Im Blogparaden-Herbst 2023 muss ich natürlich alles mitnehmen, was mit Sprache zu tun hat. Da kommt mir Kerstin Salvadors Thema Rechtschreibung und ich – (k)eine Liebesgeschichte gerade recht.
Beim Thema Rechtschreibung muss ich immer an den alten Witz denken: Die Lehrerin sagt zum Schüler, er solle halt in den Duden schauen, wenn er sich nicht sicher ist, wie ein Wort geschrieben wird. Worauf der Schüler sagt: „Aber ich bin mir doch immer ganz sicher.“
So geht es mir auch meistens.
Rechtschreibung, mon amour
Ich gehöre zu den glücklichen Menschen, denen Rechtschreibung immer leicht fiel. Das liegt vermutlich daran, dass ich gut textbasiert lerne und bei uns in der Familie immer viel gelesen wurde. Auch meine Grundschullehrerin nahm die Vermittlung der korrekten Schreibweise sehr ernst.
Warum so viele meiner Mitschüler*innen Probleme mit der Rechtschreibung hatten, auch bei alltäglichen Wörtern (heißt es „Vater“ oder „Fater“?), war mir rätselhaft. (Heute denke ich mir, dass sicher bei einigen Legasthenie diagnostiziert worden wäre, wenn das damals schon so ein Thema gewesen wäre.) Noch weniger konnte ich allerdings nachvollziehen, dass es manchen ziemlich schnuppe war, ob sie korrekt schrieben oder nicht.
Auch in den Fremdsprachen klappte es bei mir ganz gut. Im Englisch gab es eine Phase, in der ich sehr damit zu kämpfen hatte, „their“ (ihre), „there“ (dort) und „they’re“ (sie sind) auseinander zu halten – also drei Wörter, die gleich ausgesprochen werden, aber ganz unterschiedliche Bedeutungen haben. Französisch ging auch gut, unser erster Lehrer übte viel Schreiben mit uns. Da ich Spanisch hingegen hauptsächlich gesprochen im spanischen Alltag lernte und auch in unserem Kurs nicht so viel geschrieben wurde, tue ich mich mit dem Schreiben dieser Sprache tatsächlich ziemlich schwer.
Wie wichtig ist mir Rechtschreibung?
Total wichtig!
Ich habe den Ehrgeiz, selber fehlerfreie Texte zu produzieren. Das klappt natürlich nicht immer. Wenn ich einen neuen Artikel vor der Veröffentlichung mehrfach gegenlese, sehe auch ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Zum Glück gibt es ja nette Mitbloggerinnen oder meine Schwester, die mich dann auf die Fehler hinweisen.
In fremden Texten sehe ich Fehler, ob Rechtschreibung, Zeichensetzung, Stil oder Logik, ziemlich verlässlich auf den ersten Blick (hilfreich, da ich ja auch Lektorat und Korrektorat anbiete). Sie stören mich genauso wie uneinheitliche Formatierungen, beispielsweise bei Listen oder in Powerpoint-Präsentationen. Wieso sehen das andere Menschen nicht? Ich weiß es nicht.
Wenn offensichtliche Schnitzer in Qualitätsmedien auftauchen, ziehe ich schon stark die Augenbrauen hoch. Inzwischen finden sich sogar im Economist Fehler. Ich dachte, da sollte jemand oder zumindest ein Programm über die Texte gucken, bevor sie in Druck gehen? Vor vielen Jahren habe ich mal ein Buch beinahe weggelegt, weil es kaum lesbar war. Dabei handelte es sich um eine Dissertation! Offensichtlich hatte der Verlag beschlossen, dass ein Lektorat in diesem Fall überflüssig sei. Falsch. (Inhaltlich war es leider auch kein Hauptgewinn.)
Oft heißt es ja „Hauptsache, man versteht, was gemeint ist“. Das halte ich nicht für einen ausreichenden Standard in puncto Rechtschreibung. Denn versteht man wirklich immer, was gemeint ist? Und selbst wenn, ist es wirklich so egal? Wenn irgendwo auf zwei Seiten mal ein Buchstabendreher ist, klar, dann ist der Satz weiterhin verständlich. Aber wenn der Text voller Fehler ist, wird er für mich zur Buckelpiste. Vielleicht verstehe ich ihn, aber es macht mir definitiv keinen Spaß, ihn zu lesen. Außerdem, ganz im Ernst: Wenn ich beispielsweise für ein Buch einiges an Geld bezahle, dann will ich auch ein entsprechend wertiges Produkt haben – ohne Fehler. Und sobald wir ins Wissenschaftliche oder Technische kommen, können Tippfehler schlimmstenfalls Leben gefährden.
Die kulturelle Komponente
Ich bin – das wird jetzt wohl niemanden überraschen – eine „typische Deutsche“, die Tippfehler auch in E-Mails ausbessert. Diesen Ruf haben wir ja im Ausland – und natürlich wird der Fehlerfreiheit im Land der Dichter, Denker und Ingenieure ein großer Stellenwert beigemessen.
Als ich noch in der Handelsförderung arbeitete, habe ich von meinen kanadischen Kund*innen manchmal Unterlagen auf den Tisch bekommen, die haarsträubend waren. Die Rechtschreibung war zwar meist ganz ok, aber der Satzbau war unterirdisch und eine logische Anordnung der Inhalte nicht zu erkennen. Ich habe versucht zu erklären, dass Nonchalance und Chaos im Text von Deutschen leicht als Hinweis auf Nonchalance und Chaos beim Produkt gelesen wird. Und dass die Deutschen Nonchalance und Chaos in ihren Geschäftsbeziehungen wenig schätzen. Ich stieß nicht immer auf Verständnis.
Die Rechtschreibreformen
Wahrscheinlich war meine eigene Leichtigkeit in Sachen Rechtschreibung auch der Grund, warum ich den Sinn vieler Rechtschreibreformen nicht nachvollziehen konnte. Ist „Känguru“ wirklich so viel leichter zu lernen als „Känguruh“? „Guttun“ sieht doch einfach falsch aus. Und dass „ß“ zum Teil, aber nicht immer durch „ss“ ersetzt wurde, hat zumindest für mich die Verwirrung nur erhöht. Heute tippe ich „dass“, schreibe von Hand aber „daß“. Das doppelte s von Hand zu schreiben, fühlt sich falsch an. Da sitzt mir wohl noch meine Grundschullehrerin in den Knochen.
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