Ursprünglich wollte ich bei dieser Reise ja nur nach Nepal. Aber schnell war klar, dass ich über Delhi nach Kathmandu fliegen würde. Vielleicht könnte ich ja noch einen Tag dranhängen und das Taj Mahal besuchen? Oder zwei? Oder … zehn? So viele Tage würde ich schließlich in Indiens Goldenem Dreieck, angefangen mit Jaipur, verbringen. Der Resturlaub will schließlich genommen werden. Und über Jaipur hatte ich schon viel Gutes gehört. Ich sollte nicht enttäuscht werden.
Jaipur hat viel zu bieten – auch wenn mir mein Sitznachbar im Zug mitteilte, Jaipur habe drei Forts und das sei es dann auch schon gewesen. Es ist bunt, chaotisch, laut, lecker, und es gibt immer was zu gucken. Ich war vier Tage lang in der Stadt und hätte noch mehrere Wochen dort verbringen können.
Tag 0: Ankunft
Der Flug mit Etihad nach Delhi verlief ereignislos, auch die Einreise war fast im Handumdrehen erledigt. Jetzt stand ich in der Ankunftshalle und hatte viel zu viel Zeit zur Verfügung bis zur Weiterreise. Denn mein Zug fuhr erst vier Stunden später.
Mein Zug nach Jaipur. Die Verbindung dauerte nur gut drei Stunden. Mit dem Auto kann es so um die fünf oder mehr Stunden dauern. Ich fahre gerne mit dem Zug, der Bahnhof war nicht weit vom Flughafen entfernt, das Ticket günstiger als ein Taxi. Die Entscheidung war mir also nicht schwergefallen.

Mit dem prepaid taxi erreichte ich den Bahnhof Delhi Cantt. Noch drei Stunden bis zur Abfahrt. Die Damen im Warteraum staunten nicht schlecht, als sich plötzlich eine Ausländerin bei ihnen einfand. Fast ganz pünktlich rollte schließlich der Zug ein.



In meiner Unterkunft angekommen, sank ich ermattet ins Bett. 24 Stunden Reisezeit.
Tag 1: Sightseeing in Amber (Amer) und Jaipur
Für meinen ersten Tag hatte ich bei Le Tour de India eine ganztägige Sightseeingtour gebucht. No shopping, das klang verlockend. Denn das Letzte, was ich will, ist, von Geschäft zu Geschäft gekarrt zu werden. Eine Kleingruppentour, vielleicht würde ich da ja ein paar nette Leute kennenlernen.
Die Gruppe war dann wirklich sehr klein. Ich war die einzige Teilnehmerin. Mit Guide Himmat (Insta @himmatsinghrathore, der hat an diesem Tag all die schönen Fotos von mir gemacht) und Fahrer ging es los nach Amber/Amer. Der Ort liegt direkt nördlich von Jaipur, man merkt gar nicht, dass man die Stadt verlässt. Er war früher mal das Machtzentrum, bis der König beschloss, seinen Sitz ein paar Kilometer weiter nach Süden zu verlegen. Deshalb gibt es jetzt Jaipur.
Heritage in Amer
In Jaipur und Umgebung gibt es, wie bereits erwähnt, drei Forts. Das bekannteste davon ist das Amer Fort. Hier kommen natürlich alle vorbei. Und hier sah ich meinen ersten Schlangenbeschwörer. Ich dachte erst, die Schlange sei aus Plastik, weil sie sich nicht bewegte. Aber die war echt.

Das Schöne an meiner Tour war (abgesehen von meinem sehr netten und kompetenten Guide Himmat), dass es nicht nur darum ging, Sehenswürdigkeiten abzuhaken. Sondern auch um die heritage, also das kulturelle Erbe. Und so gingen wir erstmal zu Fuß los, zu einem kleinen Stausee und durch die Gassen.
Es ist unglaublich, was einem da an Fotomotiven vor die Linse läuft.

Ein Tuktuk verstreute Rosenblütenblätter für eine Hochzeit, die im Laufe des Tages in einem Tempel in der Nähe stattfinden sollte. Die Affen fanden das richtig gut. Keine Ahnung, ob bis zur Ankunft der Hochzeitsgesellschaft noch irgendwas von den Blütenblättern übrig war. Es duftete jedenfalls ganz herrlich, als wir hier vorbeikamen.

Zurück im Ort besichtigten wir den kleinen Bihariji-Tempel. Dieser ist bei Google Maps als „Round frame“ verzeichnet, denn viel mehr ist davon leider nicht übrig …

Direkt gegenüber ist der Stufenbrunnen Panna Meena ka Kund. In Rajasthan gibt es ungefähr 300 Stufenbrunnen. Dies war der erste von drei, die ich auf dieser Reise sah. Hier tummelten sich schon deutlich mehr Touris als im Tempel gegenüber. Leider oder zum Glück darf man nicht in den Brunnen absteigen.

Nur wenige Gehminuten enfernt liegt der Shri Jagat Shiromani ji Temple …






Frappierend war, wie fokussiert die Touristenströme sind. Die Hauptattraktion in Amer ist selbstverständlich das Fort. Dort war es am vollsten, und viel mehr von Amer sehen die meisten Touristen wohl auch nicht: Sie klappern vormittags noch mehrere Stationen in Jaipur ab und haben nachmittags Zeit zum Shoppen.
Am Stufenbrunnen waren auch noch diverse Ausländer zu sehen. Danach gingen die Sichtungen steil bergab. Wir liefen durch Gassen im Ort, in denen wir niemanden trafen. Leider bedeutet das auch, dass viele tolle Häuser verfallen, weil sie einfach nicht genug Aufmerksamkeit bekommen.


Und schließlich: das Fort, Königspalast und Befestigungsanlage in einem. Hier kann man in einer knappen Stunden durchhecheln (offizielle Führungen dauern etwa 40 Minuten und kosten 400 Rupien für 1-4 Personen). Bei uns dauerte es länger, einfach, weil ich so viele Fotos machte. Ich wäre gerne deutlich länger geblieben, es gab so viel zu entdecken.















Ganz unerwartet gerieten wir auch noch in ein Fotoshooting. Muunj (IG @shopmuunj) lichtete die Kollektion für den Launch ab. So schöne Sachen!

Zum Mittagessen schlug Himmat mit Raj Rasa ein Lokal vor, das ganz klar auf Touristen ausgerichtet war und preislich entsprechend lag. Gut, im Urlaub kann man es ja mal krachen lassen, die Rechnung kam trotzdem auf keine 20 €, und es war wirklich vorzüglich.

Allerdings war ich schon nach den Vorspeisen satt. Und dann fragten die ständig, ob ich noch einen Nachschlag wolle. Natürlich wollte ich den! Aber leider hatte ich meinen Zweitmagen im Hotel vergessen. In den ersten passt nichts mehr rein …


The Pink City
Jaipur wird als Pink City bezeichnet, weil oder obwohl die Gebäude in der Altstadt alle terrakottafarben angestrichen sind. Hier herrschen strenge Regeln; man darf sein Haus nicht einfach anders streichen. Anlass war seinerzeit der Besuch des Prinzen von Wales, dem ein angenehmer Anblick gewährt sein sollte. In der Pink City sahen wir uns am Nachmittag um.

Um den City Palace, der noch heute von der Königsfamilie bewohnt wird, tummeln sich einige wichtige Sehenswürdigkeiten Jaipurs. Himmat ließ allerdings keinen Zweifel daran, dass er das City Palace Museum für absolut überteuert hält (das Museum kostet 10 €, die Royal Tour mit Besichtigung einiger Palasträume 50 € 😵💫).

Stattdessen verbrachten wir viel Zeit in Jantar Mantar, dem Observatorium aus dem frühen 18. Jahrhundert. Hier gibt es unter anderem die größte steinerne Sonnenuhr der Welt. Spannend, auch wenn man sich, so wie ich, nicht übermäßig gut mit Astronomie auskennt.


Noch spannender: was so auf der Straße passiert.



Anschließend schlugen wir uns in den Basar. Und zwar in den für Hochzeitsmoden. Diwali war vorbei, die Hochzeitssaison ging gerade los, daher war dort ziemlich viel los.

Als Touristin zählte ich hier natürlich nicht zur Zielgruppe … wahrscheinlich geht die Tour deswegen auf diesen Basar und nicht auf den Schmuckbasar. 😂
Anschließend raus auf die Straße. Auf dem Programm standen noch Hawa Mahal und ein Chai. Aber dafür mussten wir erstmal die Straße überqueren. Zum Glück war ich schon in Beijing und Hanoi zu Fuß unterwegs. Sonst hätte ich bei dem Verkehr direkt einen Herzinfarkt bekommen.


Das Prinzip ist ähnlich wie in Hanoi. Man wartet auf eine kleine Lücke im Verkehr (oder auch nicht) und läuft in möglichst gleichmäßigem Tempo los, damit die Mopeds und Tuktuks um einen herumfahren können. Das scheint in der Regel gutzugehen. Ich suche mir auch immer gerne eine alte Oma, in deren Windschatten ich die Straße überquere – die wissen ja wohl am besten, wie es geht. Und welcher Fahrer möchte schon eine Oma UND eine Touristin auf dem Gewissen haben. 😂


Tag 2: Gaitor & Amer & Heritage Tour
Mit Speck fängt man Mäuse und mich mit dem Begriff heritage tour. Wobei Jaipur auch wirklich viel heritage hat. Für den Abend des zweiten Tags hatte ich mich für den Evening Heritage Walk angemeldet, wieder bei Le Tour de India.
Aber zunächst machte ich mich mithilfe von Uber (sowie Unterstützung meines Gastgebers Puneet, der den Fahrer instruierte) auf den Weg zum königlichen Krematorium Gaitor Ki Chhatriyan. Puneet hatte überrascht geguckt, dass ich da hinwollte. Der Fahrer schien sich nicht ganz sicher zu sein, wo das eigentlich sei. Wir kamen trotzdem an.
Schööööön war das da! Ein ganz friedlicher Ort, wenig Leute, viel zu sehen. Und kostet nur 50 Rupien Eintritt.






Von Gaitor aus kann man wohl auch noch über 1000 Stufen zu einem bekannten Hindutempel gehen. Zum Glück hatte ich noch mit dem Bänderriss zu kämpfen, da fiel das zu meinem großen Bedauern natürlich aus. 😅
Weiter nach Amer, diesmal zum Anokhi Museum of Hand Printing. Anokhi ist eine Modemarke, ziemlich hochpreisig, die fast ausschließlich Stoffe verwendet, die von Hand bedruckt wurden. In Amer haben sie einen kleinen Palast restauriert und zum Museum umgebaut. Ein Muss, wenn man sich für das Thema Textilien und Blockdruck interessiert (und wenn nicht, ist das Gebäude sehr schön). Die Führungen sollen auch sehr lohnenswert sein. Das Innere ist leider etwas düster. Auf dem Dach kann man Handwerkern dabei zusehen, wie sie die Druckplatten schnitzen und Muster drucken (sie fordern ziemlich deutlich Trinkgeld, auch wenn überall steht, dass man ihnen keines geben soll). Es gibt – natürlich – auch einen Shop mit bestimmten Designs, die es nur dort zu kaufen gibt.


Das einzige „Problem“ ist, dass das Museum (wo wir auch am Vortag aus dem Auto gestiegen waren) auf der Hälfte der Einbahnstraße liegt, die zum Fort führt. Und diese war zu diesem Zeitpunkt leider schon total verstopft mit Tourifahrzeugen, die auf einen freien Parkplatz am Fort warteten. (Am besten also entweder ganz früh ankommen oder – so wie wir – zu Fuß zum Fort gehen und den Fahrer nachkommen lassen. Sonst versauert man hier.)

Mein armer Fahrer, der sich die Einbahnstraße entlangquälen musste. 😵💫 Er ließ mich direkt vor dem Kokum Bistro aussteigen, dass ich mir ohnehin zum Mittagessen ausgeguckt hatte. Es war sehr lecker. Netter Schwatz mit der Besitzerin inbegriffen.

Die Zeit im Museum verging doch schneller als erwartet. Ich dachte erst, ich kriege den Tag nicht rum, aber alleine durch den dichten Verkehr verliert man doch viel Zeit.
Am noch immer anhaltenden Fort-Stau entlang ging ich zur Hauptstraße und buchte dort ein Uber …


… mit dem ich gerade pünktlich zu meiner Abendtour in Jaipur ankam. Wieder war ich die Einzige. Die anderen Gäste hatten kurzfristig wegen Erkrankung absagen müssen. Jyoti und ich hoppelten in der E-Rikscha los.
Bei der Tour ging es zunächst hauptsächlich um Kunsthandwerk. Als erstes besuchten wir einen Skulpturenhersteller. Inzwischen werden einige Skulpturen mit unfertigem Gesicht gefertigt. Die Kundschaft kann dann bestimmen, wie groß die Augen sind, wie breit das Lächeln etc.

Den Innenhof eines Havelis sahen wir auch noch – ich wäre ja gar nicht auf die Idee gekommen, dass man da einfach so reingehen kann.

Anschließend: Blockdruck. Nach dem ersten Vorgeschmack im Museum konnte ich es kaum abwarten. Und siehe da, ich habe mich gar nicht so dumm angestellt. Leider waren wir hier in einer knappen halben Stunde fertig. Ich hätte noch den ganzen Abend bleiben können.


Viel zu bald ging die Reise also weiter in den Basar zum bangle maker. Es gibt eine ganze Straße, in der fast nur Armreifen hergestellt werden. Entweder sucht man sich fertige aus und lässt sie sich an die Armgröße anpassen, oder man lässt sich ein Exemplar nach Wunsch anfertigen.

Anschließend wurde gegessen. Es gab Kulfi …

… Lassi …

… und Aloo Tikki …

… während um uns herum die Nacht einbrach.


Gegen Ende des Abends fragte ich Jyoti, was er denn außer Guiding noch so mache.
Tontaubenschießen, sagte er. (😳 Ich dachte erst, ich hätte mich verhört.)
Wie, äh, auf Wettkampfbasis? – Ja. (😳😳)
Du bist jetzt aber nicht indischer Meister?, fragte ich ihn eher aus Spaß. Nein, das nicht, antwortete er, aber rajasthanischer. (😳😳😳😳😳)
Damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet …
Tag 3: Physiotherapie & Shopping
Im September hatte ich mir einen dreifachen Bänderriss im Sprunggelenk zugezogen. Den Orthopäden in München musste ich quasi anbetteln, dass ich überhaupt Physio bekomme – zu vier Sitzungen konnte er sich schließlich überwinden. Irgendwann erinnerte ich mich schwach, schon vor vielen Jahren gelesen zu haben, dass das britische NHS bestimmte Operationen nach Indien auslagert. Ist deutlich günstiger (trotz Aufenthalts in einer Privatklinik) und vor allem schneller als in Großbritannien.
Und so kam mir der Gedanke, mich mal nach Physiotherapie in Indien umzusehen. Erfreulicherweise gab es in der Nähe meiner Unterkunft gleich mehrere sehr gut bewertete Praxen. 500 Rupien habe ich für die Sitzung bezahlt, das sind so 5 €. Und wie war’s? Nicht ganz, was ich mir davon versprochen hatte – ich hatte auf mehr Mobilisierung des Gelenks gehofft und bekam stattdessen eine Reihe von Übungen. Die mir allerdings sehr eindrucksvoll zeigten, wie schwach die Muskeln in meinem Fuß geworden waren. Einen Pflummi mit den Zehen zu greifen, stellte eine Mammutaufgabe dar.
Um mein nach dieser Sitzung ziemlich ramponiertes Selbstbewusstsein wieder aufzupolieren, verbrachte ich den Rest des Tages mit Shopping. Denn natürlich wollte ich Blockdruck in seiner tragbaren Form erstehen. Dafür hat Jaipur einen riesigen Basar und ungefähr eine Million Geschäfte.
Zu diesem Zeitpunkt war ich schon einigermaßen erschlagen. Denn ich hatte unterschätzt, wie sehr mir der Lärmpegel in Jaipur, insbesondere das unablässige Hupen, zusetzen würde. Der Gedanke, nun auf dem Markt den Preis verhandeln zu müssen, während um mich herum ein Hupkonzert ergeht, war doch etwas zu viel.
Aber es gibt ja noch Geschäfte mit Fixpreis. Also auf zum KK Square, wo sich ein großer Laden von Anokhi befindet. Doch zunächst stolperte ich bei Bagh rein und dann in den Pop-Up von Lotus Veda. Bei Anokhi selbst fand ich nichts (nur das Personal arrogant), dafür war es im Café angenehm ruhig. Derart gestärkt zog ich weiter in eine superschöne kleine Boutique (Jaipur Pinkk), einen schönen großen Laden (SOMA Shop), einen chaotischen großen Laden (Gulabchand Prints) und zuletzt zu Fabindia, mon amour. 😍 Wobei mir deren Produktpalette vor neun Jahren in Kerala auch interessanter erschien. Kann sein, dass mir trotzdem was in die Tasche gefallen ist. Zum Beispiel ein schönes Kleid, dass mir doch perfekt fürs Taj Mahal erschien.
Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt in so vielen Geschäften an einem Tag war. 😂 Danach reichte die Energie nur noch für ein wunderbares Abendessen bei Panchawaram, einem einfachen, aber sehr guten südindischen Lokal.

Tag 4: Fahrradtour & Leopardensafari
An meinem vierten und letzten Tag in Jaipur hatte ich mich voller Übermut für eine Radtour angemeldet, die schon um 6:15 Uhr startete. Genau meine Zeit. Der Vorteil ist, dass man so früh noch gute Chancen hat, den Straßenverkehr zu überleben. Und tatsächlich wurde ich auch nur einmal und auch nur fast von einem Auto umgenietet.

Wir fütterten Kühe (Schleimpunkte fürs Nirvana sammeln), sahen diverse Monumente von außen, marschierten über den Gemüse- und Blumenmarkt (leider viel zu schnell, das war sehr interessant und sehr fotogen), besuchten einen Tempel, machten Lachyoga und schlürften Chai. Frühstück gab es auch noch. Danach brauchten wir alle erstmal eine Pause. 😅

Auf dem Markt gab es neben Wasserkastanien, Stapeln von Korianderbüscheln und säckeweise Blumenkohl auch große Menge von Blüten und Girlanden.


Und im Krishna-Tempel war eine Atmosphäre wie bei einem Rockkonzert.

Den Chai gab es diesmal nicht auf dem Dach, sondern an der Straße. Hier hat schon Emmanuel Macron Tee getrunken.



Und zum Schluss gab es auch noch Frühstück. Unsere Guides schienen ein wenig enttäuscht, als wir sagten, nein, das Essen sei nicht zu scharf. 😅

Raja Park
Wie sollte ich diese Erlebnisse noch toppen? Durch nicht-touristische Exploration.
Meine Unterkunft, das wunderbare Pathik Niwas, lag in einer reinen Wohngegend. Großer Vorteilt: Sie war gerade nachts sehr ruhig. Es gab aber auch wirklich nichts außer Wohnhäusern in der näheren Umgebung (an der Ecke hatte allerdings eine freundliche Familie eine mobile Schneiderei). Für Geschäfte und Restaurants musste man schon in Richtung Raja Park, ca. 20 Minuten zu Fuß entfernt.

Die Gegend wollte ich mir auf jeden Fall noch etwas genauer ansehen. Am Vortag hatte ich bereits einige Straßen auf der Suche nach einem Geldautomaten kennengelernt. Wenn man bei Google Maps „ATM“ eingibt, werden einem ungefähr 1000 Ergebnisse pro Quadratkilomater angezeigt. Die meisten davon existieren aber gar nicht (mehr), sind geschlossen oder nehmen keine ausländischen Karten. Und wenn man dann doch endlich einen Automaten findet, der kooperativ ist, spuckt er in der Regel nur 1000-Rupien-Scheine aus. 1000 Rupien entsprechen etwa zehn Euro. Dafür Wechselgeld zu bekommen, kann schwierig bis unmöglich sein.
Also sorgte ich nach erfolgreicher Abhebung noch für Aufsehen, indem ich in eine Bankfiliale marschierte und fragte, ob man mir einen Tausender kleinmachen könne. Selbst da dauerte es eine Weile, bis sie die Scheine beisammen hatten.
Und was gibt es so in Raja Park? Zum Beispiel diese Frau, die die Kühe fütterte.

Jede Menge Augenkliniken.
Die Filiale einer Optikerkette: Brille mit Gläsern ab 20 €. Schluck.
Essen aus Amritsar. Pali’s Vegetarian hatte ich am Vortag schon gesehen. Hier wurde ich vom Chef persönlich in Empfang genommen, der sehr verdattert über die Ausländerin wirkte. Dann freute er sich aber sichtlich, als ich ihn fragte, was er mir denn von der Karte empfehlen würde: Offensichtlich kommt er aus Amritsar, denn er zeigte direkt auf die dortigen kulcha Spezialitäten.

Bei den Leoparden
Der Nachmittag wurde dann wesentlich aufregender, als ich mir das erhofft hatte. Ich hatte ein Ticket für die Leopardensafari ergattert. Denn Jaipur grenzt ja quasi direkt an den Wald, und in diesem leben Leoparden. Die kommen gelegentlich auch in die Stadt und schnappen sich einen Straßenhund als Mahlzeit … Aber an diesem Nachmittag kam ich zu ihnen.

Mein Ticket direkt zu buchen, war mir trotz mehrmaliger Versuche leider nicht gelungen. Über Le Tour de India mit 50 % Aufschlag ging es dann – insgesamt habe ich immer noch weniger als 20 € gezahlt. Dafür bekommt man einen Platz in einem Jeep und fährt ca. drei Stunden lang im Park herum. Ich fand es ja schon ganz herrlich, mal Vogelgezwitscher statt Hupen zu hören und Grün zu sehen.

Die Tiersichtungen waren nicht übermäßig – einige Pfauen und andere Vögel, spotted deer und Nilgauantilopen. Der kleine Vogel auf dem Bild ist übrigens eine Rostbauch-Baumelster, auch Tiger’s Toothpick genannt. Denn dieser Vogel fliegt Tigern ins Maul und holt ihnen die Fleischreste aus den Zahnzwischenräumen. Der Tiger weiß die Zahnpflege zu schätzen und beißt nicht zu.

Aber eigentlich wollten wir ja Leoparden sehen. Von denen soll es über 40 Stück im Park geben. Mehrere Male gab es von anderen Fahrern Informationen über Leopardensichtungen. Unser Fahrer trat aufs Gas, aber bis wir ankamen, war der Leopard bereits verschwunden.
Dafür hielten wir an einem Aussichtsturm an. Für diesen hätte nur ich einen permit, teilte unser Fahrer mit (am meisten überrascht über diese Mitteilung war ich), aber es dürften trotzdem (oder deswegen) alle rauf. Das ist also der Ausblick von meinem Turm:


Allmählich senkte sich die Sonne, und wir hatten immer noch keine Raubkatze gesehen. Die Gesichter wurden immer länger.

Und dann sahen wir doch noch eine. Rana, ein Weibchen, das gerade beim Abendessen war.

The Kindness of Strangers
Die Aufregung über die Leopardensichtung war groß, doch war sie nichts im Vergleich zu der Aufregung, die ich wenig später verspüren sollte. Denn zurück am Parkplatz stellte ich fest, dass mein Handy verschwunden war. Da stand ich nun, auf der einen Seite Wald, auf der anderen Industriegebiet, es wurde dunkel, und ich wusste nicht mal, wie ich meine Unterkunft hätte kontaktieren können.
Eine indische Familie half mir schließlich und rief den Fahrer unseres Jeeps an. Auch der konnte im Fahrzeug kein Handy finden und sagte schließlich, ok, er fahre nochmal mit mir in den Park. Wir kamen bis zum Tor – dort war inzwischen der Wächter angekommen, der im Park aufpasst, dass sich niemand reinschleicht. Und der hatte auf dem Rückweg ein Telefon gefunden.
Is this your phone?
War es. Mir fiel nicht nur ein Stein vom Herzen.
Eine Runde Trinkgeld und 1000x thank you so much stand ich an der Straße. Schnell ein Uber bestellt und zur food tour! So dachte ich zumindest. Doch das ging auch ziemlich in die Hose. Denn ich bekam keinen Fahrer. Dafür traf ich die beiden Freundinnen, die im Jeep neben mir gesessen hatten. Sie investierten schließlich etwa eine Stunde ihrer Zeit. um mir zu helfen, außerhalb von Uber ein Tuktuk zu kriegen und den Preis auszuhandeln. Ihnen ist es zu verdanken, dass ich schließlich doch noch wieder in mein Zimmer gelangte.
The kindness of strangers.
Das war zum Glück der nervenaufreibendste Tag der Reise.
Am nächsten Tag ging es weiter nach Agra über Abhaneri und Fatehpur Sikri. Mein Handy bewachte ich fortan wie ein Luchs …