Agra – besser bekannt als der Ort, in dem das Taj Mahal steht – war der gedankliche Ausgangspunkt für die Planung meiner Reise durch das Goldene Dreieck und Nepal gewesen. Die Hauptstadt der Großmoguln Akbar, Jahangir und Shah Jahan (16. und 17. Jahrhundert) platzt heute leider aus allen Nähten vor Verkehr, ihre Monumente sind aber visuell noch immer umwerfend. Im Endeffekt verbrachte ich, aus Jaipur kommend, hier nur eine Nacht. Immerhin – denn viele Gäste kommen als Tagesausflügler z. B. aus Delhi, um lediglich das Taj Mahal zu sehen.
Weil ich vergleichsweise wenig Zeit hatte, hatte ich mich beim Transport für die angenehmste Lösung entschieden: car & driver, organisiert durch den Guide in Agra. Weiterer Vorteil: Zwischenstopps sind unterwegs problemlos möglich. Und ich wollte den Stufenbrunnen von Abhaneri und Fatehpur Sikri sehen.
Pünktlich um 7 Uhr morgens fuhr Pradeep in Jaipur vor. Auf geht’s. Und siehe da: Sobald man aus Jaipur raus ist, sind die Straßen plötzlich relativ leer. Wir schnurrten über den Highway in Richtung Osten.

Abhaneri: Indiens größter Stufenbrunnen
Abhaneri ist ein kleiner Ort ca. 100 km östlich von Jaipur. Hier steht Indiens größter Stufenbrunnen Chand Baori.
In ganz Indien gibt es etwa 400 Stufenbrunnen – davon 300 in Rajasthan. Ich habe es auf dieser Reise zu dreien geschafft: in Jaipur, in Agra und in Delhi. Es gibt übrigens auch eine App nur für Stufenbrunnen: Stepwell Atlas.
Alle Stufenbrunnen sind unterschiedlich gebaut. In Abhaneri geht es 13 Ebenen nach unten. Der Brunnen war außerdem Sommerresidenz des Königs. Es gibt hier eine kleine Bühne für Tanzvorführungen. Diese wird heute hauptsächlich von den anwesenden Tauben genutzt.





Neben dem Stufenbrunnen steht der Harshad Mata Tempel. Dieser wurde in der Vergangenheit von angreifenden muslimischen Truppen und Erdbeben stark beschädigt. Die geretteten Bruchstücke von Säulen und Friesen stehen ebenfalls auf dem Gelände des Stufenbrunnens.


Der Tempel wurde zwar wieder aufgebaut, ist aber deutlich kleiner als früher. Er ist frei zugänglich. Schöne Atmosphäre, so wahnsinnig viel gibt es aber nicht zu sehen.


Fatehpur Sikri
Mein zweites Ziel auf dem Weg nach Agra war Fatehpur Sikri, die ehemalige Hauptstadt des Mogulreichs. Die Stadt wurde 1571 von Akbar gebaut und bereits 14 Jahres später wieder verlassen. Mit ein Grund, wenn nicht sogar Hauptgrund dafür, war der Mangel an Wasser. Die Reichtümer der Stadt wurden weitgehend geplündert, aber die Gebäude stehen noch.
Um hier nicht ahnungslos durch die Gegend eiern zu müssen, hatte ich meinen Guide in Agra gefragt, ob er mich wohl in Fatehpur Sikri treffen und die Stätte zeigen könne. Das ist übrigens durchaus empfehlenswert, denn die Anlage ist wirklich groß und der Zugang nicht ganz offensichtlich. Die Fahrer bleiben in der Regel bei den Autos, weil es auf dem Parkplatz immer mal wieder Blechschäden gibt. Und natürlich ist der ganz große Vorteil, dass man nicht die ganze Zeit Guideangebote (und Betrugsversuche) abwimmeln muss.
Gegen Mittag rollten wir in Fatehpur Sikri ein, und der Guide stieg wie verabredet ins Auto: „Myself, Mohammed“ stellte er sich vor. Der sieht ja viel jünger aus als auf der Website, dachte ich verwundert – und irgendwann dämmerte mir: Das war gar nicht der Guide, den ich gebucht hatte.
Der hatte mich wohl weiterverkauft, ohne mich darüber zu informieren.
Ja, so kann es gehen. Ich war ganz schön sauer.
Fatehpur Sikri selbst fand ich trotzdem absolut lohnend. (Alle Fotos von mir ab hier: Mohd. Riyaz.) Mir ist zwar immer noch nicht klar, wie man eine ganze Stadt bauen kann, ohne zu kapieren, dass es da kein Wasser gibt. Aber die Mühe, die sie sich für diese Stadt gemacht haben, ist wirklich phänomenal.






Akbar, so heißt es, hatte drei Frauen: eine muslimische, eine hinduistische und eine christliche. Für jede hat er einen eigenen Palast bauen lassen. Das mit der christlichen Frau stimmt wohl nicht (siehe z. B. Wikipedia über Mariam-uz-Zamani). Ich habe mich schon vor Ort gefragt, welche rechtschaffene Katholikin erstens einen Moslem und zweitens einen Mann mit mehreren Ehefrauen geheiratet hätte. Mein (muslimischer) Guide meinte dazu nur, das sei kein Problem gewesen, Akbar hätte schließlich mehrere Frauen haben dürfen.



Etwas abseits von der Palastanlage gibt es noch den heiligen Komplex mit der Freitagsmoschee.




Agra: Taj Mahal & Rotes Fort
Etwa eine weitere Stunde Fahrt entfernt wartete Agra auf uns. Mohammed wollte mich, wie jeder ordentliche Guide, erstmal ins Hotel bringen. Ich hielt das für unnötig und wollte die Zeit lieber für Sightseeing nutzen. Baby Taj? Er sah mich nur müde an. Ist genau wie das Taj Mahal, nur kleiner, und kostet 300 Rupien. Aha. Spätestens hier merkt man schon: Er war nicht der größte Glücksgriff.
Stattdessen wollte er mir unbedingt Zardozi zeigen: Stickereien mit Metallfäden. Natürlich in einem Laden. Der war zwar wie versprochen „no pressure„, aber irgendwie doch Zeitverschwendung. Denn die Sachen – alles Handarbeit, angeblich gibt es noch 175 Menschen, die diese Arbeit beherrschen – sind natürlich toll, aber wo soll ich mir einen gestickten Pfau an die Wand hängen? Wir blieben nicht übermäßig lang.
Ich wollte am Abend unbedingt nach Mehtab Bagh auf der anderen Seite des Flusses. Dieser Garten, von dem auch man einen sehr schönen Blick auf das Taj Mahal hat, ist nun auch kein wirklicher Geheimtipp mehr, gerade abends. Und auch kein wirklicher Garten mehr. Es war mal einer in der Mogulzeit. Heute ist er Fotospot für die Touris.
Bei der An- und Abfahrt kommt man gleich mal an so einer Art Slum vorbei, sieht ein bisschen Dorfleben und vielleicht auch ein Fotokamel.


Und da ist er, der erste Blick aufs Taj Mahal!

Erst kurz zuvor hatte es Überschwemmungen gegeben – auch in Indien wird das Wetter immer extremer. Die Überreste dieser Überschwemmungen lagen noch am Ufer herum.

Das Taj Mahal sieht von allen vier Seiten gleich aus und erweckt je nach Perspektive den Anschein zu schweben. Wem der Blick vom anderen Ufer reicht, hat es hier deutlich ruhiger und günstiger als auf der anderen Seite. Was man in meinen Fotos übrigens nicht so gut sieht, ist der Maschendrahtzaun, der die Menschen vom Ufer fernhält – und die Kette, die sie vom Zaun fernhält!!

Danach wollte dann auch ich ins Hotel. 🙂
Agra ist aus naheliegenden Gründen Touri Central. Das spiegelt sich auch in den Übernachtungspreisen wider. Das Oberoi, ohnehin sehr hochpreisig, kassiert gleich mal vierstellige Eurobeträge pro Nacht. Ich hatte mich ganz in der Nähe im Coral Court Homestay eingemietet. Schönes Zimmer, schöne Dachterrasse (kein Blick aufs Taj), nur das Essen war so ziemlich das langweiligste, was ich in Indien hatte. Das ist der Preis, den man für die Bequemlichkeit zahlt.
Taj Mahal
Am nächsten Morgen sprang ich früh aus den Federn, um … na, was wohl? Natürlich das Taj Mahal zu besuchen.

Durch die Dunkelheit liefen wir zum East Gate, etwa 15 Gehminuten entfernt. Bald öffneten sich die Tore … Ticketkontrolle … Sicherheitskontrolle … und schon standen wir am Great Gate.

Um uns herum waren zu diesem Zeitpunkt so viele Leute, dass ich fast einen Vogel kriegte. Auf dem großen Geländer verläuft es sich ganz gut, aber auf den Hauptachsen ist es voll wie auf dem Oktoberfest. Im Laufe des Tages kommen auch immer mehr Leute. Ruhiger wird es tagsüber nur im Hochsommer, wenn es unerträglich heiß ist.


Dann gibt es natürlich auch immer die Fotospots, von denen aus man einen besonders guten Blick hat. Hier stehst Du Schlange, aber es wird ausnahmsweise mal nicht gedrängelt.

Die meisten Gäste kommen auf mehr oder minder direktem Wege schließlich am Mausoleum an. Hier geht es nur mit Schuhüberzug weiter. Im Mausoleum sieht man nur die Kenotaphen, also leere Sarkophage. Die tatsächlichen Gräber befinden sich im Untergeschoss.





Immerhin war es ziemlich klar. Und als die Sonne aufging, sorgte der Dunst für eine schöne Atmosphäre. Später im Winter kann der Nebel so dicht sein, dass man das Taj gar nicht sieht. Da muss erst die Sonne die Sicht freibrennen.

Mohammed wirkte leider ausgesprochen lustlos. Seine Erklärungen wiederholten sich regelmäßig – wenn ich mir eines gemerkt habe, dann das: Für die Farben wurden „kostbare Edelsteine, Smaragd, Saphir, Rubin“ zerstoßen. Zudem wollte er mich recht bald wieder ins Hotel bringen und weigerte sich, abgesehen vom Mausoleum noch etwas anderes mit mir anzusehen: „Die Moschee ist geschlossen, geh halt zum Gästehaus, da hast du den gleichen Blick.“
Das Gästehaus ist übrigens wirklich schön.



Und wie fand ich das Taj Mahal, so ganz allgemein gesprochen?
Es ist natürlich total schön und beeindruckend und interessant im sich ändernden Licht. Aber so richtig umgehauen hat es mich nicht. Da haben mir Fatehpur Sikri und das Agra Fort besser gefallen. Ich würde wiederkommen unter der Prämisse, mehr Zeit für Fotos und Peoplewatching zu haben, statt einfach nur die „Standardrunde“ zu drehen.
Agra Fort
Genau wie sein Gegenstück in Delhi, das Rote Fort, ist das Agra Fort aus rotem Sandstein gebaut. Es wurde in den Jahren 1565 bis 1573 errichtet und später von den Briten genutzt. Mit militärischen Einrichtungen habe ich es eigentlich nicht so 😂, aber das Fort war wirklich beeindruckend.








Um kurz nach 11 Uhr war ich wieder in meiner Unterkunft. Nun hatte ich noch den ganzen Nachmittag vor mir, bis um 17:30 Uhr mein Zug nach Delhi ging. Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. 🙄🙄🙄 Der Innenhof meines Homestays war zwar hübsch, auf die Dauer aber auch etwas langweilig. Aber in der Nähe war der Taj Nature Walk (150 Rupien). Das ist so eine Art Park, durch den ein betonierter Weg führt. Es gibt Bänke, Spielplätze und Restaurants. An zwei Stellen sieht man das Taj Mahal und mit ein bisschen Glück auch ein paar Tiere. Bei mir waren es nur streunende Hunde und dieser grüne Papagei.

Am Bahnhof kam ich schließlich 40 Minuten vor Abfahrt des Zuges an. Der Verkehr in der Stadt war nicht so schlimm gewesen, dafür wuselte es schon auf dem Bahnhofsvorplatz so, dass ich kaum zum Bahnsteig durchkam. Und dann muss man vor lauter Leuten erstmal die Überführung zu den anderen Gleisen finden. Luxusprobleme! 😅 Netterweise half mir ein britischer Tourist mit dem Gepäck, als die Rolltreppe ausfiel.

Danach hatte ich reichlich Zeit, die ellenlangen Züge zu betrachten und über die Routen zu staunen. Ich hätte auch nach Kolkata fahren können, das dauert so um die 19 Stunden. Vielleicht beim nächsten Mal.
Der Zug nach Delhi kam pünktlich. Zwei Stunden später rollten wir in der Hauptstadt ein.