Der indische Bundesstaat Kerala liegt im Süden Indiens weit entfernt von den Touri-Hotspots wie Rajasthan oder Goa. Der Werbespruch „God’s Own Country“ trifft es schon ganz gut, es war wirklich himmlisch. Lange Strände, ruhige Dörfer, tolle Natur, was will man mehr? Das Essen ist auch hervorragend. Die südindische Küche, die sich stark von dem unterscheidet, was wir als „indisches Essen“ aus dem Restaurant kennen, setzt sich allmählich auch in Deutschland durch.
Wieso jetzt Indien?
Eigentlich wollte ich ja gar nicht nach Indien. Zu viel Negatives hatte ich über das Land gehört, auch von Leuten, die hartgesottene Backpacker waren. Als mein neuer Yogalehrer Laurent Roure sagte, er biete Yogaretreats (auf Englisch) in Kerala und Slowenien an, war daher für mich die Sache klar: Indien kommt nicht infrage, aber Slowenien klingt interessant!
Dummerweise war Slowenien ausgebucht. Aber für Indien war noch ein Platz frei. Dann halt doch Indien.
So schnell geht das manchmal bei mir. (In Slowenien war ich im folgenden Jahr.)
Es wurde gleich eine längere Reise: Außer in Kerala war ich noch in Kolkata, Westbengalen, Sikkim und Bhutan.
Yogaretreat in Mararikulam
Laurent und José haben ja ein Händchen dafür, schöne Orte für Yogaretreats zu finden. In Marari(kulam) waren wir in den Marari Villas untergebracht, einer Unterkunft mit mehreren freistehenden Gebäuden und offenem Yogashala. Der Laden gehört einem britisch-russischen Paar, das aber offenbar inzwischen das Konzept geändert hat.
Es war jedenfalls ganz herrlich: riesige Zimmer, unfassbar gutes Essen und Strand und Sonnenuntergang direkt vor der Zimmertür. Der Strand war von Fischern und anderen Einheimischen gut frequentiert, hier war also immer was zu sehen.




Eine traditionelle Tanzvorführung wurde uns auch noch beschert. Die war echt interessant.

Backwaters-Tour
Außer Essen, Schlafen, Yoga erwarteten uns diverse Abenteuer: zum Beispiel eine Bootsfahrt in den Backwaters, den Kanälen im Hinterland. Leider schüttete es den Großteil des Tages wie aus Kübeln.






Shopping-Exkursion
Mit dem Tuktuk unternahmen wir einen Ausflug nach Alleppey, die nächstgelegene Stadt.





Fahrradausflug
Mit dem Fahrrad fuhren wir in die umliegenden Dörfer. Natürlich war es sauheiß und schwül. Wir wurden angestarrt, als wären wir nicht ganz bei Trost. Warum fahren die Weißen mit dem Fahrrad, die können sich doch ein klimatisiertes Auto leisten?

Ein Tuktuk hielt sogar an, damit die Schulkinder, die darin fuhren, uns genauer unter die Lupe nehmen konnten.

Als wir an einer Kirche vorfuhren, waren wir sofort von den Kindern der daneben gelegenen Schule umringt. Die konnten es auch kaum glauben, wer sich da zu ihnen verirrt hatte.



Eine ayurvedische Massage habe ich auch mitgemacht. Davon gibt es keine Fotos. Man wird da mit nassem Sand abgerubbelt. Meine Güte. Ich mag ja feste Massagen gerne, aber das war mir echt zu viel. Immerhin war meine Haut danach so zart wie schon lange nicht mehr.
Periyar
Wegen nur einer Woche wollte ich nicht bis nach Indien reisen. Deshalb hatte ich mir für einige Tage ein Auto mit Fahrer organisiert, um noch etwas mehr vom Land zu sehen. Mein erstes Ziel war Periyar, etwa 3,5 Stunden Fahrt von Marari entfernt. Hier gibt es noch Tiger. Denen kann man in der Tiger Reserve nachspüren. Das wollte ich natürlich versuchen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, einen Tiger zu sehen, gleich 0 ist. Spoiler: Bei mir hat es natürlich auch nicht geklappt. Schön war es trotzdem.
Das Konzept ist ganz simpel: Man meldet sich für eine Wanderung an, läuft in der Gruppe durch den Wald, sieht natürlich nichts und macht dann noch eine Floßfahrt auf dem See.





Alles in allem war das ein sehr schöner Ausflug. Nur die drei Damen, die am späten Nachmittag schwer mit Brennholz bepackt an uns vorbeigingen, waren über unsere Anwesenheit sichtlich unerfreut.

Spannender war allerdings der Aufenthalt in meiner Unterkunft. Ich hatte mich für kleines Geld in einem homestay eingemietet, also einer Privatunterkunft, Familienanschluss inklusive. Meine Gastgeber hatten ihren Gemüsegarten aufgegeben, um ein kleines Gebäude mit vier Zimmern zu errichten – das warf mehr ab als das Gemüse. Abends kam die kleine Tochter angelaufen und rief „Julia! Dinner ready!“, ich übte mit dem Sohn das kleine 1×1 und erfuhr, dass mein erstes indisches Kochbuch ganz schön überholt war. Dort stand nämlich, man müsse für jedes Curry unbedingt als erstes 30 Minuten lang Zwiebeln anbraten, bis sie goldbraun sind. (Wenn auch nur ein kleines bisschen Zwiebel verbrennt, muss man alles wegschmeißen und von vorne beginnen.) Hier warf die Mama alles gleichzeitig in den Topf, rührte um, fertig. Auf Nachfrage lachten sie sich fast tot: Das habe man früher so gemacht, aber „wir sind eine moderne Familie, wir haben für so was keine Zeit.“
Schade, dass ich nach zwei Nächten schon wieder abreisen musste.
Munnar
Mein nächstes Ziel war Munnar, die ehemalige hill station, wo immer noch viel Tee angebaut wird. Die Fahrt dauert normal knapp drei Stunden. Bei uns war es etwas mehr, denn in Kerala war zum Streik aufgerufen worden. Deshalb gab es in mehreren Orten Kundgebungen und Straßensperren. Und in diesen Orten war ich ganz froh, nicht im Bus zu sitzen, sondern im Auto, denn die Stimmung war ganz schön aggressiv. 😬
Schließlich rollten wir in Munnar ein, das touristisch gut erschlossen ist.

Vor allen Dingen ist es in Munnar wunderbar kühl und deutlich weniger schwül als an der Küste. Als eines der Touristenzentren in Kerala hat der Ort natürlich jede Menge homestays. Ich hatte mich im Rose Garden, dem ältesten von allen, eingemietet. Bei Ankunft gab es direkt eine Gartenführung durch den Vater, Mr. Tomy.

Homestays wurden in Kerala eingeführt, nachdem der Minister für Tourismus in England in einem Bed & Breakfast abgestiegen und von dem Konzept total begeistert war. Der Papa der Familie kümmerte sich damals um die Gärten eines Hotels in Munnar. Dort unterhielt er sich mit einem europäischen Gast, der dann gerne mal den heimischen Garten sehen wollte, und so nahmen die Dinge ihren Lauf (hier gibt’s die ganze Geschichte).
Den ersten Gästen hat die Familie noch das für indische Verhältnisse normal gewürzte Essen vorgesetzt. Erstaunt stellten sie fest, dass das für die meisten europäischen Gaumen viel zu scharf war. Also wurde eine Weile zweigleisig gekocht (normal für die Familie, weniger scharf für die Gäste), bis die Mama entschied, das sei ihr zu viel Arbeit. Seitdem isst auch die Familie weniger scharf – und hat, nach Aussage des Sohns, mit „normalem“ indischen Essen mittlerweile auch Probleme.



Wandern in den Teegärten
Kurz nach mir waren Helen und Billie aus England eingetroffen. Ich wollte am nächsten Tag gerne in den Teegärten wandern gehen, die beiden wollten Vögel beobachten. Wandern war für sie aber auch ok. Also wurde Rajeev (IG birding_with_kuttettan_munnar) aktiviert. Der würde uns am nächsten Morgen abholen – sobald er mit seinem Hauptjob als Briefträger fertig sei.
Das lief dann so: Wir saßen zu dritt hinten ins Tuktuk gequetscht. Rajeev fuhr die kurvigen Straßen in Richtung Teegarten und spähte dabei mit zusammengekniffenen Augen in die hohen Baumkronen im Gegenlicht. Und erblickte einen Vogel nach dem anderen. Keine Ahnung, wie er das gemacht hat. Ich habe da gar nichts gesehen.

Am Teegarten erwarteten uns jede Menge Schilder, die uns darüber informierten, dass auf diesem Privatgrund keine Eindringlinge erwünscht seien. Wir: ähh … Rajeev: Halb so wild, ihr seid Europäer, das passt schon, die wollen bloß keine Inder, weil die ihren Müll in die Landschaft werfen. Ach so. Na dann. Los geht’s.







Kochi
Am Morgen meiner Abreise aus Munnar stand mein Fahrer völlig aufgelöst vor meiner Tür: Ein familiärer Notfall, er müsse sofort abfahren, ein Kollege würde mich abholen. Weg war er.
Der Kollege fuhr bald wie versprochen vor, und wir machten uns auf den Weg nach Kochi. Unterwegs hielten wir an einem Gewürzgarten und einem Wasserfall …

… und dann war ich auch schon in der Stadt. Das war eine ziemliche Umstellung. Kochi hat aktuell (2025) etwa 878.000 Einwohner und ist entsprechend wuselig. Ich machte mich gleich mal zu den Fischerbooten auf.

Am Nachmittag wurde der frisch gefangene Fisch direkt am Hafen verkauft.

Das Wetter war erheblich besser als noch eine Woche zuvor, also buchte ich nochmal eine Backwaters-Bootsfahrt. Die hat ungefähr 10 € gekostet. Sie war deutlich weniger luxuriös als die erste, lief aber trotzdem echt gut. Sogar das inkludierte Essen war lecker.





Ein paar letzte Sonnenuntergangs-Impressionen, und dann ging es auch schon weiter nach Kolkata.


Von Kochi aus ging es weiter nach Kolkata, durch Nordostindien und schließlich nach Bhutan.
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