Costa Rica: Pura Vida & ein Schlepper

Pura Vida – diesen Ausdruck kennen wohl alle, die sich jemals mit Costa Rica auseinandergesetzt haben. Übersetzt bedeutet er „reines Leben“. In Costa Rica ist er eine Art Generalfloskel, die vielseitig einsetzbar ist. Mir geht’s gut, alles klar, macht nichts – das und noch viel mehr lässt sich mit pura vida ausdrücken.

Ich fuhr damals, im März 2012, ziemlich spontan nach Costa Rica. Aufgrund persönlicher Umstände brauchte ich dringend Abstand von zu Hause und ein bisschen pura vida. Gleichzeitig sah ich mich nicht imstande, mir selbst eine Reise zu organisieren. Also buchte ich eine Gruppenreise. Vor Ort sollte sich zeigen, dass ich auch mit minimaler Vorbereitung in der Lage gewesen wäre, die Reise alleine durchzuziehen. Im Tourismus sprachen quasi alle Englisch, und es gab einen Tür-zu-Tür-Transportservice. Also keine massive Sprachbarriere (wobei grundlegende Spanischkenntnisse schon helfen) und keine Höllenfahrten in überfüllten Bussen. Pura Vida also.

Und der Schlepper? Das war der Reiseleiter.

Die Anreise

Der Weg ist das Ziel, ha ha. Auf dieses Weg-Ziel hätte ich verzichten können. Von München flog ich über Amsterdam nach Panama City. Aber zunächst standen wir in Schiphol auf dem Rollfeld. Wir hatten nämlich erhebliche Verspätung im Abflug. Und in der Ankunft. In Panama City konnte ich mir dann schon ausrechnen, wer meine Mitreisenden sein würden. So ziemlich alle, die mit panischem Blick zum Anschlussgate nach San José rannten.

Die Menschen schafften den Umstieg, unser Gepäck nicht. So gab es wenigstens beim Transfer zum Hotel keine weiteren Verzögerungen. Dort angekommen, fielen alle direkt ins Bett.

Der erste Tanz auf dem Vulkan

Am nächsten Morgen erwartete uns breit grinsend unser Reiseleiter Thomas. Ein Deutscher, der vor vielen Jahren nach Costa Rica ausgewandert war. Als Reiseleiter war er leider bestenfalls mäßig. Seine Landeskenntnis war gering, Tiere und Pflanzen kannte er nicht, er war „eher so der Generalist“. Aber das Schleppen hatte er voll drauf.

Zu unserem Gepäck konnte er uns nichts sagen. „Das weiß ich nicht“ war sowieso der Satz, den ich in den kommenden zwei Wochen am häufigsten von ihm hören sollte.

Und während er uns in der Lobby vom Tagesprogramm erzählte, schallte es von der Rezeption „Julia?!“ Mein Koffer war in San José angekommen. Er würde mich im nächsten Hotel erwarten.

Wir stiegen zunächst in den Bus und fuhren zum Vulkan Poas. Ganz bis zum Hauptkrater hat es nicht gereicht, aber den Botossee haben wir gesehen. Die Sicht wär mäßig, der Pflanzenreichtum schon enorm.

Danach ein erster Geschmack von den Schlepperqualitäten unseres Reiseleiters. Zum Mittagessen legte er uns wärmstens ein Lokal ans Herz, ein Familienbetrieb, so nette Leute, und die Erdbeershakes! Die besten in ganz Costa Rica!

Offensichtlich war da eine sehr große Familie am Werk, denn der Laden war so ziemlich das Hofbräuhaus der Gegend. Riesengroß, Unmengen Personal und die Preise sehr ambitioniert. Die Erdbeershakes waren ok, aber wenn das die besten im Lande sein sollten … Und genau so sollte es die nächsten zwei Wochen weitergehen. Thomas war immer voller Energie, wenn irgendwo eine Provision lockte. Den anderen schien das nicht aufzufallen, doch ich ging ab diesem ersten Erlebnis nach Möglichkeit woanders essen.

Thomas steht auch mehr als zehn Jahre später noch immer auf Platz 1 meiner Reiseleiter Hall of Shame.

An der Karibikküste

Puerto Limón

Weiter zur Karibikküste Costa Ricas, nach Puerto Limón. Große Wiedersehensfreude – unser Gepäck war tatsächlich angekommen.

In Puerto Limón unternahmen wir etwas, was im Reiseprogramm vollmundig als „Wanderung“ angekündigt worden war, tatsächlich aber ein leichter Spaziergang war. Thomas tat sein Bestes, um uns auf der Hälfte zum Umkehren zu bewegen. Aber wir wollten den Weg alle weitergehen, auch wenn der Fahrer uns dann am Ende abholen musste. War nicht das einzige Mal, dass Thomas sichtlich sauer war.

In Puerto Limón aß ich auch meinen ersten gallo pinto. Der „gefleckte Hahn“ ist eine Mischung aus Reis und Bohnen. Um Gottes Willen, dachte ich, und dann auch noch zum Frühstück. An der Karibikküste wurde er mit Kokos zubereitet. Und schmeckte köstlich. Danach habe ich mir den Rest der Reise jeden Morgen einen großen Teller reingeschaufelt. Es schmeckte wirklich in jeder Unterkunft anders.

Tortuguero NP

Unser nächstes Ziel, der Tortuguero Nationalpark, lag nur etwa drei Stunden Fahrtzeit entfernt. Hier kommen jährlich zahlreiche Schildkröten zur Eiablage an. Wir waren leider nicht zur richtigen Zeit da. Der Strand und die Bootsfahrten im Park waren trotzdem super.

Unterwegs besuchten wir eine Bananenfabrik …

… und trafen unseren ersten Affen.

Abends waren wir am Strand, leider weit und breit keine Schildkröte in Sicht.

Am nächsten Morgen zunächst ein kurzer Gang durch den Ort …

… dann ab aufs Boot.

… und ein paar andere Kollegen. 😬

Im Hotel sahen wir uns zum ersten Mal auf kurze Distanz mit Leguanen konfrontiert. Die hatten wir bislang nur im Baum gesehen, aber sie sollten uns immer wieder begegnen. (Ich bin überhaupt keine Echsenexpertin und orientiere mich bei der Benennung an der Google-Bildersuche. Über Korrekturen freue ich mich.)

Vermutlich ein (schon etwas älterer) Grüner Leguan.
Ein jüngeres Tier.
Ein Grüner Basilisk.

Und weil es so schön ist, hier gleich noch ein paar Fotos von Fröschen, die wir an verschiedenen Orten antrafen:

Im Landesinneren

Wo sind wir denn hier?

An dieser Stelle kann ich nicht mehr genau nachvollziehen, wo wir waren und was wir gemacht haben. Wie gesagt, ich war damals nicht in Bestform und habe mich auf die Reise so gut wie gar nicht vorbereitet. Normalerweise kenne ich den Reiseverlauf ja immer besser als der Guide. 😂 Also lasse ich jetzt Fotos sprechen.

Wir waren in einem mariposario, also einer Art Schmetterlingszoo.

Irgendeine geplante Aktivität musste ausfallen. Dafür bot Thomas uns den Besuch einer Ananasplantage an. Mussten wir selbst bezahlen, hmmmm … War allerdings wirklich sehr interessant und sein Geld wert (was primär daran lag, dass wir einen sehr guten Guide hatten 😜). Es gab auch kostenlose Ananas bis zum Abwicken.

Unter anderem haben wir gelernt: wie man Ananas vermehrt; woran man erkennen kann, wie groß die Ananas mal wird; wie komplett durchgetaktet das Anbausystem ist; wie wenig die Arbeiter verdienen (da sie alle aus Nicaragua kommen, ist der Lohn dennoch fürstlich für sie, wurde uns erklärt ………….).

Und woran erkennt man jetzt, ob die Ananas gut ist? Jedenfalls nicht an der Farbe oder am tollen Ananasgeruch. Ananas wird reif geerntet und muss dann innerhalb von 40 Tagen (meine ich mich zu erinnern) verzehrt werden. Wenn sie so toll riecht, vergärt sie bereits. Wenn sie gelb ist, heißt das nur, dass sie mit einem Gas behandelt wurde, denn von Natur aus ist die Ananas grün.

Die Frucht sollte: eine gleichmäßige ovale Form haben (beult sie unten aus, ist sie überreif), ebenmäßig große Diamanten und eine gut gewachsene Krone.

Diejenigen Früchte, die nicht für den Verkauf geeignet sind (z. B., weil die Krone krummgewachsen ist und sie deshalb nicht perfekt in den Karton passen), werden direkt vor Ort zu Saft und Konserven verarbeitet.

Anschließend pflanzten wir einen Baum …

Damit dürfte der CO2-Ausstoß auf dieser Reise mehr als kompensiert sein, oder?

… und waren irgendwo wandern …

… und bei einer Schokoladentour. Für mich natürlich das Highlight schlechthin! Und die war auch total interessant. Eine ehemalige Kakaoplantage, die nicht mehr aktiv betrieben wurde, wo die Bäume aber noch Früchte trugen. Man zeigte uns den gesamten Herstellungsprozess und mahlte uns etwas Kakao mit Zucker.

Das Ergebnis war sehr dunkel und schmeckte hervorragend. Na-tür-lich habe ich mir im Shop zwei kleine Tafeln gekauft, die ebenfalls köstlich waren.

Und dazwischen immer etwas pura vida.

Vulkan Arenal

Der Arenal ist ein aktiver Schichtvulkan und vermutlich der bekannteste Vulkan Costa Ricas. Wir waren in direkter Nähe einquartiert. Zunächst aber zeigte der Berg sich schüchtern-zurückhaltend.

Der kleine Hügel im Hintergrund ist der Arenal.

Im Vulkangebiet gingen wir auf Wanderung. Zutritt auf eigenes Risiko. Wir haben es schließlich mit einem der aktivsten Vulkane der Welt zu tun. Bei unserem Besuch war allerdings nix los. Leider war es etwas diesig.

Der Vulkan hinterlässt natürlich Spuren …
… aber manchmal merkt man kaum, dass er da ist.

Am nächsten Morgen wachte ich schon um 6 Uhr auf und blickte aus dem Fenster – freie Sicht auf den Vulkan. So schnell habe ich noch nie die Kamera gezückt. Zehn Minuten später fing es schon wieder an zuzuziehen.

Eine Stunde später war vom Gipfel nichts mehr zu sehen.

Schnell noch ein paar Pflanzen im Hotelgarten fotografiert, und schon ging es weiter in Richtung Nebelwald.

Monteverde

Monteverde, ein (zumindest damals) sehr nettes Städtchen, ist für seinen Nebelwald bekannt. Hier läuft man also häufig durch Wassertröpfchen. Der Ort ist vergleichsweise touristisch und relativ teuer. Ich fand abends ein sehr nettes kleines Lokal und kam an einen Straßenstand mit Joghurtshakes vorbei. Dort entdeckte ich meine Liebe für guanábana, auch soursop oder auf Deutsch Stachelannone genannt. Das schmeckte so gut, dass ich mir gleich einen zweiten Shake kaufte. (Deutlich besser und günstiger als die Erdbeershakes, die Thomas am Poas so angepriesen hatte. 😒)

Wir verbrachten ein paar Stunden in der Reserva Bosque Nuboso. Auf eigene Faust! Wie wunderbar, ich stürzte gleich davon, um möglichst viel zu sehen. Auf die längeren Wege schien sich außer mir kaum jemand zu trauen.

Und zuletzt sahen wir sogar noch einen Quetzal. Der wollte aber nicht für uns posieren.

Im Westen Costa Ricas

Irgendwo am Pazifik

Wenn ich heute versuche, unsere Reiseroute auf Google Maps nachzuvollziehen, frage ich mich schon, wer sich das ausgedacht hat. Irgendwie sind wir ziemlich viel zickzack gefahren.

Unsere nächste Station war am Pazifik.

Erste Cashew, erster Brüllaffe, erster Löffler.
Offensichtlich haben wir auch einen Steg und eine Saline besucht …

Rincón de la Vieja

Bei einem Stopp im Centro de Rescate Las Pumas, einem Wildtierrettungszentrum, lernten wir den Gründer, Werner Hagnauer aus der Schweiz, kennen. Er lebte seit 1959 im Land. Ich erinnere mich noch, dass ihm enorme Haarbüschel aus den Ohren wuchsen. Zuvor hatten uns eine amerikanische Ehrenamtliche schon genau erklärt, was im Centro gemacht wird.

Unser einziger Tukan.

Kurzer Spaziergang durch Liberia, einen kleinen Ort mit Kolonialflair.

Und schließlich steuerten wir Rincón de la Vieja an. Unser wirklich sehr schönes Hotel hatte einen sehr weitläufigen Garten mit allerhand Vegetation.

Noch ein Vulkan, noch ein geothermisches Gebiet. Am Rincón de la Vieja gibt es aber nicht nur erkaltete Lava zu sehen, sondern blubbernde Schlammlöcher und zischende heiße Quellen.

Aber erstmal auf die Hängebrücke. In diesem Gebiet verändert sich die Landschaft ganz schnell.

In dieser Landschaft musste unser geschätzter Reiseleiter nach dem Weg fragen. Sehr vertrauenserweckend.

Samara

Zuletzt erwarteten uns noch zwei Tage Badeurlaub in einem Hotel am Pazifik. Wobei … angesichts der am Strand angeschwemmten Tierwelt ⬇️ bot sich doch eher der Hotelpool an.

Ich weiß gar nicht, ob die anderen sich überhaupt rausgetraut haben. Ich selbst war einen Tag lang mit dem Fahrrad unterwegs. Denn in der Nähe gab es drei Strände, die ich abklappern wollte. Super Idee bei 36 Grad und prallem Sonnenschein. 🥵🤣

Zuerst begegnete ich diesem coolen Duo hier.
Dann ein paar Geiern.
Und schließlich noch diesen Kollegen.
Hier gab es auch wieder Schildkröten.

Am Abend saß ich am Hotelpool und fröstelte ein wenig. Vielleicht sollte ich mir was Warmes überziehen? Doch dann schaute ich aufs Thermometer und stellte fest: 28 Grad … Geht grad noch.

Am zweiten Abend war ich mit Alvaro unterwegs. Der bot damals so eine Art Natursafari auf der ehemaligen Ranch seiner Großeltern an. Die hatten viele Jahre zuvor einfach unglaublich viel Land gekauft, um dort Rinder grasen zu lassen. Mit der Rinderzucht war es vorbei, und Alvaro war dabei, das Land in ein Naturschutzgebiet umzuwandeln.

Das war eine supertolle Exkursion. Auch von Alvaro habe ich (wie von all den anderen Guides, denen ich im Vorbeigehen gelauscht habe) an einem Abend mehr gelernt als von Thomas in zwei Wochen. Neue Erfahrung: Ich habe in eine Cashewfrucht gebissen (an dieser wächst die Cashewnuss heran). Eigentlich soll das ganz gut schmecken, aber die war so sauer, dass es mir längerfristig den Mundraum komplett zusammengezogen hat.

Sehr interessant auch, was er mir über die Landwirtschaft erzählte. Die Monokultur der Obstplantagen ist natürlich ökologisch verheerend, selbst wenn es Bioobst ist. Alvaro und sein Bruder betrieben in San José so eine Art Ökokistenversand. Das Geschäft lief glänzend, denn: Fast alle Ticos kennen jemanden, der in der konventionellen Landwirtschaft arbeitet und daher gesundheitliche Probleme hat. Aber nur wenige können sich die Preise für ökologische Lebensmittel leisten. Da musste ich stark an die Kanadierin denken, die mir Jahre zuvor mitgeteilt habe, ein Freund von ihr sei Epidemiologe, und der habe gesagt, Bio sei einfach viel zu gefährlich.

San José & a casa

Den letzten Tag verbrachten wir in San José. Thomas hatte sich großmütig angeboten, uns durch die Stadt zu führen. Um Gottes Willen. Ich wollte ins Goldmuseum, doch das war geschlossen. Wusste Thomas das nicht, oder hat er es mir absichtlich nicht gesagt …? Wahrscheinlich wusste er es nicht, denn er war ja eher so der Generalist.

Nach einem viel zu langen, aber wenigstens ruhigen Flug, auf dem ich mir nicht mehr das Dauergequatsche mancher Mitreisender anhören musste, stand ich am Freitagabend wieder in meiner Küche. Ziemlich müde kratzte ich mich am Rücken – was hatte ich denn da plötzlich so Komisches am Rücken? Ich zog daran, zog nochmal – und hatte eine riesige Zecke in der Hand. Vor Schreck fiel ich fast in Ohnmacht, stürzte dann zum Computer, um „tödliche Krankheiten, die von costaricanischen Zecken übertragen werden“ zu googlen. Keine Ergebnisse. War doch der Reiseleiter das Schlimmste an der Reise in dieses tolle Land. 😉

Fazit: Pura Vida!

Würde ich noch einmal nach Costa Rica fahren? Auf jeden Fall! Ich fand das Land toll. Es ist landschaftlich sehr abwechslungsreich, hat eine immense Artenvielfalt und mich meine Liebe zu Reis und Bohnen entdecken lassen.

Leider hat sich in den vergangenen Jahren die Sicherheitslage verschlechtert, aber als Tourist*in bleibt einem das Schlimmste in der Regel erspart (Stichwort Drogenschmuggel – der findet zumeist nicht am Hotelpool vorbei statt). Das sollte Dich aber nicht davon abhalten, Dich – gegebenenfalls unterstützt von einer Agentur vor Ort – auf die Socken zu machen, um dieses schöne Land zu entdecken.

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