Sehnsuchtsort: Utah

Dies ist mein Beitrag zur Blogparade „Sehnsuchtsorte rund um die Welt: Wohin zieht es mein Herz und warum?“ von Susanne Heinen. Ich muss nicht lange überlegen, dazu fällt mir sofort Utah ein.

(Schau Dir auch gerne meine eigene Blogparade zum Thema ReiseLearnings: Was ich auf Reisen (über mich) gelernt habe an! 🙂 )

Warum Utah?

Mit 16 verbrachte ich drei Monate in den USA als foreign exchange student. Die große Frage bei solchen Austauschen ist ja immer: Wohin komme ich? Viele träumten damals von Städten wie New York oder Los Angeles oder Tropenparadiesen à la Florida oder Hawaii. Ich fand: Ort egal. Hauptsache, die Gastfamilie ist nett. „Vielleicht kommst du ja nach Alaska“, bemerkte ein Mitschüler mit maliziösem Grinsen.

Es wurde Utah. Magna, UT 84044.

Von Utah hatte ich schon mal gehört, da lebten doch diese Mormonen, oder? Aber wo lag das genau? Irgendwo im Westen?

„Da haben Sie ja das landschaftlich schönste Stück erwischt“, sagte meine Englischlehrerin. Mein Vater stimmte zu und überreichte mir den Moon Travel Guide Utah. Dieser war recht dick und wohl ein Hinweis darauf, dass es in diesem Staat einiges zu sehen und erleben gab. Auch wenn im Diercke Weltatlas davon nichts zu erahnen war.

Bald würde ich es herausfinden. Ich packte meine Koffer und machte mich auf den Weg.

Utah 1992

Den Flug absolvierte ich gemeinsam mit Franzi und (bis New York) mit Camilla. Es wurde sehr aufregend. Die anderthalb Stunden Umsteigezeit in Newark reichten hinten und vorne nicht. Mit Ach und Krach und nur dank der Intervention einer Dame vom Bodenpersonal erreichten Franzi und ich unseren Anschlussflug nach Chicago und von dort weiter nach Salt Lake City. Camilla hatte weniger Glück. Sie musste in New York übernachten und am nächsten Tag weiterfliegen.

Bis Salt Lake (der Connaisseur lässt das „City“ lässig weg) hatten Franzi und ich uns wieder beruhigt und freuten uns auf die Abenteuer, die uns erwarteten. Als der Pilot beim Landeanflug abends um halb neun mitteilte, die Außentemperatur läge bei ninety-five degrees, rissen wir die Augen auf. Das waren ja … 35 Grad Celsius? Damit hatten wir nicht gerechnet.

Willkommen in der Wüste.

Im Ankunftsbereich hatte ich dann gleich den nächsten Schock. Unter einem „Welcome Julia“-Schild standen dort vier Kinder, aufgereiht wie die Orgelpfeifen, und dahinter ein Mann, der so breit war wie alle Kinder zusammen. Mein Gastvater Glenn war ein sogenannter „big guy“ und definitiv der dickste Mensch, den ich bis dahin jemals gesehen hatte.

Er hatte nicht nur einen enormen Körperumfang, sondern auch ein enormes Herz.

Magna, das Kaff, in dem ich die nächsten drei Monate verbringen sollte, liegt westlich von Salt Lake. Es war nicht viel los. Das traf im Grunde genommen auf den Großteil des Staates zu. Der war dünn besiedelt und mormonisch geprägt – die Mormonen sind sehr familienorientiert und nicht unbedingt für wilde Partys bekannt. Meine Gasteltern hatten wenig bis kein Geld; so war an große Ausflüge leider nicht zu denken. Mein Moon Travel Guide lag weitgehend unbenutzt auf dem Nachttisch.

Natürlich hatte ich in ihm geblättert und von den ganzen Naturwundern im Süden gelesen: Zion National Park und Bryce Canyon National Park sind die bekanntesten. Aber im Grunde ist der gesamte südliche Teil Utahs ein Flickenteppich aus national parks, state parks, national forests, national conservation areas, etc.

Davon sah ich leider nichts. Zwar wusste ich damals noch nicht, dass ich später mal gerne wandern gehen sollte. Aber an der Natur war ich schon immer interessiert, und diese bizarren Felsformationen hätte ich sehr gerne gesehen. Im Oktober kamen die Eltern meiner Gastmutter zu Besuch und erklärten sich bereit, mich eine Woche lang bei sich in Los Angeles zu beherbergen. Wir schnurrten die I-15 entlang Richtung Kalifornien, nonstop vorbei an den ganzen Ausfahrten zu den Parks. Ich schaute sehnsüchtig die Schilder an.

Da muss ich irgendwann hin, das wusste ich.

Utah 2018

Es sollte lange dauern, bis ich meine Pläne endlich umsetzen konnte. Im Frühjahr 2018 landete ich in Las Vegas, um mit einer kleinen, internationalen Reisegruppe zwei Wochen lang verschiedene Parks im Südwesten der USA zu besuchen. Natürlich wandernd!

Als wir uns nach zwei Tagen im Death Valley endlich der state line, der Bundesstaatengrenze, zu Utah näherten, wurde ich immer aufgeregter. Unser Guide hatte sich überreden (einschüchtern?) lassen und hielt am Welcome to Utah Schild, damit ich ein schnelles Selfie machen konnte …

… und dann waren wir auch schon auf dem Weg zum Zion NP.

Und was soll ich sagen? Es war alles wert. Die stundenlangen Autofahrten. Den unglaublich nervigen Guide, der uns alle täglich an unsere Grenzen brachte (wie Rob es formulierte: „Wir sind alle introvertiert, und er ist extrovertiert.“). Das mäßige und teure Essen, die ewigen Pappsandwiches zu Mittag. Die Wetterextreme mit 40 Grad im Death Valley und Schnee am Grand Canyon.

Es fühlte sich an, wie nach Hause zu kommen.

Utah hat sich seit den 90ern stark verändert. Es gab überall Alkohol und Coffeeshops, und offenbar ist auch der nicht-mormonische Anteil der Bevölkerung stark angestiegen. So ein bisschen Heterogenität schadet ja auch nicht.

Natürlich ging es bei dieser Reise um die Parks. Ich hatte ein bisschen Schiss, dass ich mir das Erlebnis durch das lange Daraufhin-Fiebern versaut haben könnte. Schließlich kann die Realität nicht immer mit der idealisierten Vorstellung mithalten. Aber meine Befürchtungen waren völlig umsonst. Die Realität war umwerfend.

Utah 20??

Utah ist immer noch ein absoluter Sehnsuchtsort. Wenn Geld und Zeit keine Rolle spielten, würde ich mit einem Mietwagen am liebsten mehrere Monate durch die Parks in Utah und den angrenzenden Staaten tingeln. Einfach ganz in Ruhe schauen. Bisschen wandern, bisschen sitzen, die Aussicht genießen und die Eindrücke wirken lassen. Ich könnte mich sogar mit dem Gedanken anfreunden zu campen!! Ich!! Also, zumindest gelegentlich mal.

Wenn also jemand Geld abzugeben hat, bitte melden. Für die Zeit sorge ich dann schon. Gerne auch im Rahmen meines Angebots Urlaubs-Outsourcing.

Die Parks

Die Faszinierende an den Parks war einfach die Vielfalt. Man fährt eine bis drei Stunden (also nach amerikanischen Maßstäben eine kurze Strecke) und ist in einer völlig anderen Welt. Anderes Gestein, andere Felsformationen, andere Ausblicke. Ich hätte in jedem Park mehrere Wochen verbringen können.

Zion National Park

Mit mehr als fünf Millionen Besuchern pro Jahr zählt Zion zu den beliebtesten Parks in den USA. Damals wurde daher überlegt, die Besucherzahlen mittels Zugangsbeschränkungen einzugrenzen. Im Park fahren Shuttlebusse, und Privatfahrzeuge sind (weitgehend) verboten, weil es sonst nur Stau gäbe. Aber es ist ja auch kein Wunder, denn die Landschaft ist einfach überwältigend.

Das sieht man von der Straße aus.

Die meisten Besucher*innen, gerade die etwas betagteren, schienen sowieso nur an den zahlreichen Restaurants im Park interessiert zu sein. Das war mir auch schon Jahre zuvor im Yosemite NP aufgefallen. Es ist völlig normal für Amerikaner, mehrere Stunden Anfahrt auf sich zu nehmen, um in einem Restaurant im Nationalpark zu essen und dann direkt wieder nach Hause zu fahren.

Sobald man sich mehr als 100 Meter vom Parkplatz entfernt, sind kaum noch Menschen unterwegs. Auf den Wanderwegen ging es entspannt zu. Abgesehen vom Angels Landing Trail vielleicht. Dieser gilt als einer der gefährlichsten, aber auch spektakulärsten Wanderwege des Landes.

Ein Schild warnt vor Gefahren auf dem Angels Landing Trail.

Zunächst läuft man bequem auf breiten, betonierten Serpentinen. Doch dann geht es auf einem sehr schmalen Weg weiter, wo man sich nur an Ketten hochzieht.

„Oh mein Gott, da geh ich nicht rauf!“, rief ein gestandener Mann entsetzt, während eine Fünfjährige wie eine Bergziege nach oben kletterte …

Und es bleibt schmal … und rechts und links geht es Hunderte Meter in die Tiefe.

Julia Pracht auf dem Angels Landing Trail.

Damit habe ich zum Glück gar kein Problem. An die Details der Wanderung, insbesondere die wirklich haarigen Stellen, kann ich mich trotzdem nicht erinnern. An das irre Gefühl, ganz oben zu stehen, hingegen schon. 😎

What a view! Der Blick in den Zion Canyon.

Anderthalb Tage waren viel zu wenig Zeit. Ich schaffte noch ein paar weitere kurze trails, definitiv mehr als meine Mitreisenden, die sich ins Hotel fahren ließen und dort ermattet in die Sessel sanken (abgesehen von Doug, der mit 69 Jahren die Berge hinaufeilte, als stünde er auf einer Rolltreppe).

Wanderer auf dem Emerald Pools Trail, Zion Nationalpark, Utah.
Der Emerald Pools Trail ist einer der leichten Wege im Zion NP. Er führt einen zu den gleichnamigen Tümpeln.
Überhaupt gibt es ziemlich viel Wasser und daher auch Pflanzen in Zion.
Zugang in die Schlucht "The Narrows" im Zion National Park.
Da geht’s in die Narrows … Auf die habe ich verzichtet.
Pizza mit Blick auf die Berge im Zion National Park.
Pizza never tasted so good!
Der "western skink" (Plestiodon skiltonianus) ist eine Eidechse mit auffällig blauem Schwanz.
Kriegt man wohl nur selten zu Gesicht: ein western skink (Plestiodon skiltonianus).

Bryce Canyon National Park

Poetry in Stone„, so beschreibt der Nationalparkservice Bryce Canyon, das zweite Schwergewicht unter den Nationalparks in Utah. Bryce ist gar nicht so weit von Zion entfernt und doch optisch komplett anders. Der erste Unterschied: Man fährt nicht in den Canyon hinein und schaut nach oben. Sondern man kommt oben an der Kante an und schaut in den Canyon hinab. Man kann auch absteigen, so ähnlich wie am Grand Canyon, aber es geht nicht so tief hinunter. Die Farben sind ganz anders als in Zion, die Formationen, alles. Hier gibt es hoodoos, also durch Erosion entstandene Säulen. Etwas weiter nördlich im östlichen Alberta (Kanada) gibt es die auch.

Julia Pracht am Aussichtspunkt ins Bryce Canyon Amphitheater.
Bis hierher schafft es fast jeder: Aussichtspunkt ins Bryce Canyon Amphitheater.

Ich hatte schon viele Fotos von Bryce gesehen und fand: Irgendwie sieht da alles gleich aus. Bisschen langweilig. Aber als ich dann da war, war ich hin und weg. Ein paar Stunden waren viel zu wenig.

Hoodoos, soweit das Auge reicht. Und doch ständig neue Ansichten.
Julia Pracht auf einem Wanderweg im Bryce Canyon National Park.
Ein knorriger, vertrockneter Baumstamm vor hoodoos im Bryce Canyon National Park.
Chipmunk im Bryce Canyon.
Just chillin‘ … und vielleicht fällt den Menschen ja eine Nuss aus der Tasche.
Panoramablick über den Bryce Canyon.

Arches National Park

Arches stand auf meiner Liste ganz oben. Der Sandstein ist hier in viele Bögen und Brücken erodiert, was spektakulär aussieht, aber auch gefährlich ist: Es bricht immer mal wieder was zusammen.

Am bekanntesten ist Delicate Arch, der auch auf den Nummernschildern in Utah abgebildet ist. Delicate, weil er halt doch auch sehr zerbrechlich ist – und gleichzeitig ist er viel größer und massiver, als er auf Fotos aussieht.

Julia Pracht am Fuß des Delicate Arch, Arches National Park, Utah, USA.
Was für ein WOW!-Moment. Ich bin der kleine Fleck rechts unten. Foto: Rob Buckley.
Auf den Bergen im Hintergrund sieht man schon den Schnee, vor dem auch wir wenige Tage später flüchten sollten.
Definitiv ein Lieblingsbild von dieser Reise. Keine Ahnung, wie mein Handy das so gut hingekriegt hat.

Hier hätte ich alleine schon einen ganzen Tag verbringen können. Einfach nur, um zuzusehen, wie sich die Optik im Laufe des Tages durch den Weg der Sonne verändert.

Auch sonst fand ich den Park faszinierend. Wie immer auf dieser Reise: Es hätte viel mehr Zeit geben müssen.

Es gibt nicht nur Bögen und Brücken im Arches NP.
Aber eben doch viele.
Und auch ein paar Blüten.
Und photo ops. Foto: Rob Buckley.

Canyonlands National Park & Dead Horse

Hier werden es dann schon merklich weniger Besucher.

Den Aussichtspunkt für Island in the Sky nehmen die meisten noch mit, die hier vorbeikommen, denn er ist direkt an der Straße.

Zum Mesa Arch hingegen muss man eine Viertelstunde zu Fuß gehen. Das ist ja für viele schon zu viel verlangt. Ich finde, es lohnt sich auf jeden Fall.

Mesa Arch im Canyonlands Nationalpark, Utah.
Der Mesa Arch ist doch kleiner, als er auf Bilder erscheint.
Julia Pracht im Canyonlands Nationalpark, Utah.
Und das ist der Blick ins Tal hinter dem Mesa Arch. Foto: Rob Buckley.

Direkt außerhalb des Canyonlands National Park ist der Dead Horse Point State Park. Unser Guide kannte den nicht?! Zum Glück hat Peter ihm nachdrücklich kommuniziert, dass er dort gerne anhalten würde. Waren ja auch nur 50 Kilometer Umweg oder so. 😂 Die Rangerin guckte auch ziemlich verblüfft, als wir da am späten Nachmittag anrollten. Und, was soll ich sagen …

Blick auf die Flussbiegung am Dead Horse Point und die umliegenden Berge.
Das hat den Umweg auf jeden Fall gelohnt.

Nicht mehr Utah, aber …

… zu schön, um sie hier nicht zu zeigen. Wir waren noch in ein paar anderen Parks. Es war eine echt intensive Reise mit vielen Eindrücken.

Blick ins Monument Valley: West Mitten Butte, East Mitten Butte und Merrick Butte.
Monument Valley. Das sieht ja wirklich so aus! 😲
Enge, gewundene Felswände im Antelope Canyon.
Ein slot canyon muss natürlich auch sein. Wir waren im Antelope Canyon. Hammer.
Blick auf den Grand Canyon.
Am Grand Canyon. Es war extrem diesig und natürlich voll. Stau schon auf der Zufahrtsstraße. Am nächsten Tag lag Schnee.
700 Meter tiefer, bei den Havasu Falls. Unglaublich schön.
Eine Eidechse in Havasu.

Noch Fragen, warum ich die Gegend so faszinierend finde?

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Kategorisiert in Reisen

7 Kommentare

  1. Liebe Julia, ich war 2016 dort und ich habe solche Sehnsucht, wieder hinzufahren. Bryce Canyon, Zion, Nationalpark und Monument Valley, einfach großartig. Mich hat noch das Death Valley und vor allen Dingen die riesigen Bäume im Sequoia Nationalpark völlig von den Socken gehauen.
    Danke für die Erinnerung und die wunderschönen Bilder ❤️🥰

    1. Liebe Hilkea, schön, dass ich Dich auf diesem Wege „mitnehmen“ konnte. Das Death Valley fand ich auch sehr beeindruckend (leider war es brüllheiß, kaum auszuhalten), in Sequoia war ich leider noch nicht. Herzliche Grüße, Julia

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