Monatsrückblick September 2025: Alte Freunde, neue Risse

Der September fing an, wie der August geendet hatte: mit einer Reise. Das sind mir ja ohnehin die liebsten Übergänge. Allerdings war das nicht die einzige aufregende Zeit in diesem allgemein sehr abwechselungsreichen Monat. Eigentlich steigt im September die Spannung in München kontinuierlich an, bis sie sich endlich im Oktoberfest entlädt. Mein Weg führte mich jedoch nicht in die Bierzelte, sondern in andere Hallen, in denen Menschen herumlaufen, die irgendwie alle gleich gekleidet sind – ins Krankenhaus.

Back in the USSR UK

Sechs Jahre lang bin ich nicht in Großbritannien gewesen. Es hat sich seit Covid einfach nicht ergeben. Eigentlich wollte ich im letzten Jahr nach London fahren – es war das zehnjährige Jubiläum meines Umzugs dorthin. Klappte auch nicht. Aber jetzt endlich.

Nachdem ich im August in Schottland angefangen hatte, rollte ich am 2. September mit dem Caledonian Sleeper in London ein und fuhr direkt weiter nach Oxford. Die Stadt ist zwar nur ein bis zwei Stunden von London entfernt, aber ich war dort noch nie gewesen. Schön ist es da! Ein Tag reicht natürlich nur für einen ersten Eindruck und eine Stadtführung.

Oxford.

Danach war ich noch ein paar Tage lang in London. Dort habe ich gleich mehrere Menschen „von früher“ getroffen. Mit meiner ehemaligen Kollegin Christine war ich beim Essen, mit Laurent und José (gut, mit denen war ich gerade erst beim Yogaretreat in Galicien) ebenso, mit meiner ehemaligen Vermieterin Joya auch.

Die Skyline ist auch nicht mehr dieselbe wie vor zehn Jahren …

Joya hat mich netterweise auch noch bei sich übernachten lassen. So war ich nicht nur in London, sondern gleich in meiner alten „hood„. Das alles hat mich ziemlich nostalgisch gestimmt. Ich habe gerne in London gelebt. Wenn es nicht so anstrengend gewesen wäre.

Erstaunt war ich darüber, wie viel sich dann doch verändert hat in den letzten Jahren. Zwischen meiner Wohnung und der Innenstadt gab es damals gefühlt fast nur kleine Supermärkte und günstige Restaurants. Der einzige Costa Coffee auf unserer high street wirkte völlig deplatziert. Heute gibt es artisanal pizza, mehrere Bäckereien mit Sauerteigbroten und eine Buchhandlung mit Café/Weinbar. Von der Eröffnung eines Waitrose-Supermarkts oder einer Filiale von Gail’s Bakery (beides ultimative Zeichen der Gentrifizierung) sind wir aber noch weit entfernt.

Celebrating the diversity in Bow.

In der Innenstadt selbst – wahnsinnig viel Leerstand. Das koreanische Restaurant, in dem ich bei meinem letzten Besuch mit Christine und Sam war, hat in der Pandemie geschlossen; die Lokalität – in bester Lage für Laufkundschaft – wurde nie wieder vermietet. Ebenso die Filiale von Paul’s, einer Patisseriekette, schräg gegenüber. Auf dem Fressmarkt auf der Leather Lane stehen lauter neue Stände. Auch den von mir so geliebten Tempeh Man gibt es nicht mehr. 😭 Die Pizza Pilgrims hingegen, vor zehn Jahren totaler Geheimtipp mit nur einem Foodtruck, haben inzwischen überall Restaurants eröffnet.

Apropos Essen: Ich war zum ersten Mal in einem Sternelokal. Chishuru, westafrikanische Küche. Ich behaupte mal, das war jetzt nicht ganz, was gewöhnlich in Westafrikaner auf dem Dorf so gekocht wird. Vielleicht etwas aufwendiger.

Es schmeckte unglaublich gut. Und wenn ich mir überlege, was ich da bezahlt habe (£50 für ein festgelegtes Drei-Gänge-Menü, plus Getränke und Service), und was man in ganz normalen Lokalen bezahlt, war das hinterhergeschmissen günstig.

So, so gut. Auch wenn das alkoholfreie Getränk gleich mal £9 kostete.

Anlass für meine Reise war die Cartier-Ausstellung im Victoria & Albert Museum. Sie war atemberaubend.

Nix mit quiet luxury … 😬

Ebenso atemberaubend sind allerdings die Preise, die inzwischen im Kulturbereich aufgerufen werden. £24 für Cartier. £19 für Kiefer/van Gogh in der Royal Academy (drei Räume). £20 für Ancient India Living Traditions im British Museum. Die Spendenboxen standen schon früher überall herum, weil die öffentlichen Mittel für den Kulturbereich in den letzten Jahren so stark gekürzt wurden. Aber jetzt wird schon mal um £10 statt früher £3 gebeten.

Das Mithraeum im Bloomberg Space ist kostenlos und sehr gut gemacht.

Und überall gift shops und Cafés. Vor lauter Verkaufsfläche kommt man im British Museum kaum noch durch den Great Court. Es fühlte sich mehr an wie Jahrmarkt als wie Museum. Ich habe natürlich wertvolle Anregungen für den Shop des Alpinen Museums mitgenommen. Wir werden demnächst auch jede Menge Magnete und hochpreisige Tragetaschen anbieten. Wie man das Thema unserer aktuellen Sonderausstellung, Klimawandel in den Alpen, in stylische Accessoires übersetzt, muss ich mir noch überlegen.

Food Tours & New Tours

Nach einem eher schlappen Sommer liefen die food tours im September wieder an. Ich hatte gleich sechs Buchungen in zwei Wochen. Und zum ersten Mal no-shows. Der Flug war ausgefallen, die Gäste saßen noch in Florida und hatten vergessen zu stornieren. Leider durfte ich nicht ihr Essen zu mir nehmen, sondern ging nach Hause.

Die letzte Tour des Monats fand am 19. September statt. Einen Tag vor Wiesnstart, bei bestem Wetter und mit einem Drake-Konzert. Die Firma hat glücklicherweise beschlossen, während des Oktoberfests keine Buchungen anzunehmen. Schon jetzt mussten wir in ein anderes Lokal ausweichen … Ich schaue mir natürlich immer vorher die Speisekarten an, damit ich weiß, was ich meinen Gästen vorsetzen kann. Und dieses Lokal hat doch tatsächlich eine englische Speisekarte, auf der alle Hauptgerichte, die weniger als 20 € kosten, einfach nicht erscheinen!!! Warum den ausländischen Gästen den Schweinebraten für 18,90 € anbieten, wenn sie auch die ganze Schweinshaxe für 36,90 € nehmen? Einfallsreich muss man sein als Gastronom.

Die Gäste waren diesen Monat wieder sehr interessant. Mit dabei waren unter anderem: Drei Schwestern mit ihren Ehemännern, die auf dem Weg zum Restaurant gleich mehrere Einkaufsstopps einlegten. Ein jüdisches Ehepaar aus den USA – sein Großvater war 1939 mit seinen Eltern aus Deutschland ausgewandert, nun hatten sie seinen Geburtsort besucht und bereisten den Rest des Landes. Ein jüngeres Paar, das zum ersten Mal überhaupt im Ausland war. Vier Freundinnen auf dem Weg zum Oktoberfest und ein Paar, das erst nach der Buchung kapiert hatte, was Ende September in München eigentlich los ist. Zum ersten Mal ein männlicher Teilnehmer, der lieber nicht so viel Fleisch essen wollte.

Und eigentlich sollte ich im September auch mein Debüt als Guide für einen anderen Veranstalter und eine ganz andere Art von Tour geben. Aber dann kam mir was dazwischen, nämlich ein … ⬇️

Bänderriss

Während die Stadt sich auf den Wiesn-Start vorbereitete, eilte ich ins Museum und wurde auf der Straße Opfer der Kante zwischen Fahrrad- und Gehweg. Es ist lange her, dass ich so richtig fies umgeknickt bin. Aber jetzt war ich im wahrsten Sinne des Wortes am Boden.

Im Büro schwoll der Knöchel ziemlich beachtlich an, also ab zum Durchgangsarzt. Einige Stunden, verschiedene Untersuchungen und mehrere Röntgenbilder später kam ich mit einer Schiene und einer Krankschreibung wieder raus. Außenbandriss. So hatte ich mir den Tag nicht vorgestellt.

Schwellungen kühlt man mit Eis, oder?

Am Tag zuvor hatte meine Hausärztin mich in einer anderen Angelegenheit an den Orthopäden verwiesen, jetzt war es über Nacht dringlicher geworden. Wann war ich zuletzt beim Orthopäden?? Es muss in den frühen Nullerjahren gewesen sein.

In der Praxis natürlich der Klassiker. Im Krankenhaus hatte man mir gesagt, ich solle in der kommenden Woche zum Orthopäden gehen. Der Orthopäde hingegen fragte mich, was ich denn bei ihm wolle, wenn ich schon im Krankenhaus gewesen sei. Dann fand er im Ultraschall ein zweites gerissenes Band. Prost Mahlzeit. Wenigstens ist das Syndesmoseband intakt. Keine OP, nur sechs Wochen Schiene.

Der restliche September wurde zwangsweise gemächlicher. Zumindest vom Gehtempo her.

Was sonst noch los war

Oh mein Gott. Meine praktischen Tipps für Ephesos laufen ja schon seit Veröffentlichung erstaunlich gut. Jetzt wollte ich die Eintrittspreise aktualisieren und habe gegoogelt. Dabei habe ich festgestellt: Mein Artikel rankt höher als die Seite von Rick Steves, der immerhin seit Jahrzehnten Reiseveranstalter ist. 😱

Erst bin ich fast vom Sofa gefallen, dann war ich sehr stolz. 😊

Nach langer Zeit war ich mal wieder mit einem lieben ehemaligen Kollegen aus Berlin beim Essen. Er war wegen der IAA in der Stadt und hatte einen freien Abend. Mein Glück! Es gab viel zu erzählen. Schließlich waren wir die letzten Gäste im Lokal.


Ich werde alt, Beweisstück Nr. 23548:

Ich: „Robert Redford ist tot!“

Die 41-jährige Kollegin: „Oh!“

Die 26-jährige Kollegin: „Wer?“


Apropos alt. Vor 30 Jahren habe ich Abitur gemacht. 30 Jahre!! Im September gab es ein Klassentreffen. Ich habe nicht teilgenommen, denn ich wollte lieber in der Notaufnahme sein. 😭 (Ist jetzt die Frage. Wären die Bänder nicht gerissen, wenn ich zum Klassentreffen gefahren wäre? Oder wäre ich dort gestürzt?)

Die meisten Leute aus meiner ehemaligen Stufe habe ich seit dem Abitur nicht mehr gesehen. Richtig Kontakt habe ich ohnehin nur mit zweien. Aber in der WhatsApp-Gruppe war ich quasi am Liveticker. Es hagelte schon Wochen vor dem Termin Nachrichten und am Abend auch Fotos. An die Namen konnte ich mich noch erinnern, aber die Gesichter? Einige habe ich gleich erkannt. Aber mehr als einmal habe ich mich gefragt: Wer ist das? Und an mehreren wäre ich auf der Straße glatt vorbeigelaufen.

(Schon vor Jahren habe ich im Ingolstadt Village eine ehemalige Klassenkameradin aus der Grundschule getroffen. Mit der hätte ich niemals gerechnet. Zum Glück habe ich sie gleich erkannt.)


Nach meiner Fahrt im Caledonian Sleeper von Edinburgh nach London hatte ich gleich mehrere Knicke im Nacken. Und da wir ja schon festgestellt haben, dass ich alt werde, wurde es nun endlich Zeit für ein Reisekissen. Ironischerweise habe ich mich für das Modell einer schottischen Firma entschieden. Hätte ich mir also auch gleich vor Ort kaufen können.

Jetzt brauche ich nur noch eine Reise, um das Kissen zu testen, was mache ich denn da bloß, hmmmmm …


Mit meinen neuen Schuhen wollte ich auf dem Berg und auf dem Oktoberfest glänzen – aber das muss wohl bis zum nächsten Jahr warten.

(Nein, nein, stimmt nicht, die kommen in die Sammlung des Alpinen Museums. Wobei, auf dem Oktoberfest würden sie sicher für Aufmerksamkeit sorgen.)


Jetzt, wo der Hype wieder total verflogen ist, habe ich auch mal Dubai Schokolade probiert. Eigentlich auch nur, weil ich sie von meinen Gästen geschenkt bekam.

Rechts im Bild: die Beine des edlen Spenders.

Und zumindest, was das Produkt der Firma Lindt angeht, war es auch das letzte Mal, dass ich das Zeug gegessen habe. Ich fühlte mich beim ersten Bissen doch sehr veräppelt.

Das Produkt konnte die Erwartungen, die die Verpackung geweckt hatte, nicht ganz erfüllen.

(„Die haben wahrscheinlich zu viele Pistazien gekauft“, lästerte man im Schokoladenfachgeschäft über die plötzlich omnipräsenten Riegel.)


Manche Leute werden ganz aufgeregt, wenn sie das neueste Modell von BMW auf der Straße sehen. Ich werde ganz aufgeregt, wenn das neueste öffentliche Verkehrsmittel an mir vorbeifährt. Hier die kleinen Elektrobusse, die jetzt in München getestet werden. Noch fahren sie mit französischem Kennzeichen.


Bei meinem unfreiwilligen Aufenthalt im Klinikum Rechts der Isar war ich zwischendurch auch kurz im dortigen Café. Mittag war lange vorbei, mir knurrte der Magen.

Das Café wird von Käfer betrieben. Hatte mich gewundert – Käfer ist eigentlich an Orten wie der Oper unterwegs, wo man sich in der Pause gerne mit einem Glas überteuerten Sekts in der Hand sehen lässt. Das Publikum im Krankenhaus ist ja schon ein anderes. Aber gut, vielleicht hatte ich mich getäuscht.

Trüffelpasta gab es dort, hatte ich schon beim Reinkommen entzückt gesehen. Nach dem Röntgen eilte ich hin.

Das Erlebnis konnte die Erwartungen nicht ganz erfüllen. Dass nicht Michi Käfer persönlich am Topf stehen würde, war ja klar. Aber was war da los? Das Personal zwischen ahnungslos und desinteressiert, das Essen auf Mensaniveau – daran änderte auch die Petersilie („bisschen Deko“) nichts. Leider keine Inspiration, demnächst beim Käfer zu essen.

Als ich nach einer Gabel fragte, hieß es: „Die sind da drüben, glaube ich.“ Ach so, glauben Sie?

Herbst an der Isar. 🍂

Und Wolken.

Im September gebloggt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert