will. Denn was man davon hat, sieht man weiter unten.

Das Existenzgründungs-Seminar

Mit dem Gedanken, mich selbständig zu machen, spielte ich ja schon länger. Ich hatte bloß keine Geschäftsidee. Aber die Arbeitsagentur bietet Existenzgründungsseminare an, bei denen man über Dinge wie Businessplan, Finanzen, Recht, Steuern und Marketing unterrichtet wird. Das ist ja mal ein erster Schritt.

Die Vermittlung der Inhalte war, sagen wir es mal so, starken Schwankungen unterworfen. Eine Dozentin war wirklich enorm engagiert. Ein anderer wies mehrfach darauf hin, wie schlecht bezahlt diese (wie er es nannte) „Akquisetage“ doch seien. Fachwissen war, gerade bei ihm, auch nicht immer vorhanden.

Am interessantesten waren die Kontakte innerhalb der Gruppe. Da waren alles möglichen beruflichen Hintergründe und Geschäftsideen vertreten. Auch war es hilfreich zu sehen, dass die anderen vor ganz ähnlichen Fragestellungen standen und ebenfalls mit Blockaden kämpften. Die einen wussten genau, was sie machen wollten; bei anderen schien die Selbständigkeit eher eine Notlösung zu sein als eine echte Option. Diverse hatten schon Weiterbildungen gemacht. Eine Person hatte (auf Kosten der Arbeitsagentur) ein Programm für deutlich über 8.000 € absolviert. Sie werde jetzt erstmal in ihren ursprünglichen Bereich zurückkehren, sagte sie, das neue Thema werde sie dann „irgendwann“ dazunehmen. Ein anderer war jetzt Business-Coach, wünschte sich aber offensichtlich dringend zurück in eine Anstellung.

Das Existenzgründungs-Coaching

Zum Seminar gehören drei Einzeltermine à 90 Minuten bei einem Coach. Natürlich nahm ich die auch mit. Was mir während dieser drei Gespräche mit drei verschiedenen Coaches gesagt wurde:

  • Zu meinem geplanten Wirkungsfeld: Coach 1: „Können Sie vergessen, machen Sie lieber was anderes.“ Coach 2: „Hahaha, das sagt der immer! Können Sie schon machen, z. B. für diese Zielgruppe.“ Coach 3: „Können Sie machen, aber diese Zielgruppe ist Quatsch, es sollte eher jene sein.“
  • Zur Kombination von (Teilzeit-) Anstellung und Selbständigkeit: Coach 1 und 2: „Völlig legitim, machen Sie das ruhig.“ Coach 3: „Das zeigt mir, dass Sie nicht vollkommen hinter der Selbständigkeit stehen.“
  • Zu meinem Blog: Coach 1: lange Liste von Kritikpunkten, weil kein SEO-Blog. Coach 2: kein Interesse. Coach 3: „Schönes Bild, ist das am Landtag?“

Mein absoluter Favorit allerdings: Als ich sagte, ich sei bei einer Anstellung nicht unbedingt bereit, mich für wenig Geld zu Tode zu arbeiten, hieß es vom Coach, ich hätte zu hohe Erwartungen und sei zu unflexibel. Ob er das auch einem Mann gesagt hätte?

Nach der Existenzgründung ist vor der Karriere

Auch nach dem Existenzgründungs-Seminar erfolgte keinerlei Nachfassen der Arbeitsagentur. Für den Gründungszuschuss war ich ohnehin zu spät dran. Aber vielleicht könnte es die Arbeitsagentur interessieren, ob sie ihr Geld für eine sinnvolle Maßnahme verballert?

Statt dessen ereilte mich Ende September ein weiteres Schreiben. Da mein Arbeitslosengeld nun bald auslaufe, hätte ich die folgenden drei Möglichkeiten:

  • Bürgergeld beantragen,
  • Einfach abmelden und aus dem System fallen,
  • Gemeldet bleiben ohne Leistung.

Letzteres ist vorteilhaft für die Rentenversicherung, außerdem besteht weiterhin Anspruch auf einen Bildungsgutschein. Man hat aber auch Auflagen. Als Voraussetzung wurde mir die Teilnahme an einer von drei Maßnahmen genannt, die darauf abzielten, mich in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zu bringen. Diese Maßnahmen waren nur sehr knapp bezeichnet. Informationen, die über den Namen und die Dauer hinausgingen, gab es nicht.

Nach Rücksprache mit meiner Betreuerin entschied ich mich für das Karrierecoaching für Fach- und Führungskräfte, Modul 2. Keine Ahnung, was Modul 1 war. Auch die Inhalte waren im Flyer eher schwammig umrissen. Im Wesentlichen wählte ich diese Maßnahme, weil es die längste und intensivste war. Beratung gab es wieder keine – falls meine Betreuerin die drei Maßnahmen genauer kennt, hat sie es sich nicht anmerken lassen. Sie fragte nur, welche mich denn interessieren würde, und schickte mir den Flyer zu.

Das Karriere-Coaching

Diese dreimonatige Maßnahme begann Ende November direkt im Anschluss an das Existenzgründungs-Coaching. Sie besteht aus wöchentlichen Seminartagen sowie ebenfalls wöchentlichen Einzelcoachings.

Die Einführungsveranstaltung war leider ein Witz. Sie dauerte 20 Minuten, aber auch nur, weil alles mehrfach wiederholt wurde. Ein klarer Fall von „This could have been an email.“ Neben organisatorischen Dingen teilte man uns noch ungebeten mit, was die drei größten Fehler bei unserer Jobsuche seien:

  • Wir designen unseren Lebenslauf nicht mit Canva.
  • Wir erstellen unsere Anschreiben nicht mit KI („käi ei“).
  • Wir haben mit 120.000 € überzogene Gehaltsvorstellungen.

Gut, dann ist das ja geklärt.

Screenshot aus Canva.com mit Vorlagen für Lebensläufe.
Wie bunt und crazy hätten Sie es denn gern? Lebenslauf-Vorlagen bei Canva.

Die wöchentlichen Seminartage … tja, was soll ich sagen. Wir sind ja noch mittendrin. Und irgendwas nimmt man immer mit. Dennoch hätte man manche Inhalte auch mit einem Video vermitteln können, statt uns stundenlang in einen Raum zu pferchen. Andere wären für frischgebackene Uniabsolvent*innen wichtiger als für uns, die wir schon seit mehreren, zum Teil seit vielen Jahre im Berufsleben stehen.

Zu den Seminartagen kommen Einzelcoachings. Der Coach wird für die Dauer der Maßnahme fix zugewiesen. Diesmal hatte ich Glück. Kompetenz und Sympathie vorhanden. Als erstes machten wir einen Bewerbungs-Check, der keine größeren Probleme bei Lebenslauf und Musteranschreiben zutage förderte. Ein paar gute Anregungen waren allerdings dabei.

Das Programm läuft ohne Unterbrechung weiter, denn unser Bildungsträger arbeitet auch zwischen den Jahren voll weiter. Stay tuned for more… 😉


Quo vadis?

Wie geht es, abgesehen vom Karriere-Coaching, weiter? Das Jahr läuft aus, ebenso das ALG. Dafür ist der Energiespeicher wieder gut gefüllt – so gut, dass ich mich erneut mit dem Thema Weiterbildung beschäftige. Vielleicht finde ich da eine gute Möglichkeit, wenn mir die Datenbank nicht zuvor den Lebenswillen raubt. Ideen habe ich jedenfalls.

Über eine Freundin kam ich Ende des Jahres mit einer Arztpraxis in Kontakt, die dringend Unterstützung sucht. Komplettes Neuland für mich, aber sehr spannend. Wir werden uns im Januar genauer miteinander beschäftigen. Mal sehen, was daraus wird.

Und dann schauen wir weiter.

Im vergangenen Jahr hat sich viel verändert, im kommenden Jahr wird sich sicher auch weiterhin viel verändern.

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